Originaltitel: Tenet
Kinostart: 26.08.2020
Länge: ca. 150 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Christopher Nolan
Schauspieler: John David Washington | Robert Pattinson | Elizabeth Debicki
Genre: Action | Thriller | Spionage
Verleiher: Warner Bros. GmbH
Endlich ist er da – der erste große Blockbuster des Jahres 2020, auf den nun alle seit mehreren Monaten gewartet haben. Zwar war ich seit Wiedereröffnung der Kinos selbst schon einige Male wieder dort und habe mir ein paar nette Filme angeschaut, doch tatsächlich war TENET auch für mich das erste Werk seit Mitte März, welches ich auf einer wirklich großen Leinwand sehen durfte. Doch warum fiebern eigentlich alle ausgerechnet auf diesen Film hin? Natürlich einmal, weil es der erste vielversprechende große internationale Start ist, den wir seit März begutachten dürfen und zum anderen auch wegen des eindrucksvollen Casts und namhaften Regisseurs.
Klar, wer kennt ihn nicht – Christopher Nolan ist in aller Munde, denn kaum ein Regisseur hat bisher so wenig renommierte Filmpreise abgeräumt und zugleich einige der grandiosesten Filme des 21. Jahrhunderts gedreht. Darunter finden sich vor allem die BATMAN-Trilogie mit Christian Bale, INCEPTION, INTERSTELLAR, MEMENTO und DUNKIRK. Es ist fast schon unglaublich, dass er bei diesem Filmspektrum immer nur mit Nominierungen abgespeist wird. Ob sich das mit TENET vielleicht ändert? Sein neuster Streich bringt überraschenderweise nur ein bekanntes Gesicht mit, denn üblicherweise baut Nolan häufiger mal auf Schauspieler seiner letzten Werke. Doch egal was passiert, darf natürlich Michael Caine nicht fehlen, auch wenn er nur in einer kleinen Nebenrolle zu sehen ist. Doch auch der restliche Cast zeigt einige bekannte Gesichter, so zum Beispiel John David Washington (BLACKKKLANSMAN), Robert Pattinson (DER LEUCHTTURM) und Himesh Patel (YESTERDAY).
Darum geht es…
Ein CIA-Agent, der eigentlich bemüht war einen Terroranschlag in einem Kiewer Opernhaus zu verhindern, wird überwältigt, gefoltert und nimmt sich selbst das Leben – scheinbar! Ähnlich wie schon in xXx – TRIPLE X wird der Protagonist jedoch getäuscht und dies war vor allem ein Test hinsichtlich der Loyalität der Agenten, welchen dieser damit bravourös bestanden hat und nun abberufen wird zu einem geheimen Einsatz, in welchem er den dritten Weltkrieg verhindern muss und bei dem sein Gegner die Zeit ist. „Invertierte“ Gegenstände, Personen und Geschehnisse sind Dinge aus der Zukunft, die sich scheinbar rückwärts in der Zeit bewegen. Waffenhändler und Terrorist Andrei Sator macht sich diese Entwicklung zu Nutze, während der namenlose CIA-Agent versuchen muss Zugang zu diesem Wahnsinnigen zu erlangen und damit den Krieg der Zeiten zu verhindern. Doch klingt dies deutlich einfacher als es ist….
Rezension
Schon die ersten wenigen Minuten des Films zeigen deutlich, wofür Filme gemacht werden – für die große Kinoleinwand. Nicht nur, dass wir ein faszinierendes und actiongeladenes Bildspektakel erhalten, welches sich nicht viel Zeit nimmt, um in die Geschichte einzutauchen, nein wir bekommen vor allem mit tiefen Bässen und wummernden Soundeffekten auch ordentlich was aus den Boxen zu spüren. Schon hier weicht Nolan ein wenig von seinem üblichen Stil ab, denn wo er sonst sich in ewigen Dialogen verliert und die Handlung fast schon ein wenig zu kurz kommt, bringt er in TENET deutlich mehr Actionsequenzen ein und orientiert sich damit offenbar etwas mehr an Kassenschlagern wie der FAST & FURIOUS-Reihe. Die sonst übliche Lethargie, die sich in seinen Werken wiederfindet, scheint hier einmal außen vor zu bleiben.
