Originaltitel: The Farewell
Kinostart: 19.12.2019
DVD/Blu-ray – Release: 17.04.2020
Länge: ca. 100 Minuten
Produktionsland: USA | China
Regie: Lulu Wang
Schauspieler:innen: Shuzhen Zhao | Awkwafina | X Mayo
Genre: Drama | Komödie
Verleiher: DCM Filmdistribution
Biografisch angehaucht, erzählt die Regisseurin Lulu Wang in THE FAREWELL Elemente ihrer eigenen Geschichte. Für die Hauptrolle, die Wangs eigenes Ich darstellt, wurde die derzeitig immer populärer werdende Awkwafina gecastet, welche zuletzt in Filmen wie JUMANJI: THE NEXT LEVEL, PARADISE HILLS und OCEAN’S 8 zu sehen war. Neben ihr spielt ein weiterer chinesisch-stämmiger Schauspieler, der in den USA aufgewachsen, aber bei weitem nicht so bekannt ist, eine wesentliche Rolle im Film. Die Rede ist von Tzi Ma, der unscheinbar und unauffällig in Filmen wie ARRIVAL, SKYSCRAPER, RUSH HOUR und vielen weiteren Werken auftritt und sich zumeist eher in kleineren Nebenrollen austoben kann.
Darum geht es…
Als die alte Dame Nai Nai mit ihrer Schwester zum Arzt geht für eine Untersuchung, wird ihr schließlich nicht verraten, dass sie an unheilbarem Krebs leidet. Die Schwester erzählt es der restlichen Familie, die zu großen Teilen nach Amerika ausgewandert ist. Gemeinsam hegen sie einen Plan, wie sie die Großmutter noch einmal zusammen besuchen können, ohne dass sie misstrauisch wird, denn es ist eine Art kulturelles begehen, dass dahinscheidenden Menschen ihr Leid nicht mitgeteilt wird beziehungsweise dies erst kurz vor dem Tode geschieht. Im Anschein für eine große Hochzeit zusammen zu kommen, finden große Teile der Familie nach langen Jahren der Abstinenz wieder zueinander doch vor allem die junge Billi ist der Ansicht, dass mit solchen Traditionen endlich gebrochen werden müsse. Ihrer Meinung nach, hat Nai Nai ein Recht darauf zu erfahren, wie es um ihre Gesundheit steht. Ein Familienzwist ist vorprogrammiert, doch werden die Menschen Einsehen zeigen und dieses Geheimnis offenbaren?
Rezension
The Farewell ist ein wenig konfus gestaltet, denn eigentlich möchte das Werk etwas mehr sein als es ist – sprich mehr dem amerikanischen Mainstream entsprechen, obwohl es doch eher ein asiatischer Arthousefilm ist. Dieser Aspekt sorgt nämlich dafür, dass viele Dialoge etwas erzwungen und aufgesetzt wirken und eher dem amerikanischen Stil entsprechen, als man es aus der chinesischen Filmlandschaft her kennt. Dennoch handelt es sich hier bei weitem nicht um einen schlechten Film, denn gemächlich und unaufgeregt wird hier eine wunderbar kleine Geschichte erzählt, wie sie absurder, aber eben auch realer kaum sein könnte. Lulu Wang verzichtet dabei auf jegliches große Brimborium und setzt vielmehr auf die kleinen liebenswerten Momente, die daraus eine runde und glaubwürdige Story entstehen lassen.
Besonders gut überzeugen kann dabei Shuzhen Zhao, die Darstellerin der Figur Nai Nai, die mit all ihrer Natürlichkeit ihre Rolle präsentiert und daher immer wieder das ein oder andere Schmunzeln auf das Gesicht des Zuschauers treibt. Gleichzeitig versteht sie es wie kein zweiter in diesem Werk mit ihrer Mimik die Handlung zu lenken und in Sekundenschnelle die Stimmung zu wechseln. Sie stellt mit Abstand den größten Gewinn für dieses Werk dar und gerne möchte man mehr von der alten Dame sehen.
Awkwafina überzeugt nicht
Im Gegensatz dazu steht die vergleichsweise junge und wie oben erwähnt recht populäre Awkwafina, die leider nicht ganz so von sich überzeugen konnte. Zwar wird deutlich im Film die stets missmutige Stimmung und der desinteressierte Blick der Figur von der gesamten Familie kritisiert, doch auch abgesehen von dem nicht ansprechenden mimischen Gebaren fehlt der Schauspielerin die völlige Leichtigkeit. Jeder Moment wirkt doch recht erzwungen und ohne jegliche Spontanität. Die Ausstrahlung, insbesondere auf den Hinblick, dass sie die Hauptrolle verkörpert, ist nicht gerade attraktiv und liebenswert.
Achtet man jedoch nicht ganz so genau auf die Protagonistin zeigt sich insbesondere zum Ende hin ein herzlich berührendes Drama, dass es schafft die Augen etwas anzufeuchten und dabei ein wohliges und liebenswertes Gefühl hinterlässt. Die Musik ist wunderbar auf die Handlung abgestimmt und leitet den Zuschauer auf einer sanften Welle durch die Handlung. Visuell bekommt das Publikum hingegen nicht ganz so viel geboten, denn dank der recht einfach gestrickten Story blieben dem Kamerateam kaum Möglichkeiten irgendwelche beachtenswerte Augenblicke zu setzen.
Liebevoll berührend
Viel wichtiger war da die Geschichte selbst, die dank der wahren Grundlage einen schönen Entwicklungsweg nahm und glücklicherweise nicht auf ein klassisches Happy-Ending zusteuert. Hiermit wird den meisten Zuschauern wieder einmal ein spannender kultureller Teil der Chinesen offenbar, der wohl zumeist noch nicht so bekannt war und gleichzeitig ein Familienzwist aufgedeckt, der weitestgehend sogar als Generationskonflikt bezeichnet werden könnte. THE FAREWELL macht Spaß und berührt zeitglich die Menschen, ist aber dennoch eher dezent in der Ausführung gehalten und sorgt daher nicht für die großen Überraschungen und Ereignisse. Für einen friedvollen Abend vollkommen das Richtige, aber mir persönlich fehlt ein wenig eine Wendung oder ein ansprechender Moment, der sich im Kopf festsetzen könnte.
Wenn die Asiaten ihre Filmkunst auspacken, bietet sich immer erst einmal ein gespannter Augenblick, denn häufig wissen sie mit überraschenden und unerwarteten Werken aufzuwarten. Dies ist hier nicht ganz so, vielleicht auch weil neben dem großen asiatischen Cast auch die USA ihre Finger im Spiel hatten. Beständig und unverfälscht kommt THE FAREWELL dennoch daher und erzählt einen spannenden, kulturellen Aspekt des chinesischen Umgangs mit tödlichen Krankheiten. Gleichzeitig hat auch die familiäre Nähe eine wichtige Stellung eingenommen, mit der die Regisseurin einen wichtigen Teil ihrer eigenen Vergangenheit zeigt. Hier kann vor allem die Schauspielerin Shuzhen Zhao überzeugen, die zwar nur als Nebenrolle auftritt, aber dennoch jegliche Gefühlregung des Zuschauers beeinflusst, während die anderen teilweise etwas bekannteren Darsteller an diese Qualität leider nicht so ganz heranreichen. Wer hier das große Spektakel erwartet ist leider völlig falsch, denn ruhig und konzentriert wird die Geschichte mit viel Gefühl in kleinen Schritten aufgebaut und hinterlässt einen wohligen Schauer der Freude.