Originaltitel: The Wretched
Kinostart: 13.08.2020
DVD/Blu-ray – Release: 10.12.2020
Länge: ca. 95 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Brett Pierce | Drew T. Pierce
Schauspieler: John-Paul Howard | Piper Curda | Jamison Jones
Genre: Horror | Thriller
Verleiher: Koch Films
Fünf Wochen auf Platz 1 der Kinocharts in den USA – als Horrorfilm? Das ist durchaus eine Leistung. Fairerweise muss gesagt werden, dass dies nur unter besonderen Bedingungen möglich war, denn THE WITCH NEXT DOOR war seiner Zeit im Mai fast der einzige Film, der dort auf Grund der Corona Pandemie gezeigt werden konnte. Aber wer weiß, vielleicht hätte er auch ohne diese Vorzeichen sich ganz gut in der Chartliste platzieren können. In Deutschland schafft es der Film mit Stand 06.12. laut insidekino.com gerade einmal auf Platz 66 der Kinocharts mit insgesamt rund 75.000 Besuchern, von denen gut ein Drittel bereits in der Startwoche den Film besuchte.
Gefreut haben wird der Erfolg in den USA vor allem die beiden Brüder Brett und Drew T. Pierce, die zusammen die Geschichte entwickelt haben, sowohl in Form des Drehbuchs als auch letztlich dessen Umsetzung als Regisseure. Dabei hatten sie recht klare Vorstellungen, denn sie haben viel und lange recherchiert und sich intensiv mit dem Thema Hexen auseinandergesetzt. Dazu analysierten sie verschiedene Bücher und Mythologien, die sich damit beschäftigten und kristallisierten sich ein eigenes spezielles Hexenbild heraus. Für die Hauptrolle engagierten sie den jungen John-Paul Howard, der bereits im Film DEN STERNEN SO NAH einen Auftritt hatte sowie auch in HELL OR HIGH WATER eine Nebenrolle verkörperte. Der restliche Cast ist eher aus Direct-To-DVD-Produktionen bekannt oder hat sich einen Namen in verschiedenen Serien gemacht, ist aber generell im Filmbusiness noch nicht wesentlich in Erscheinung getreten.
Darum geht es…
Ben hat es nicht gerade leicht. Seine Eltern leben seit kurzem getrennt und so kann er seinen Vater nur sehr unregelmäßig sehen. Dennoch besucht er ihn über den Sommer. Dieser arbeitet beim dortigen Yachthafen und lässt sich die kommenden Wochen von seinem Sohn ein wenig unter die Arme greifen. Dabei lernt Ben die sympathische Mallory kennen, die scheinbar sehr angetan ist von dem jungen Mann. Doch Ben ist stets mit seinen Gedanken woanders, denn immer wieder ziehen die Nachbarn seine Aufmerksamkeit auf sich. Nicht nur, dass sie eines Tages einen toten Hirsch mit nach Hause bringen, den Nachbarsmutter Abbie totgefahren hat, sondern scheinen dort auch einige merkwürdige Geschehnisse vor sich zu gehen. Von heute auf morgen verhalten sich Abbie und ihr Mann ganz anders und leugnen sogar, dass sie Kinder hätten, wo doch noch ein Tag vorher der Sohnemann aktiv wie eh und je unterwegs war. Was geschieht dort?
Rezension
Hexengeschichten und Horrorfilme dieser Art gibt es natürlich schon massig. Diese Art der Geschichtenerzählung ist ein beliebtes Mittel in der Gruselscene, wird aber häufig überreizt oder falsch ausgespielt, da in der Regel schnell klar ist, wer oder was dieses zerstörerische Monstrum ist. Dadurch verlieren Regisseure in der Regel immer ihre Zuschauer, da jegliche Spannung in der Folge verloren geht. Auch hier haben Brett und Drew T. Pierce mit diesem Problem zu kämpfen, denn schon früh ist die Mystik um die Hexengestalt nicht mehr gegeben. Dennoch schaffen sie es überraschenderweise trotzdem eine interessante moderne und frische Gruselgeschichte zu erzählen, die teilweise ganz schön unter die Haut geht. Dabei bedient man sich anfangs Popkulturellen Mitteln und erzeugt somit ein Gefühl eines typischen Coming-of-Age-Films.
In dessen Folge werden in THE WITCH NEXT DOOR jedoch immer wieder düstere Elemente eingestreut, die fast schon wie aus dem Lehrbuch wirken – kein Wunder, denn die Regisseure haben sich schließlich an diversen Vorlagen bedient und aus diesen ein neues Gesamtkonzept gebastelt. Das hier also klischeehafte Referenzen zu finden sind überrascht nur wenig. An dieser Stelle ist es sinnvoll zu erwähnen, dass es etwas unschön zu sehen war, wie die Setausstattung doch ein wenig geschlampt hat. Weder die anfängliche Verstreuung von Spielzeugen und alten Gegenständen scheint sinnvoll ins Konzept zu passen, noch kann man dem Hirschkadaver eine gewisse Echtheit abgewinnen. Leider wurde dadurch der Einstieg in den Film schon von Beginn an in ein schlechtes Licht gerückt und schafft es auch nicht mehr so richtig sich wieder zu fangen.