Das heißt natürlich nicht, dass wir hier in Gänze einen neuen Filmstil zu betrachten bekommen, denn Nolan versucht trotzdem ständig irgendwelche prahlerischen Dialoge einzubinden, die offenbar seine geistige Überlegenheit über das „normale“ Publikum zeigen soll. Wie schon in INCEPTION und INTERSTELLAR zeigt der Regisseur recht deutlich, dass für ihn physikalische Gesetze nur ein nutzloses Schreibsel sind, welche gut dafür geeignet sind aus den Angeln gehoben zu werden. Erneut versucht er die Grenzen der Vorstellungskraft zu sprengen – und das mit vollem Erfolg. Geschickt macht er dem Zuschauer anfangs glauben, dass dieser endlich mal von Beginn an diese Abstraktheit der Zeitspiele im Film verstehen würde, verweist diesen jedoch dann recht schnell auf die Ersatzbank und zeigt deutlich, dass der menschliche Geist für solche Komplexität nur selten geschaffen ist.
Warum geschieht das alles nur?
Das schwierige daran ist nicht, Verständnis dafür zu erlangen, dass eine Pistole eine Kugel auffängt statt abzuschießen oder ein liegender Gegenstand gefangen werden kann, sondern vielmehr, dass diese invertierte Handlung – als rückwärtslaufende Geschehnisse – gleichzeitig mit dem normalen Zeitstrang existieren und Zukunft gleich Vergangenheit und gleich Gegenwart zu sein scheint. Sprich, es wird sehr problematisch, sobald Handlungen anfangen parallel vorwärts und rückwärts zu laufen und jegliches Zeitgefühl über Bord geworfen werden muss. Wieder einmal ist es Nolan damit gelungen eine grundsätzlich schlüssige Handlung zu erzeugen, die jedoch so komplex und umfangreich ausgeschmückt ist, dass eine einzige Sichtung den meisten Menschen wohl nicht für das endgültige Verständnis reichen wird.
Gleichzeitig bringt diese absurde, irrsinnige, aber gleichzeitig auch geniale Idee auch die Möglichkeit mit sich, die Actionsequenzen auf der Leinwand zu revolutionieren. Dadurch dass solche Dinge möglich werden wie Kugeln, die zurück in die Waffe fliegen, aus der sie gekommen sind, entsteht eine völlig neue Kampfdynamik, die gleichzeitig die Logik fordert. Denn wenn im hier und jetzt ein Ereignis aus der Vergangenheit zurück gespult wird und damit gegenwärtig wird, bekommen die Protagonisten völlig neue Möglichkeiten ihre Angriffe zu planen und einzusetzen.
Da fehlt doch was…
Doch so spektakulär diese Idee auch zu scheinen mag, dürfen wir eins nicht vergessen – und Nolan hat es offenbar vergessen: Wichtig für einen erfolgreichen Film ist eine schlüssige Handlung, gute Figuren und eine harmonische Symbiose zwischen Bild und Ton. Während sich Nolan jedoch scheinbar nur damit beschäftigt hat, dass sein inhaltlicher beziehungsweise visueller Plan aufgeht, kommen die anderen Punkte teilweise etwas zu kurz. So schaffen es die Figuren, trotz großartiger und sympathischer Besetzung, nicht so recht eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln und bewegen sich daher wie leblose Marionetten auf der Leinwand, zu denen es der Zuschauer nicht schafft eine Verbindung aufzubauen. Zudem sind die persönlichen Beziehungen der Figuren untereinander teilweise nicht klar erkennbar. Es dauert gelegentlich lange die Überschneidungen ihrer Geschichten wahrzunehmen und ein schlüssiges Verhältnis zwischen ihnen wahrzunehmen.
