Originaltitel: 터널(Teo-neol)
DVD/Blu-ray – Release: 16.04.2021
Länge: ca. 126 Minuten
Produktionsland: Südkorea
Regie: Seong-hun Kim
Schauspieler:innen: Jung-woo Ha | Bae Doona | Dal-su Oh
Genre: Action | Drama | Katastrophenfilm
Verleih: Busch Media Group
Basierend auf dem gleichnamigen Buch aus dem Jahre 2013 von So Jae-won, erzählt der Film eine Geschichte, die in der Realität eher unwahrscheinlich, wenn auch nicht völlig unmöglich ist. Zwar gibt es unzählige Ratgeber, wie sich Menschen in Autotunneln zu verhalten haben und dass es hier einige spezielle Vorsichtsmaßnahmen gibt, die beachtet werden sollten, doch gibt es kaum verzeichnete Ereignisse, die größere Probleme dort vorweisen, was wiederum auf einen hohen Sicherheitsstandart zurückzuführen ist. Doch sind Karambolagen und Einstürze nicht unmöglich. So ereignete sich 2012 ein schweres Unglück im längsten Autobahntunnel Japans, welcher sich nicht weit von Tokio entfernt befindet. Rund 150 Betonplatten fielen dabei von der Decke und begruben mehrere Autos unter sich. Dabei starben leider auch einige Menschen. Auch die Rettungsarbeiten waren deutlich erschwert, da der Tunnel immer weiter drohte einzustürzen und auch die Helfer unter sich zu begraben.
Mit Jung-woo Ha übernimmt ein äußerst erfahrener Darsteller die Hauptrolle. Zuvor spielte er sich bereits in DIE TASCHENDIEBIN oder mit SHI GAN in die Oberliga des südkoreanischen Filmbusiness. Während er jedoch eher auf dem heimischen Markt an Bekanntheit gewonnen hat, ist es vor allem seine Co-Darstellerin Bae Doona, die auch international immer häufiger Einsatz findet. So war sie unter anderem im französischen BON VOYAGE – EIN FRANZOSE IN KOREA, aber auch in Hollywoodproduktionen wie CLOUD ATLAS und JUPITER ASCENDING zu sehen. Regisseur Seong-hun Kim, welcher selbst kaum Spielfilmerfahrung vorweisen kann und mit TUNNEL seinen ersten internationalen Hit realisierte, schaffte es zudem auch noch Dal-su Oh zu engagieren, der mit Bae Doona bereits in THE HOST spielte und mit seiner Rolle in OLDBOY in einen der wichtigsten südkoreanischen Filme vertreten ist.
Darum geht es…
Lee Jeong-su, der für den großen Autobauer Kia Motors arbeitet und sich gerade auf dem Heimweg von einem Geschäftstermin befindet, freut sich darauf seiner Tochter bald zum Geburtstag gratulieren zu können. Als Überraschung bringt er ihr eine wunderschöne Torte mit, doch wird diese leider niemals ihr Ziel erreichen. Nur wenige Augenblicke, nachdem er in einen Tunnel gefahren ist, beginnt dieser einzustürzen und Trümmerteile fallen überall nach unten. In kürzester Zeit wird der junge Mann in seinem eigenen Auto von Schutt begraben und es ist ihm nicht möglich dieser Situation zu entkommen. Glücklicherweise hat er noch Telefonempfang und kann den Rettungsdienst rufen, welcher anfangs ungläubig ist und bei der Betrachtung des Unglücks schnell feststellt, dass die ergriffenen Maßnahmen frühstens in einigen Tagen Wirkung zeigen werden. Zu allem Überfluss müssen diese jedoch bald feststellen, dass die Rettungsmission schwieriger sein wird als erwartet und es beginnt ein Kampf gegen die Zeit.
Rezension
Kann man eigentlich vor Langeweile sterben? Diese Frage drängte sich während des Films fast schon auf, doch nicht, weil der Film so schlecht wäre – ganz im Gegenteil – sondern vielmehr, weil der TUNNEL es geschafft hat, dass man sich mit Leichtigkeit in den Protagonisten hineinversetzen konnte. Gerade in der heutigen Gesellschaft sind wir alle geprägt davon ständig mit Medien jeglicher Art konfrontiert zu werden oder uns zumindest dauerhaft mit jeglichem Unsinn eine Beschäftigung zu suchen. Studien haben schon mehrfach belegt, dass die Aufmerksamkeitsspanne dabei stetig sinkt. Während des Films bildet sich dann jedoch die Frage: Was zur Hölle soll man über einen solch langen Zeitraum völlig vereinsamt, hilflos und vor allem aussichtslos tun und hält man dies wirklich so lange aus? Es ist schon schwer vorstellbar nur einen einzigen Tag gefangen zu sein an einem einzigen Fleck und absolut nichts tun zu können – wie sieht es dann erst mit mehreren Wochen aus?
