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Rezension

Karnevalsschatten, ein abgetrenntes Bein, Schüsse auf offener Straße – Kleber Mendonças Filhos THE SECRET AGENT lodert immer wieder kurz auf, ist in vielen seiner 158 Minuten aber auch äußerst entschleunigt erzählt. Sein historisches Drama führt tief hinein ins Jahr 1977, Brasilien zur Zeit der Militärdiktatur, zu immer wieder aufflammendem Chaos, zu Schicksalen im Verborgenen. Und zu Marcelo (für seine eingehende Darstellung ausgezeichnet: Wagner Moura), der vor einer aufgewühlten Vergangenheit flieht, in Recife nach langer Zeit wieder auf seinen kleinen Sohn trifft und der wegen „subversiver Aktivitäten“ verfolgt wird. Anders als Walter Salles brasilianischer Oscargewinner FÜR IMMER HIER, der ebenfalls in den 1970er-Jahren angesiedelt ist, liefert THE SECRET AGENT einen weniger konventionellen, dafür immersiveren und facettenreicheren Zeitabriss.

Getragen wird Filhos Thrillerdrama nicht nur von einem frei bis fies aufspielenden Darsteller*innen-Ensemble (u. a. Carlos Francisco, Tânia Maria, Robério Diógenes, Roney Villela), sondern auch von detailreicher, dichter Ausstattung und Inszenierung, die gleichermaßen Figuren und Publikum in sich aufzieht. Und von einer Geschichte, die es vermeidet, in vertraute Strukturen zu verfallen oder bedingungslos all das abzuarbeiten, was von einem Film über das Leben in und den Widerstand gegen ein diktatorisches Regime erwartet werden könnte. Die Geschichte atmet, hat Zeit, sich zu entwickeln, blickt auf authentische Figuren und Gefühle, die entstehen, sich weiterstrecken, Jahrzehnte später nachhallen. Historische Skizzen und Gegenwartseinblicke blenden ineinander über, stöbern nach Texturen einer Vergangenheit, was davon übrig bleibt und was, in anderer Form, aber mit beunruhigender Parallelität wiederkehrt.

The Secret Agent ©2025 Port au Prince Pictures GmbH

Ein Gewaltcrescendo markiert das Ende des persönlichen und politischen Mosaiks, ist jedoch weit entfernt von einer heroischen oder tragischen Heldengeschichte. Denn die gibt es in THE SECRET AGENT nicht. Nur eine Handvoll Menschen, die trotz jeder Anstrengung und Anspannung, jedes Versteckspiels und Überwachungsfortschritts sich selbst, ihre Gedanken, Geheimnisse und Familie zu wahren versuchen. Und die blutiger Willkür in den fesselnden, dichten Aufnahmen von Evgenia Alexandrova letztlich trotzdem ohnmächtig gegenüberstehen.

Fazit

In über zweieinhalb Stunden verdichten sich 70er-Jahre- und Charakter-Impressionen zu einem aufwühlenden Historiendrama – nicht immer atemlos, aber mit erzählerischer Wagnisbereitschaft. Ein Drama mit wenigen melodramatischen Berechnungen: frei heraus, kaltschnäuzig, denkwürdig.

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