In den letzten Jahren hat sich die Acadamy of Motion Picture Arts and Sciences dagegen gesträubt Beiträge von Streaminganbietern wie Netflix in das Rennen um die begehrten Awards aufzunehmen. Die Oscars® sollten Kinofilmen vorenthalten bleiben, ein Schritt, den die Academy getroffen hat, um sich gegen die Marktmacht der Streamingdienste zu stellen und das Kino zu stärken. Es hat nicht lange gedauert, bis Netflix einen überraschenden Schritt gemacht hat, statt die eigenen Produktionen nur auf der Plattform zu zeigen, wurden Oscar®-Kandidaten für einen begrenzten Zeitraum ins Kino gebracht. So hatte man im letzten Jahr die Chance Filme wie TICK, TICK … BOOM oder DON’T LOOK UP auf der großen Leinwand zu sehen. Die Preise sind für Netflix und Co. Prestigeobjekte, mit denen noch mehr potenzielle Zuschauer*innen geködert werden sollen.
Dieses Jahr ergibt sich die Besonderheit, dass der Film mit den meisten Oscar-Nominierungen eine Netflix-Produktion ist. Ganze zwölf Nominierungen konnte Jane Campions Western-Drama THE POWER OF THE DOG einheimsen, unter anderem in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“ und „Bester Hauptdarsteller“ für Benedict Cumberbatch. Darüber hinaus sind alle weiteren wichtigeren Darsteller*innen als Beste Nebendarsteller*innen im Rennen. Der Newcomer Kodi Smit-McPhee hat somit die Chance auf einen Goldjungen, hat allerdings starke Konkurrenz durch Jesse Plemons und Kirsten Dunst (die auch im wahren Leben verheiratet sind).
Darum geht es…
Die Brüder Phil (Benedict Cumberbatch) und George Burbank (Jesse Plemons) betreiben eine Rinderfarm in den weiten Ebenen von Montana. Es ist das Jahr 1925 und die Zeiten des Wilden Westens enden langsam. Während Phil sich gerne an die glorreichen Zeiten zurückerinnert und sich als harter Mann darstellt, ist sein Bruder in der Gegenwart angekommen. Er sehnt sich nach einer eigenen Familie und der Nähe einer Frau. Als er auf die Gastwirtin Rose Gordon (Kirsten Dunst) trifft, ist es um ihn geschehen. Rose führt gemeinsam mit ihrem Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee) eine Gastwirtschaft für Reisende, doch seitdem ihr Mann gestorben ist schafft sie es kaum noch allein die Gäste zu bewirtschaften. Auch Peter wird bald in die Stadt gehen, um Arzt zu werden, als sie und George aufeinandertreffen beschließen die beiden kurzerhand zu heiraten. Rose gibt das Gasthaus auf und zieht zu den beiden Brüdern in das riesige Farmhaus.
Obwohl George sehr verliebt in seine frische Ehefrau ist, sieht es bei seinem Bruder etwas anders aus. In Phils Augen möchte Rose nur an das Geld des Bruders und beginnt seine Schwägerin zu schikanieren. Rose weiß sich nicht mehr anders zu helfen, als zur Flasche zu greifen. Im Sommer besucht Peter seine Mutter und erkennt sie kaum wieder, sie ist durchgehend betrunken und wird paranoid. Sie rät Peter dazu Phil zu meiden, doch zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine tiefe Freundschaft, die Rose noch weiter in den Wahnsinn treibt.
Rezension
Es ist wohl keine große Überraschung, dass THE POWER OF THE DOG ein Kandidat bei der Oscar-Verleihung ist. Immerhin spricht der Film zum einen zeitgenössische Themen an, die in das Gewand amerikanischer Geschichte gehüllt sind. Der Film setzt sich neben dem Wandel der USA mit einem veralteten Männlichkeitsbild und Homosexualität auseinander. Im Zentrum der Geschichte steht Benedict Cumberbatch mit seiner Figur Phil. Es handelt sich bei ihm um einen Mann, der seinen kompletten Stolz aus vergangenen Tagen zieht. Dabei scharrt er eine Gruppe Cowboys um sich, Mitarbeiter seiner Farm, die an den Lippen des rauen Mannes hängen. Er erzählt ihnen von vergangenen Abenteuern, die er mit seinem verstorbenen Freund Bronco Henry erlebt hat. Als er erstmalig auf Peter trifft, einen sehr androgynen jungen Mann, beginnt er ihn verbal zu attackieren und sich über sein zartes Auftreten zu amüsieren.
Je weiter der Film voranschreitet, desto mehr wird klar, dass Phil bei weitem keine Abneigung gegen Peter empfindet, ganz im Gegenteil. Peter erinnert ihn an Bronco, der für ihn nicht nur ein Freund war, sondern ein Partner. Cumberbatchs Figur versteckt sich hinter einer harten Fassade, da es für ihn keine Möglichkeit war, sich als Homosexueller zu outen, er fürchtet den Respekt zu verlieren, den er mühsam über viele Jahre aufgebaut hat. Als dann eine Frau in das Leben seines Bruders tritt, befürchtet er auch diesen zu verlieren und tut alles dafür Rose wieder loszuwerden. Wo Phil zuerst wie ein unsympathischer Charakter wirkt, beginnt man doch immer mehr ihn zu verstehen, je weiter der Film voranschreitet. Benedict Cumberbatch stellt sein schauspielerisches Können unter Beweis, indem er mit kleinen Gesten große Emotionen erzeugt. Es kommt zu einer Szene, in der Phil seinen Bruder und Rose beim Liebesakt lauscht, die Kamera hält dabei auf das Gesicht von Cumberbatch, durch diese Einstellung erfahren wir was in dem Mann vorgeht, was für ein tiefer Schmerz in ihm steckt.