Doch fangen wir einmal vorne an und schieben diesen hypothetischen Gedanken Beiseite. Natürlich ist der Film geprägt durch eine Horrorvorstellung einer allgegenwärtigen Situation, die jedoch höchstunwahrscheinlich je eintreten wird. Aus diesem Grund ist es auch schwer diesem Werk ein Genre zuzuordnen, denn eigentlich handelt es sich um einen Katastrophenfilm, welcher jedoch weniger als solcher interpretiert wurde, sondern vielmehr im Stile von WORLD TRADE CENTER aus dem Jahre 2006, in welchem ebenfalls eine schreckliche Tragödie dazu führt, dass das Publikum mit den Protagonisten um ihr Leben bangt und mit entsprechenden Rettungsmaßnahmen mitfiebert. Dabei macht TUNNEL jedoch einiges deutlich besser. Stück für Stück tastet sich das Werk an diversen Herausforderungen entlang, die bei einer solchen Tragödie auftreten können und versucht diese weitestgehend logisch zu erklären und zeitgleich die Dramatik damit zu verschärfen.
Angst und Furcht
So bekommen wir beispielsweise hervorragend die klaustrophobische Enge zu spüren, die noch verschärft wird durch allgegenwärtige Dunkelheit. Tatsächlich gibt es im Film keine ominösen Lichtquellen, welche bezwecken, dass Zuschauende die Handlung verfolgen können, sondern die Bildgestaltung besinnt sich auf tatsächliche Umstände, in denen zeitweise eben auch einfach völlige Schwärze existiert und nichts erkennbar ist. Sofern mit Licht gearbeitet wird, sind dies jedoch sinnvolle Quellen wie die Innenbeleuchtung des Autos oder übliche Werbetaschenlampen der eigenen Firma. Hierbei sind die Energiequellen aber auch erschöpflich und verwehren mit der Zeit ihren Dienst. Auch die anfängliche Einsperrung ins eigene Auto verschärft die Angst vor engen Räumlichkeiten noch einmal und selbst für Betrachtende wirkt es zunehmend so, als würde das Fahrzeug immer mehr schrumpfen. Die Krönung dieser Angst entsteht durch die dauerhafte Furcht, dass der Tunnel weiter in sich zusammenbricht und die Situation womöglich noch verschlimmert.
Gleichzeitig bekommen wir auch Problematiken geschildert, die sich rund um die Rettungsmaßnahmen bilden und teilweise erschütternde Eindrücke hinterlassen. Dabei wird weitestgehend immer das Hauptaugenmerk auf die unterschiedlichen Figuren gelegt. Dies wird vor allem deutlich, als bei einer Rettungsmission ein unglücklicher Unfall geschieht und in dessen Folge sich der Film ausgiebig damit auseinandersetzt, wie sich das Ereignis auf die verschiedenen betroffenen Persönlichkeiten auswirkt. Im Gegensatz zu einem üblichen Katastrophenfilm wird somit in diesem Fall nicht die große Tragödie fokussiert, sondern viel mehr wert auf die kleinen Geschichten gelegt und somit ein Gefühl dafür geschaffen, wie wertvoll jedes einzelne Menschenleben doch ist. Auch bekommen hierbei kleine und unbedeutende Szenarien, wie die Möglichkeit erstmals nach langer Zeit wieder aufrecht stehen zu können, eine völlig andere und intensivere Bedeutung.
Inhaltliche Tiefe und ethische Probleme
Dabei entstehen allerdings auch einige sehr fragwürdige Szenen, die teilweise recht konstruiert aussehen und daher einen seltsamen Beigeschmack erhalten. Insbesondere das Thema Nahrungs- und Getränkevorrat ist dabei natürlich essenziell und kann durchaus kritisch betrachtet werden hinsichtlich des logischen oder unlogischen Umgangs damit. Auch wirken hin und wieder Handlungen der verschiedenen Charaktere eher wie reine Bauchentscheidungen, wo doch gerade eine solch brenzlige Situation kluges Vorgehen und perfektes Timing erfordern. Zudem schafft es TUNNEL leider nicht so ganz davon zu überzeugen, dass es ein Spiegelbild der Realität sein könnte. Selbst wenn wir versuchen uns in das Geschehen bestens hineinzuversetzen, fehlt letztlich doch die schauspielerische Leichtigkeit, um tatsächlich eintauchen zu können. Letztlich wird die Distanz zum Zuschauenden nicht gänzlich überbrückt und es läuft doch nur irgendein Film auf der Leinwand.
