The Apartment with Two Women ©Korean Academy of Film Art

Es gibt nur wenige Momente, in denen das zentrale Mutter-Tochter-Gespann den flüchtigen Eindruck erweckt, einander ohne direkte Konfrontation oder Diskussion ertragen zu können. Einer davon spielt des nachts in einem Apartment in vollkommener Dunkelheit, in der die Regisseurin fernab mimischer Einsichten nach den emotionalen Zuständen der Figuren sucht. Kim Se-ins Spielfilmdebüt ist ein nüchtern betrachtetes und zurückhaltend gefilmtes Familiendrama, welches sich einer fast schon unangenehmen Nähe zu seinen Charakteren und über zweistündigen Laufzeit verschreibt.

Darum geht es…

Yi-jung lebt gemeinsam mit ihrer Mutter Su-kyung in einem kleinen Apartment. Die Beziehung zwischen den beiden ist abweisend und missbräuchlich. Als Yi-jung eines Tages auf einem Parkplatz von ihrer Mutter angefahren wird, erreicht das Verhältnis einen neuen Tiefpunkt. Su-kyung hält an der Behauptung fest, das Auto habe sich ohne ihr zutun bewegt, doch Yi-jung traut ihr nicht mehr über den Weg. Sie fordert eine Entschuldigung ein, nicht nur für den fahrlässigen Unfall, sondern für all die Dinge, die sie unter ihrer Mutter erleiden musste …

Rezension

So schwer und ungeschönt die Themen auf dem Film lasten, so ausdauernd und unbequem versucht der Film zu seinen Hauptfiguren durchzudringen. Der Mutter-Tochter-Dualismus besticht in erster Linie durch zwei herausragende Darstellerinnen, die die Lebenswelten ihrer Figuren mit großer Authentizität und Hingebung bespielen. In ihrer Erstlingsrolle verkörpert Im Jee-hoo die zunächst zurückhaltende Yi-jung, eine junge Frau, die unter der (Nicht-)Beziehung zu ihrer Mutter leidet. Aufgrund fehlender finanzieller Mittel fällt ihr die Abkapselung von der Mutter schwer, auch im Job wird sie eingeschränkt. In leisen, unaufgeregten Bildern porträtiert der Film Verunsicherung und Durchsetzungswillen der jungen Frau, die sich gleichermaßen nach einer Bezugsperson sehnt, wie sich endgültig von einer solchen lösen möchte. Jegliche Einsichten in ihren Mikrokosmos sind schmucklos und nahbar, niemals einfältig, aber durchaus eindringlich.

The Apartment with Two Women ©Korean Academy of Film Art

Noch größere Aufmerksamkeit erhält jedoch die von Yang Mal-bok (ALIVE) gespielte Singlemutter Su-kyung, die in einfordernder, missbräuchlicher und bevormundender Art und Weise wenig von ihrer eigenen Tochter hält. Viel lieber trifft sie sich mit anderen Freund*innen oder ihrem Liebhaber, in dessen Familie sie sich einzugliedern versucht. Kim Se-in fängt die Alleinerziehende in all ihrer Kaltschnäuzig- und gelegentlicher Grausamkeit in erster Linie als eigenständigen Menschen ein. Als Frau, die unter allen Machtdemonstrationen ihre eigene Unsicherheit und Überforderung birgt. Der Film geht ihr unnachgiebig nach, versucht zu begreifen und zu verstehen, ohne die Erkenntnisse immer auszuformulieren.

THE APARTMENT WITH TWO WOMEN ist kein einfacher und locker zu konsumierender Film, sondern ein tristes, unangenehmes und mit seiner Laufzeit kräftezehrendes Drama. Mit sparsamen Einsatz von Musik und keinerlei Experimenten in der Kameraführung konzentriert sich Kim Se-in fast ausschließlich auf Dialoge zwischen ihren Figuren, die vielmehr etwas über die Charaktere selbst aussagen als mit inhaltlicher Komplexität angereichert sind. Überdies fügen sich wiederkehrende Elemente wie etwa der rote Wagen als einer der wenigen gemeinsamen Fixpunkte passgenau und ungekünstelt in die Geschichte ein.

Fazit

Kim Se-ins Spielfilmdebüt bewegt sich fernab eines schlichten Familiendramas und erkundet auf nüchtern und unbequeme Art und Weise die Facetten einer instabilen teils zerstörerischen Mutter-Tochter-Beziehung. Herausragend gespielt, feinsinnig beobachtet und nur zurückhaltend urteilend. THE APARTMENT WITH TWO WOMEN ist nüchternes, starkes Schauspielkino mit schweren Themen und nur vereinzelten Längen.

Wie hat Dir der Film gefallen?
(3 Bewertungen, Durchschnitt: 8,33 von 10)

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