Mit CALIGULA schuf der italienische Regisseur Tinto Brass im Jahr 1979 einen kontroversen Klassiker über den titelgebenden römischen Imperator. Auch – oder gerade weil – er mit seinen expliziten Sex- und Gewaltszenen damals auf harsche Kritik bei der Presse und den Zuschauern stieß, entwickelte sich das brutale Drama über die Jahre zum Kultfilm. Der Fakt, dass CALIGULA in seiner ungeschnittenen Fassung fast 40 Jahre lang auf dem Index stand, dürfte den Hype rund um den Film noch befeuert haben. Mit THE TREACHEROUS – DIE 10.000 KONKUBINEN erschien nun die vermeintliche Antwort auf den italienischen Skandalfilm auf dem deutschen Heimkinomarkt. In seinem Produktionsland Südkorea kam das Werk bereits 2015 in die Kinos. Darin erzählt Regisseur Min Kyu-dong ebenfalls von den sexuellen Gewalteskapaden eines sadistischen Staatsoberhaupts. Doch kann der südkoreanische Historienfilm dem Vergleich standhalten, oder handelt es sich hierbei mal wieder nur um geschicktes Marketing?
Darum geht es…
Korea im Jahr 1505. Das Land leidet unter der Herrschaft des wahnsinnigen Königs Yeonsangun (Kim Kang-woo). Nachdem ihn die Nachricht über den gewaltsamen Tod seiner Mutter erreicht, sinnt er auf Rache. Sein engster Vertrauter und hoher Minister Soong-jae (Ju Ji-hun) bekommt die Aufgabe zehntausend der schönsten Frauen des Landes ausfindig zu machen und an seinen Hof zu bringen. In erniedrigenden Prüfungen müssen diese ihre sexuellen Qualitäten unter Beweis stellen, damit am Ende nur noch die eine perfekte Gespielin übrigbleibt. Die anderen Frauen sollen ihm als Sklavinnen dienen. Als sich Soong-jae in die junge Metzgerstochter Jo Jung-hwa (Lim Ji-yeon) verliebt, greift er der Schönheit unter die Arme um nicht nur sie, sondern auch seine eigene Agenda voranzutreiben. Doch auch Jos größte Konkurrentin Seol Jung-mae (Lee Yoo-young) scheint ganz persönliche Ziele zu verfolgen.
Rezension
THE TREACHEROUS – DIE 10.000 KONKUBINEN erschien in Deutschland in zwei Versionen. Das auf 2.000 Stück limitierte Mediabook enthält neben der internationalen Fassung auch die längere koreanische Kinofassung. Diese beinhaltet neben zusätzlichem Plot auch mehr Gewalt und Sex. Die nachfolgende Besprechung basiert auf der kürzeren internationalen Fassung.
Intrigen, Rache und sexuelle Begierde! Für seinen skandalösen Historienfilm bedient sich Min Kyu-dong an den klassischen Motiven des Genres und ergänzt sie um eine ordentliche Prise Freizügigkeit. Das lose auf dem Leben des Königs Yeonsangun basierende Drehbuch nimmt sich einige künstlerische Freiheiten und erzählt eine ausladende Geschichte über Verrat und Vergeltung am prunkvollen Königshof Koreas im 16. Jahrhundert. Das bildgewaltige Epos ist mit seinen farbenprächtigen Bildern, der detailverliebten Ausstattung und den imposanten Kostümen wahrlich ein Fest für die Augen. Keines der opulenten Settings oder der ansehnlichen Landschaftsaufnahmen wirkt willkürlich, sondern ist bis ins kleinste Detail durchkomponiert. Mit derselben Präzision widmet sich die Kamera auch den vielen nackten Frauenkörpern und deren Liebesspiel. THE TREACHEROUS – DIE 10.000 KONKUBINEN ist Sexploitation im Hochglanzformat – der gewünschte Schock lässt jedoch auf sich warten.
Dies ist der Punkt, an dem die Sexismus-Frage ins Spiel kommt. Die Kamera labt sich immer ausgiebig an den weiblichen Körpern und objektiviert diese dadurch bis ins Extreme, dennoch kann man THE TREACHEROUS – DIE 10.000 KONKUBINEN Sexismus nur bedingt anlasten. Basierend auf den historischen Fakten die der Geschichte zugrunde liegen und in Anbetracht des zu dieser Zeit vorherrschenden Frauenbildes spiegelt das Drama lediglich die Werte dieser Epoche und vor allem die des völlig fehlgeleiteten Staatsoberhauptes Yeonsangun wider. Ein gewisses Maß an Voyeurismus lässt sich dennoch nicht abstreiten und ist dem Thema sogar dienlich. Skandalös im Ausmaß des Historienfilms CALIGULA oder gar grenzüberschreitend, wie Min Kyu-dongs Film gerne werbeträchtig angepriesen wird, ist er nie. Das liegt unter anderem daran, dass THE TREACHEROUS selbst in den anstößigen Momenten immer eine Gewisse Komik beiwohnt. Wenn sich die Konkubinen in einem Wettbewerb beweisen müssen, der an eine versaute Version von Castingshows aus dem deutschen Free-TV erinnert, sind die absurden Aufgaben zwar erniedrigend für die Teilnehmerinnen, in ihrer Darstellung aber eher humoristisch angehaucht. So werden die Frauen in einer langen Trainingsmontage beispielsweise darin geschult ihre primären Geschlechtsteile frisch und eng zu halten oder das Verwöhnen des Skrotums anhand eines hängenden Apfels geübt.