Doch diese Worte sind womöglich ein wenig hart, denn die Bemühungen sind durchaus erkennbar und Regisseur Seong-hun Kim schafft es vor allem viele Fragen aufzuwerfen, die dem gesamten Werk eine tiefere Bedeutung verschaffen. Unter anderem werden ethische Konflikte angesprochen wie: Wieviel ist ein einziges Menschenleben wert? Ist es akzeptabel andere Leben zu riskieren, wenn man dafür unter Umständen ein anderes Leben retten kann? Reicht die Annahme des Todes aus, um eine Rettungsmission zu beenden? Wäre es verwerflich einem anderen Menschen in der gleichen Notsituation nicht zu helfen, wenn dadurch die eigenen Überlebenschancen rapide gesteigert werden könnten? Dies und viele weitere Problematiken sind Elemente, die hier unterschwellig eingestreut werden und diese Produktion somit zu einer sehr diskutablen macht. Gekrönt wird dies an massiver Medienkritik, die gerade in Zeiten von Corona auch durchaus angebracht ist.
Mit weit über 50 Millionen US-Dollar Einspielergebnis weltweit ist dieses Werk schon jetzt ein großer Erfolg, wobei unklar ist, ob es sich hierbei um einen Low-Budget-Film handelt, oder die Produktion doch auch höhere Kosten verursacht hat. Auch die Bildgestaltung gibt darüber nicht viel Aufklärung, denn auf der einen Seite sehen die Effekte schon ziemlich gut aus, auf anderen finden diese nur recht selten Zugang zum gesamten Werk.
Fazit
In jedem Fall ist TUNNEL ein Film, den man einmal gesehen haben kann, welcher es jedoch auf lange Zeit womöglich schwer haben könnte im Kopf kleben zu bleiben. Auch der Reiz auf eine erneute Sichtung bleibt durchaus vorläufig aus. Doch ist dies bei weitem kein Anzeichen für mangelnde Qualität, denn gerade die vielen versteckten Metafragen machen es lohnend einen Blick hineinzuwerfen und lassen sogar Überlegungen zu diesen als Schulmaterial zu verwenden. Die etwas hölzernen und unattraktiven Interaktionen der Protagonisten können getrost übersehen werden, wenn man sich eher auf die Hintergrundgeschichten und empathischen Entwicklungen der Personen konzentriert.
Was würdest du tun, wenn dein Partner oder Partnerin plötzlich in einem Tunnel verschüttet wird und du weißt, dass diese:r lebt, verlierst aber nach gewisser Zeit den Kontakt und die Überlebenschance sinkt irgendwann gegen 0? Würdest du ihn für Tod erklären lassen oder so lange weiter versuchen ihn zu retten, bis er wirklich gerettet ist? Im Sinne des Gedankenexperimentes Schrödingers Katze wird das Publikum mit einer Situation konfrontiert, wo es vor allem darauf ankommt, ob Empathie oder wissenschaftlicher Realismus zur Entscheidungsgrundlage werden. Auch wenn diese Ebene nur unterschwellig im hiesigen Film mitschwingt, so nimmt das Thema doch eine wesentliche Bedeutung ein. Neben dieser Metaebene jedoch bekommen wir einen recht durchwachsenen Film zu sehen, welcher vor allem auf der Gefühlsebene agiert und uns mehr selbst die gezeigte Herausforderung durchleben lässt, als dass es im Film zu sehen ist, gleichzeitig aber auch nicht so ganz schafft, dass wir uns völlig mit der Handlung oder den Personen identifizieren können. Mehrfach im Film stellt sich die Frage: hätte ich auch so gehandelt? Dadurch bleibt stets eine unangenehme Distanz zum Publikum existent welche unüberbrückbar scheint. In der Summe ist TUNNEL durchaus ein sehr lohnenswerter Film mit vielen starken Momenten, doch so ganz überzeugen kann er einfach nicht.
Schauspieler:in | Rolle |
Jung-woo Ha | Lee Jung-Soo |
Bae Doona | Se-Hyun |
Dal-su Oh | Dae-Kyung |
Shin Jeong-geun | Chef Kang |
Nam Ji-Hyun | Mi-Na |
Hyun-Chul Cho | junger Mann im Rettungsteam |
Kim Hae-sook | Minister |
Seung-mok Yoo | Reporter Jo |
Hyuk-kwon Park | Regierungsbeamter |
Park Jin-Woo | Regierungsassistent |
Cheol-min Lee | Chef des Bohrteams |
Sung-chun Han | Drohnentechniker |
Seung-hun Kim | Radioreporter |
See-jung Ye | Mutter |
Yong-wook Jin | Bauarbeiter |
Hinterlasse einen Kommentar