Das geht unter die Haut
Einen Moment später jedoch überraschen die beiden Regisseure mit einem geschickten Kniff, der mir noch jetzt die Haare zu Berge stehen lässt. Schon beim Film BABA YAGA durfte ich diesen grausigen Moment in diesem Jahr einmal miterleben, der eigentlich nur einem simplen Trickspiel gleicht und für die meisten Genrefans auch nicht gerade das große Ding ist. Mich triggern Filmszenen ganz besonders, in denen Kinder eine Rolle in Bezug auf Horror spielen und auch jetzt beim Schreiben dieser Worte werde ich schon wieder nervös. So sehen wir über die Videofunktion eins Babyphons, wie sich die Hexe am Kleinkind beginnt zu vergreifen. Zwar wird dies nicht detailliert ausgeführt, doch dies ist auch nicht nötig, denn der gewünschte Effekt wurde bestens erzielt.
Darüber hinaus bekommen wir hier nicht den klassischen 0815-Horror, der über die gesamte Spielzeit nur auf Jump-Scare-Momente ausgelegt ist oder mit Folter in psychischer oder physischer Form arbeitet. Eher ist das Horrorelement nur ein Beiwerk, dass nur gelegentlich in Erscheinung tritt und dann doch gezielt auf die Zuschauenden einwirken kann. Dadurch wird frühe eine gewisse Neugier erzeugt, die durchaus Lust auf den Film macht und bei der die Handlung nicht sofort als bereits 100mal gesehen abgetan wird. Ein Zeichen dafür ist vor allem auch, dass der Großteil der gesamten Geschichte im Hellen spielt und daher nicht ausschließlich auf visuelle Schreckmomente ausgelegt wird. Viele Horrorfilme sind viel zu düstern und sorgen somit für eine depressive Dauerstimmung, die wiederum dafür sorgt, dass man dauerhaft auf den „Schreckensmoment“ eingestellt ist, während wir hier immer wieder die Chance erhalten uns ein wenig von den Gruselszenen zu erholen.
Überraschend oder doch eher unspektakulär?
Zwar ist kein Budget des Films bekannt, doch lässt die Animation der Kreatur vor allem in den finalen Szenen doch vermuten, dass es nicht allzu groß war. Zwar wird hier geschickt versucht durch das spärliche Licht die Bewegungen der Hexe zu überdecken, doch immer wieder bekommen wir leicht stockende Mechanismen zu sehen, die doch ein wenig an die Teufelsfigur aus AUF DER SUCHE NACH DEM GOLDEN KIND erinnert, nur dass dieser knapp 35 Jahre älter ist. Dies nimmt aber eben nur einen sehr kleinen Teil des Films ein und ist daher weitestgehend vernachlässigbar.
Das Ende von THE WITCH NEXT DOOR mag nun einige überraschen und andere mit den Augen rollen, denn in gewisser Form ist dies offen gestaltet und lässt einigen Spielraum für Interpretationen. Zwar wirkt die getätigte Anspielung recht eindeutig, kann aber auch völlig belangloser Natur sein. Ist das nun ein geschickter Griff der Regisseure? Ein wenig schon, denn die Handlung kann an sich als abgeschlossen betrachtet werden, aber die Beiden haben auch schon geäußert, dass sie noch viele Ideen haben und einem zweiten Teil nicht abgeneigt wären. In diesem Fall wäre es genauso problemlos möglich diesen nahtlos anschließen zu lassen und die Geschichte fortzuführen. Ich bin mir allerdings sicher, dass dieser Schachzug viele Konsumenten mal wieder ziemlich nerven wird.
Fazit
THE WITCH NEXT DOOR ist somit ein erstaunlich unkonventioneller Konventioneller Film, der mit vielen altbekannten Elementen versucht seine Schreckensmomente auszuspielen. Dabei sind die Regisseure aber auch immer bestrebt gewesen nicht dem üblichen Jump-Scare-Wahnsinn nachzueifern, sondern auf deutlich subtileren Gruselhorror zu setzen, der sich geschickt mit einer Coming-of-Age-Geschichte verknüpft und damit vor allem heranwachsende Zuschauer ansprechen dürfte. Der Film ist somit klassisches Unterhaltungsprogramm mit einem etwas düsteren Ende und schafft es durchaus eine vergnügliche Zeit zu liefern. Mehr aber auch nicht. Denn letztlich bekommen wir mal wieder nur Sachen gezeigt, die schon etliche Male auch in anderen Produktionen Einfluss in der ein oder anderen Form gefunden haben. Die Gebrüder Pierce haben somit das Horrorgenre nicht im Ansatz neu erfunden.
Avada Kedavra – Moment, falscher Film. Aber auch hier sind Jugendliche und Hexen im Mittelpunkt der Handlung, präziser sogar nur eine Hexe. Doch während Harry Potter eher ein Fantasy-Familienabenteuer skizziert, führt uns The Witch Next Door in ein Coming-of-Age-Horror, der vor allem dadurch überzeugen kann, dass die Handlung in den Grundfesten recht solide ist und durchaus ein wenig Unterhaltung bietet. Gleichzeitig bekommen wir auf subtile Art und Weise immer wieder Szenen eingeschoben, die die Anspannung beim Publikum durchaus hebt und neugierig macht, wohin die Reise geht. Dabei erfinden die Regie-Brüder Pierce das Horrorgenre nicht neu, zeigen uns aber, dass ein Bombardement aus Jump-Scares nicht immer zielführend ist und auch ohne ein solider Genrefilm machbar ist. Insgesamt ist dieses Werk nicht ganz so düster wie andere Vertreter dieser Kategorie und sorgt damit immer wieder für gewisse Erholungsmomente, die daraufhin das folgende Spannungsmoment vorbereiten. Mich hat eine Szene sogar ganz besonders getriggert und ging mir ordentlich unter die Haut, obwohl ich mich nur selten von solchen Filmen in den Bann ziehen lasse. Für einen Filmabend in dieser dunklen Jahreszeit also durchaus eine angenehme Alternative.