Gleichzeitig wird auch der sonst übliche Perfektionismus des Regisseurs ein wenig vernachlässigt und viele Szenen werden nur in angedeuteter Form gezeigt und verlieren dadurch ihre Energie. Womöglich spielt hier jedoch auch der Wunsch mit rein TENET eine Altersfreigabe zu verpassen, die auch die jüngeren Generationen einbezieht. Der teilweise fast schon lieblose Umgang mit der Handlung resultiert vor allem auch aus den sehr abgehakten Szenerien, die teilweise großen Zeitsprüngen und sehr vielen uncharmanten Ortswechseln zum Opfer fallen. Zwar wird versucht den Zuschauer gemächlich an eben jene Sprunghaftigkeit zu gewöhnen, doch scheint mir dies ein Element zu sein, welches in rund 150 Minuten Spielzeit nicht so recht einverleibt werden kann.
Ein verwirrender Geniestreich lässt Federn
Unterm Strich bekommen wir als Zuschauer alles was wir erwartetet haben und doch irgendwie auch gar nichts davon. Der Film ist ein verwirrender Geniestreich, der uns alle Eigenheiten eines Nolan-Films geradezu auf dem Silbertablett serviert und gleichzeitig doch nicht schafft an die herausragende Qualität seiner vorherigen Werke anzuknüpfen. Wo liegt nun das Problem? Zum einen natürlich in der Erwartungshaltung der Zuschauer, die gerade nach rund fünf monatiger Blockbuster-Abstinenz nun auf einem absoluten Höchstlevel liegt, aber eben auch daran, dass Regisseur Christopher Nolan seinen Fokus etwas zu sehr auf seine Spezialität – dem Spiel mit der Zeit und das Unvorstellbare wahr zu machen – gelegt hat und damit kleine, aber eben wichtige Elemente für einen begeisternden Film aus den Augen verloren hat. So ist ein heulender Matthew McConaughey in INTERSTELLAR noch immer herzergreifender als jede Romanze in TENET. Prachtvoll, exorbitant und beeindruckend bleibt der Film jedoch in jedem Fall.
Das Blockbusterkino ist zurück – und die Vorfreude auf einen Film war wohl noch nie zuvor so groß, wie in diesen Zeiten und unter diesen Umständen. Doch kann TENET diesen Erwartungen auch tatsächlich gerecht werden? Die Antwort darauf ist gar nicht so leicht, denn natürlich erwartet den Zuschauer wieder ein actiongeladenes und pompöses Leinwandspektakel, welches zugleich auch noch jede einzelne Gehirnzelle im Sekundentakt fordert. All das, was wir an Nolans Filmen lieben bekommen wir geboten und so ist TENET definitive auch wieder ein Film, den man partout nicht auf der eigenen kleinen Leinwand oder gar dem Fernsehr zu Hause genießen könnte. Dennoch muss man auch sagen, dass die Erwartungen, die der Zuschauer mit ins Kino bringt, besser nicht so hoch sein sollten, wie sie aktuell wohl bei den Meisten sind. Während Nolan wiedermal eine unfassbare Welt der Verwirrungen geschaffen hat, verliert er gleichzeitig ein wenig den Bezug zur Realität und scheint grundlegende Elemente wie Gefühl, Leidenschaft, Präzision und Persönlichkeit etwas zu sehr außer Acht zu lassen. Schade eigentlich, denn gerade in INTERSTELLAR hat er ja noch sehr viel Wert darauf gelegt. Letztlich sieht man wieder, dass Nolan große Ideen und Visionen verfolgt und diese auch spektakulär umsetzt, doch gleitet er dabei etwas zu sehr in das klassische Popcornkino ab – untermalt mit einer dicken Portion Verwirrung durch irrsinnige und zugleich faszinierende Spielchen mit der Zeit.