Macht, Größenwahn und ein Pferdepenis
Allgemein fühlt sich TREACHEROUS – DIE 10.000 KONKUBINEN mit der wechselhaften Tonalität und der sperrigen Erzählweise ziemlich unrund an. So spektakulär Min Kyu-dong seine Bilder in Szene setzt, so träge gestaltet sich sein Film auf der inhaltlichen Ebene. Auch wenn sich das Erotikdrama mit einer Laufzeit von rund 100 Minuten eher im unteren Bereich des Genres einordnet, fühlt sich sein Werk über weite Strecken furchtbar zäh an. Die Figuren werden abgesehen von Yeonsangun und Soong-jae nur schwach beleuchtet und selbst die beiden wichtigsten weiblichen Charaktere Jo Jung-hwa und Seol Jung-mae erhalten kaum Profil und bleiben eindimensional. Am interessantesten fällt der Absturz des machthungrigen Yeonsangun aus. Der König wird zunehmenden verrückter und spielt seine Macht in den unpassendsten Momenten aus. Nachdem er von einem Storch erschreckt wird, ordnet er wutentbrannt sofort die vollständige Ausrottung aller Exemplare des Landes an, um sich im nächsten Moment von einer seiner Frauen wie ein Baby stillen zu lassen oder kichernd einen ejakulierenden Pferdepenis zu zeichnen. Yeonsangun befindet sich in einer Abwärtsspirale in seinem goldenen Käfig voller Dekadenz, Machtbesessenheit und Wahnsinn. Das ist einerseits immer wieder unterhaltsam, aber wegen des Overactings von Darsteller Kim Kang-woo auf Dauer auch ziemlich anstrengend. Dagegen erscheint das nuancierte Spiel von Ju Ji-hun, der den bedachten Soong-jae als ruhigen Gegenpart für den aufbrausenden König wesentlich subtiler und letztlich auch überzeugender.
Fazit
Auch wenn THE TREACHEROUS – DIE 10.000 KONKUBINEN nicht mit nackter Haut geizt und die eine oder andere Gewaltspitze vorweisen kann, fühlt sich das historische Drama weitaus weniger anstößig an, als man vielleicht meinen könnte. Statt grenzüberschreitenden Schockmomenten beschränkt sich die sexuelle Komponente vielmehr auf die sinnliche Zurschaustellung von weiblichen Körpern. Auch inhaltlich bleibt das Historiendrama lediglich an der Oberfläche. Regisseur Min Kyu-dong hat zwar ein Händchen für die spektakuläre Inszenierung in prachtvollen Bildern, versäumt es bei all der Überschwänglichkeit jedoch eine spannende Geschichte zu erzählen. THE TREACHEROUS – DIE 10.000 KONKUBINEN ist ein Schmaus für die Augen, aber auch unglaublich schwerfällig und trotz großer Bemühungen schockierend unschockierend.
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Originaltitel | Gansin |
DVD/Blu-ray – Release | 22.04.2022 |
Länge | ca. 133 Minuten |
Produktionsland | Südkorea |
Genre | Krimi | Drama | Historie |
Verleih | Busch Media Group |
FSK |
Regie | Kyu-dong Min |
Drehbuch | Kyu-dong Min | Yoon-Seong Lee |
Produzierende | Won-Chun Cha | Jin-soo Min |
Musik | Jun-seong Kim |
Kamera | Hong-yeol Park |
Schnitt | Sun-min Kim |
Besetzung | Rolle |
Ju Ji-Hoon | Im Sung-jae |
Kang-woo Kim | Yeonsan |
Ji-Yeon Lim | Dan-hee |
Yoo-Young Lee | Seoljungmae |
Ho-jin Chun | Im Sa-hong |
Ji-Yeon Cha | Jang Nok-su |
Jo Han-chul | Park Won-jong |
Song Young-Chang | Yoo Ja-kwang |
Il-hwa Choi | Traitor Kim Il-son |
Shim Eun-Jin | Yonggonggak owner |
Ju-bong Gi | Butcher Kim |
Jang Gwang | Prime Minister |
In-gi Jeong | Head of Sungkyunkwan |
Man-sik Jeong | Assassin |
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