Vom Gold-Rapper zum Pop-Punker zum Filmstar! Diejenigen, die mit der Hip-Hop-Szene weniger vertraut sind, dürften Colson Baker – besser bekannt unter seinem Pseudonym Machine Gun Kelly – als den großgewachsenen, wasserstoffblondierten Mann an der Seite von Megan Fox kennen. Doch auch abseits der Klatschpresse über seine Beziehung zu der ehemaligen TRANSFORMERS-Darstellerin hat der 32-jährige Texaner eine erfolgreiche Karriere als Rapper hinter sich, ehe er sich 2020 neu erfand und dem Hip-Hop den Rücken kehrte. Neben seinem musikalischen Werdegang versuchte sich Baker in den letzten Jahren auch immer wieder als Schauspieler. So sah man ihn beispielsweise 2016 in einer kleineren Nebenrolle im Thriller NERVE oder dem Netflix-Superheldenfilm PROJECT POWER – eine Besetzung als Hauptdarsteller blieb ihm bislang jedoch verwehrt. In Tim Suttons grimmigem Western THE LAST SON darf das junge Multitalent aus Houston an der Seite von AVATAR-Star Sam Worthington nun zum ersten Mal sein Können in einer Hauptrolle unter Beweis stellen – ob ihm das gelingt, erfahrt ihr hier.
Darum geht es…
Ehe sich Isaac LeMay (Sam Worthington) im späten 19. Jahrhundert der Armee anschloss, um gegen den Indianerstamm der Cheyenne in den Krieg zu ziehen, genoss er ein zügelloses Leben. Bei seinen Eskapaden zeugte er viele Kinder mit unterschiedlichsten Prostituierten im ganzen Land. Für seine schrecklichen Taten an den amerikanischen Ureinwohnern, wird er vom Häuptling der Cheyenne mit einem dunklen Fluch belegt, der ihm den frühzeitigen Tod durch die Hand eines seiner Nachkommen prophezeit. Getrieben von der Angst macht er sich auf einen blutigen Feldzug, um seine unehelichen Söhne und Töchter kaltblütig zu ermorden. Als die Nachricht über die bevorstehende Ankunft seines mörderischen Vaters den skrupellosen Räuber Cal (Colson Baker aka Machine Gun Kelly) erreicht, bereitet sich dieser auf den finalen Kampf um Leben und Tod vor, während der Gesetzeshüter Solomon (Thomas Jane) einer Spur aus Leichen folgt, um die beiden zur Strecke zu bringen, ehe sich der straubige Boden noch weiter rot färbt.
Rezension
Die erste Frage, die sich bei THE LAST SON stellt, ist natürlich, die nach der Leistung von Colson Baker. Kann der schauspielerisch wenig erprobte Musiker mit seinen erfahrenen Kolleg*innen mithalten oder geht er im namhaften Cast, bestehenden aus Sam Worthington (KAMPF DER TITANEN), Heather Graham (FROM HELL) und Thomas Jane (THE PUNISHER), sang- und klanglos unter? Dem direkten Vergleich zu den genannten Darsteller*innen kann Baker ohne Probleme standhalten – ausschließlich an seiner soliden Performanz dürfte dies jedoch nicht liegen. Denn genauso wie der restliche Cast hat auch er unter der fehlenden Komplexität der Figuren zu leiden, die den Beteiligten kaum Spielraum gibt, um Akzente zu setzten. Die Rolle von Sam Worthingtons wortkargem Gesetzlosen Isaac LeMay beschränkt sich darauf, seine wenigen Dialogzeilen möglichst grummelig vor sich hin zu säuseln, während Heather Graham als besorgte Mutter kaum etwas zu tun bekommt. Welchen Nutzen der von Thomas Jane gespielte Sheriff Solomon für den Plot hat, will sich hingegen gar nicht erschließen. Seine eindimensionale, blasse Figur ist vollkommen unnötig für die Handlung und bläst die Geschichte nur künstlich auf.
Soweit so unbefriedigend. Doch der kompromisslose Western hat auch seine positiven Seiten. Tim Sutton erzählt eine finstere Rachestory, die bereits mit dem Auftakt des ersten von insgesamt fünf Kapiteln direkt eine drückende Stimmung etabliert. Während die zarte Stimme einer jungen Frau von der dunklen Prophezeiung von Isaacs bevorstehendem Schicksal berichtet, schwillt der düster schmetternde Score bedächtig an und frisst sich dabei unbeirrt in Mark und Bein. THE LAST SON nimmt uns mit in eine trostlose, triste Welt voller Hoffnungslosigkeit und Gewalt. Auch wenn die gezeigten Bilder das Versprechen der bedeutungsschwangeren Musik oft nicht einlösen können, verfehlt der atmosphärische Score nie seine Wirkung. Suttons Ambitionen hinter THE LAST SON sind stets spürbar – doch das Drehbuch stellt ihm dabei immer wieder ein Bein.
