Originaltitel: Le Dernier voyage
DVD-Bluray-Start: 30.09.2021
Länge: ca. 87 Minuten
Produktionsland: Frankreich
Regie: Romain Quirot
Schauspieler:innen: Hugo Becker | Paul Hamy | Jean Reno
Genre: Sci-Fi | Abenteuer | Drama
Verleih: EuroVideo
Das zeitgenössische europäische Science-Fiction Kino ist trotz Genrebeiträgen wie UNDER THE SKIN und zuletzt Tim Fehlbaums TIDES eher eine Seltenheit. Mit seinem Langfilmdebüt liefert Romain Quirot nun eine weitere französische Zukunftsvision, basierend auf seinem eigenen Kurzfilm. Jener Kurzfilm mit dem internationalen Titel THE LAST JOURNEY OF THE ENIGMATIC PAUL W.R. gewann beim Berliner Kurzfilmfestival seinerzeit den Preis für den besten Sci-Fi Kurzfilm und den Publikumspreis bei den Short Film Breaks 2016. Die ausführlichere Version seiner Geschichte erscheint hierzulande nun Ende September auf Blu-ray und DVD und ist bereits seit geraumer Zeit als VoD verfügbar.
In seinem ersten Langfilm nutzt Quirot nicht nur die Möglichkeit, die bestehende Geschichte ausführlicher zu erzählen und die dystopische Welt mit vielen weiteren und auch ausgereifteren Mitteln und Effekten auszustatten, sondern ergänzt außerdem die Charaktere und deren Hintergrundgeschichten. Neben Hugo Becker und Paul Hamy als Geschwisterduo sind unter anderem Newcomerin Lya Oussadit-Lessert und LEON – DER PROFI Darsteller Jean Reno zu sehen.
Darum geht es…
In einer dystopischen Zukunft wird die Menschheit von einem riesigen roten Mond mit der nötigen Energie fürs Überleben versorgt. Um das kolossale Ausmaß eines Zusammenstoßes und das Ende der Menschheit zu verhindern, muss der Mond abgewendet werden. Große Hoffnungen konzentrieren sich dabei auf den besten Astronauten aller Zeiten, Paul W. R., welcher jedoch kurz vor der alles entscheidenden Mission spurlos verschwindet. Auf der Flucht vor seiner Vergangenheit trifft der mitgenommene Raumfahrer auf ein Mädchen, welches ihm fortan auf seiner ungewissen Reise begleitet…
Rezension
Der Staub von MAD MAX, das holografische Flimmern von BLADE RUNNER – bereits das Setting lässt deutliche Anleihen erkennen, schafft abseits dessen jedoch ein eigenes kleines Universum. Eine Welt, von der es zwar gerade genug Worldbuilding gibt, damit sich das Publikum darin zurechtfinden kann, aber nicht zu viel, sodass das stetige Gefühl entsteht, es gäbe noch viel mehr zu entdecken. Die trotz des geringen Budgets oft hochwertigen Bilder und die glaubwürdige, mystisch angehauchte Atmosphäre verhelfen dem Film mit seiner Optik mit anderen kleineren Genreproduktionen der letzten Jahre mitzuhalten, wenngleich nicht, diese zu übertreffen. Dystopische Bilder von staubtrockenen Landschaften und heruntergekommenen Zufluchtsorten wechseln mit surrealen Blicken in die Vergangenheit. Letztere verlieren gegenüber den anderen Bildern an deutlicher Authentizität, die praktischen und auch die computergenerierten Effekte halten jedoch über knapp 90 Spielminuten ihr gutes Niveau.
Viel mehr gerät der Film ins Schwanken, wenn er sich um seine Charaktere dreht, die in diesem eher actionarmen und figurenorientierten Science-Fiction-Drama eigentlich zum unerschütterlichen Kernstück zählen sollten. Doch dasselbe Fingerspitzengefühl, welches die Welt um die Figuren herum glaubhaft und zur richtigen Zeit nur dezent in Szene setzt, scheint bei manchen Charakterzügen abhanden gekommen zu sein. Viele der Figuren sind einfach gestrickt, tragen oberflächliche Motivationen mit sich herum und besitzen wenig originelle Hintergrundgeschichten. In Flashbacks, die der Hauptfigur stellenweise wie Flicken auf den Rücken genäht sind, gibt sich der Film zumeist symbolträchtig und bedeutungsschwanger, ohne viel davon in der Charakterbindung einzulösen. Der emotionale Impact der Figuren hat selten eine Chance, sich zu entwickeln, egal wie laut die Musik die Gefühle an die Zuschauer*innen übermitteln will.
Volle Power nur in der Musik
Ähnlich simpel ist die Geschichte, die mit ihrer detaillierten und interessanten Welt gute erzählerische Grundlagen und sehenswerte Ansätze bietet, aber hinter ihren Möglichkeiten bleibt. Statt die titelgebende LETZTE REISE DER MENSCHHEIT noch vielschichtiger und ausgereifter zu thematisieren oder darüber zu philosophieren, kehrt der Film immer wieder zu seiner kernigen Familiengeschichte inklusive eines plumpen antagonistischen Bruders zurück. Der namenskräftige Jean Reno als Familienvater hat nur ein paar überschaubare Auftritte, die anderen Schauspieler*innen mimen ihre Figuren innerhalb der Parameter, die ihnen die Geschichte vorgibt: solide, aber nicht herausragend.
Seine Grundstruktur als eine Art futuristischer Road-Trip funktioniert in Angesicht des gemächlichen Pacings zu Beginn, gerät aber im Mittelteil und mit der Einbindung von Flashbacks hin und wieder ins Stocken. Ein paar wenige, aber gut inszenierte Actionsequenzen lassen die vergleichsweise ruhigen Bilder kurz erzittern, nur die Musik ist stets mit voller Kraft dabei, das Interesse des Publikums krampfhaft voranzutragen.
Fazit
So schön diese dystopische Welt auch aussieht das Potential zum neuen großen Science-Fiction-Klassiker verspielt THE LAST JOURNEY leider schon mit seinen Charakteren. Und ein genauerer Blick verrät, dass jene Stolpersteine auch in der Handlung liegen. Die eröffnete Welt bietet interessante Erzählansätze und eine sehr gelungene Optik, kann kleinere Inspirationen und Hommagen nicht verschleiern, ist mit ebensolchen aber auch nicht überfrachtet. Als Teil des europäischen Genrekinos kann er Fans von Science-Fiction-Filmen gute und seichte Unterhaltung bieten, allen anderen sei zumindest ein Blick auf den ursprünglichen Kurzfilm empfohlen.
Schauspieler:in | Rolle |
Hugo Becker | Paul W. R. |
Jean Reno | Henri W. R. |
Paul Hamy | Eliott W. R. |
Lya Oussadit-Lessert | Elma |
Philippe Katerine | TV-Moderator |
Bruno Lochet | César |
Emilie Gavois-Kahn | Simone |
Jean-Luc Couchard | zwielichtiger Kerl |
Darius Garrivier | junger Paul W. R. |
Jean-Baptiste Blanc | junger Eliott W. R. |
Sonia Okacha | Mutter von W. R. |
Franc Bruneau | Priester |
Anthony Pho | Ombre-Restaurant |
Dorcas Coppin | Egérie Lumina |
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