Im Goldrausch
Trotzdem brauchen sich die anderen Schauspieler*innen nicht vor ihm zu verstecken. Besonders Kirsten Dunst gelingt es ein ähnlich hohes Niveau zu halten wie ihr filmischer Kontrahent. Die Momente, in denen beide Figuren aufeinandertreffen erzeugen eine unangenehme und intensive Stimmung. Dunst strahlt die Ängstlichkeit eines Hasen aus, dem ein hungriger Wolf gegenübersteht.
Eine weitere Nominierung hat die Kameraarbeit von Ari Wegner eingebracht. Die australische Kamerafrau hat mit Arbeiten wie LADY MACBETH auf sich aufmerksam gemacht und stellt ihr Auge für atemberaubende Szenen in THE POWER OF THE DOG erneut unter Beweis. Obwohl der Film in den USA spielt, wurde sich unter anderem aus künstlerischen Gründen dazu entschieden die weitläufigen Landschaftsaufnahmen in Neuseeland, dem Heimatland von Regisseurin Jane Campion, zu drehen. Durch diese Entscheidung sind beeindruckende und weitläufige Bilder entstanden, bei denen man niemals hinterfragen würde, dass sie nicht tatsächlich im Jahr 1925 in Montana entstanden sind. Unterstützt werden die Bilder von einem melancholischen Western-Soundtrack des Komponisten Jonny Greenwood, der vor allem als Mitglied der Band Radiohead bekannt ist.
Fazit
Bei THE POWER OF THE DOG handelt es sich um einen sehr sehenswerten und unerwartet zeitgemäßen Western, der sich mit Themen wie toxischer Männlichkeit und Homosexualität auseinandersetzt. Der Film lebt weniger von der eigentlichen Geschichte als von der Darstellung der einzelnen Figuren. Campions Film eignet sich besonders für Zuschauer*innen die ausgezeichnetes Schauspiel sehen wollen. Gerade Benedict Cumberbatch zeigt hier eine der besten Performances seiner Karriere, aber auch alle anderen Schauspieler*innen verschmelzen mit ihren Rollen. Jane Campion beweist, dass sie eine herausragende Regisseurin ist und man kann ihr nur viel Erfolg bei der Oscarverleihung wünschen.
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Die Brüder Phil (Benedict Cumberbatch) und George (Jesse Plemons) führen eine Rinderfarm in Montana. Es ist das Jahr 1925 und die Zeit des Wilden Westens ist fast vorbei, doch Phil erinnert sich gerne an die Zeit zurück und zieht die anderen Cowboys mit seinen Geschichten in den Bann. Sein Bruder strebt nach einem anderen Leben und heiratet die Gastwirtin Rose (Kirsten Dunst). Für Phil ist klar, dass Rose nur auf das Geld seines Bruders aus ist und versucht sie von der Farm zu vergraulen, doch dann lernt er ihren Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee) kennen.
Bei Jane Campions Film THE POWER OF THE DOG handelt es sich um ein Werk, dass trotz seines Western-Szenarios sehr moderne Themen anspricht. Die Kernthemen sind toxische Männlichkeit und Homosexualität. Benedict Cumberbatch verkörpert einen vermeintlich harten Cowboy, der alles dafür tut, seine Liebe für seinen verstorbenen Partner Bronco zu verbergen. Aus Angst seinen Bruder an eine Frau zu verlieren gibt er alles, um Rose zu schikanieren und aus dem Haus zu treiben. Als Peter in sein Leben tritt verändert sich die Situation allerdings, da dieser ihn an Bronco erinnert.
Cumberbatch liefert hier eine der besten Leistungen seiner Karriere ab, es kommt zu einigen Szenen, in denen er mit kleinen Veränderungen der Mimik das komplette Seelenleben seiner Figur offenlegt. Er steht allerdings nicht allein da, gerade Kirsten Dunst beweist ihr Können, als verängstigte Frau, die sich dem Alkohol hingeben soll. Die Kirsche obendrauf sind die beeindruckenden Bilder von Kamerafrau Ari Wegner und der stimmungsvolle Soundtrack des Musikers Jonny Greenwood, einem Mitglied der Band Radiohead. Mit THE POWER OF THE DOG hat Netflix einen großartigen Film im Programm, ein Lichtblick in einem Meer aus Mittelmäßigkeit.
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Originaltitel | The Power of the Dog |
Kinostart | 18.11.2021 |
Streaming – Release | 01.12.2021 |
Länge | ca. 126 Minuten |
Produktionsland | USA | Kanada | Australien | Neuseeland | Vereinigtes Königreich |
Genre | Drama | Romanze | Western |
Verleih | Netflix |
FSK |
Regie | Jane Campion |
Drehbuch | Jane Campion | Thomas Savage (Vorlage) |
Produzierende | Jane Campion | Iain Canning | Roger Frappier | Rose Garnett | Simon Gillis | Phil Jones | Tanya Seghatchian | Libby Sharpe | Emile Sherman | Chloe Smith | John Woodward |
Musik | Jonny Greenwood |
Kamera | Ari Wegner |
Schnitt | Peter Sciberras |
Besetzung | Rolle |
Benedict Cumberbatch | Phil Burbank |
Kirsten Dunst | Rose Gordon |
Jesse Plemons | George Burbank |
Kodi Smit-McPhee | Peter Gordon |
Geneviève Lemon | Mrs. Lewis |
Kenneth Radley | Barkeep |
Sean Keenan | Sven |
George Mason | Cricket |
Ramontay McConnell | Theo |
David Denis | Angelo |
Cohen Holloway | Bobby |
Max Mata | Juan |
Josh Owen | Lee |
Alistair Sewell | Jock |
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