Aus Machine Gun Kelly wird Gattling Gun Kelly
In THE LAST SON gibt es keine Helden. Beim klassischen Kampf zwischen Gut und Böse ist klar wem man die Daumen drücken soll – in Tim Suttons Rache-Western gibt es diese Abgrenzung jedoch nicht. Während alleine die Tatsache, dass es sich bei Isaac LeMay um einen kindsmordenden Vater handelt, ausreicht, um ihn kategorisch als Sympathieträger ausschließen zu können, ist es um seinen titelgebenden letzten Sohnemann nicht anders bestellt. Dieser ist nämlich nicht weniger böse als sein Erzeuger und entpuppt sich schon früh als waschechter Psychopath, der bevorzugterweise mit der Gatling Gun reihenweise Männer niederstreckt oder sich explosionsartig mit unzähligen Messerstichen in Rage metzelt. Einzig seine angedeutete ödipale Beziehung zu seiner Mutter und die Liebe zu Tieren lassen hin und wieder etwas Menschlichkeit in ihm aufblitzen. Für manche mag der völlige Verzicht auf Bezugspersonen das Mitfiebern schmälern – wer den unerbittlichen Western jedoch als düstere Ballade über Leid und Tod betrachtet und sich darauf einlassen kann, wird konsequent in eine empathielose, kalte Welt gezogen.
Ob Machine Gun Kelly aka Colson Baker in der Rolle des Cal nun ein Gewinn für THE LAST SON ist oder nicht, lässt sich nur schwer beantworten. Den Namen eines Verbrechers – schließlich ist er nach einem berüchtigten Kriminellen aus dem Zeitalter der Prohibition benannt – trägt der Musiker zumindest schon mal. Um den wenigen Facetten seiner Figur Ausdruck zu verleihen, reicht sein darstellerisches Vermögen jedenfalls aus. Es wäre dennoch interessant gewesen, was mit einer ausgefeielteren Figurenzeichnung und einem besseren Skript noch alles möglich gewesen wäre. Bei all der Ernsthaftigkeit und dem Nihilismus, die Suttons Western ausstrahlen, bleibt wenig Raum für Gefühle und so läuft der minimalistische Plot grimmig auf einen genretypischen Showdown zu, samt netter Schlusspointe, die für den aufmerksamen Zuschauer aber schon früh zu erahnen ist. Ein konsequentes und zufriedenstellendes Ende. Ehe wir auch diese Rezension mit einem hoffentlich ebenso befriedigenden Fazit abschließen, soll der heimliche Star des Films zumindest noch eine kurze Erwähnung finden. Auch wenn Emily Marie Palmer eine verschwindend kleine Rolle spielt, reichen ihre wenigen Momente aus, um sich mehr von ihrer Figur zu wünschen.
Fazit
THE LAST SON ist ein Film, der das Publikum spalten wird. In dem prominent besetzten Western gibt es keinen Platz für Helden. Die düstere, unerbittliche Geschichte bietet keine Bezugsperson zum Mitfiebern und setzt stattdessen alles auf die bedrückende Stimmung. Ähnlich ambivalent wie die zu erwartenden Reaktionen der Zuschauer*innen fällt schließlich auch dieses Fazit aus. Einerseits unterhaltsam und fesselnd, bietet das minimale Skript mit seinen oberflächlichen, eindimensionalen Figuren auch viel Angriffsfläche. Wer ein Faible für kompromisslose Western hat, sollte definitiv einen Blick riskieren.
Originaltitel | The Last Son |
DVD/Blu-ray – Release | 02.06.2022 |
Länge | ca. 96 Minuten |
Produktionsland | USA |
Genre | Action | Drama | Thriller | Western |
Verleih | Constantin Film |
FSK |
Regie | Tim Sutton |
Drehbuch | Greg Johnson |
Produzierende | Cary Anderson | Mark Andrews | J. D. Beaufils | Jessica Bennett | Dean Bloxom | Danny Bohnen | Brandon Burrows | Marc Danon | Robert Dean | Kim DeLonghi | James Di Giacomo | Ameer Fawaz | Mickey Guerin | Thomas Jane | Ben Kahn | Steven Luke | Christina Lundbohm | Todd Lundbohm | Sherri Olson | Julie Paquit | Courtney Lauren Penn | Jib Polhemus | Andre Relis | Troy Scoughton Sr. | Galen Smith | David Von Ancken |
Musik | Phil Mossman |
Kamera | David Gallego |
Schnitt | Kate Abernathy |
Besetzung | Rolle |
Sam Worthington | Isaac LeMay |
Machine Gun Kelly | Cal |
Thomas Jane | Solomon |
Emily Marie Palmer | Megan |
Heather Graham | Anna |
Kim DeLonghi | Grace |
Danny Bohnen | Soldier Ernie |
Scotty Bohnen | Cecil |
Alex Meraz | Patty |
James Landry Hébert | Grayton Willets |
Bates Wilder | Coleman |
James Di Giacomo | Pierce |
Kendra Alaura | Claire |
Hiram A. Murray | Logan |
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