Originaltitel: Amsterdamned
Kinostart: 01.01.1988
Länge: ca. 114 Minuten
Produktionsland: Niederlande
Regie: Dick Maas
Schauspieler:innen: Huub Stapel | Monique van de Ven | Serge-Henri Valcke
Genre: Action | Krimi | Horror
Die Niederlande sind nicht gerade für ihre große Filmkunst bekannt, was sich darin widerspiegelt, dass sie zumeist nur als Kooperationsland fungieren und selten eigene Produktionen veröffentlichen. Doch gerade hier in Deutschland gibt es auch in diesem Bereich Werke, die sich, aufgrund ihrer ganz besonderen eigenen Stimmung, gut verkaufen lassen. An dieser Stelle wären wohl die beiden NEW KIDS-Filme zu erwähnen, die überragende Zahlen geschrieben haben und gleichzeitig viele Kinoinhaber verzweifeln ließen, angesichts des angezogenen Publikums. Relativ ähnlich muss es auch in den 80er und 90er Jahren gewesen sein, als Dick Maas seine berühmt berüchtigte Familie Flodder auf die Kinoleinwände brachte und mit insgesamt drei Teilen die asoziale Sippschaft feierte. Auch ich habe als Kind die Filme immer wieder gerne gesehen, frage mich jedoch rückblickend etwas angewidert von mir selbst, welche Faszination damals solche Begeisterung auslöste.
Insbesondere stellt sich diese Frage, wo doch Dick Maas auch anderweitig seine Fähigkeiten bewies und sich vor allem dem Horrorthriller zuwandte. Mit FAHRSTUHL DES GRAUENS lieferte er 1983 sein Regiedebüt ab, welches recht umstritten in der Kritikerszene ist. Schon hier sicherte er sich für seine Hauptrolle das Schauspieltalent von Huub Stapel, welcher zuletzt nur noch in Fernsehfilmen und -serien zu sehen war und trotz eines umfassenden Repertoires nie so recht den internationalen, außereuropäischen Durchbruch hatte. Mit VERFLUCHTES AMSTERDAM inszenierte Dick Maas einen der kommerziell erfolgreichsten niederländischen Filme in welchem zeitgleich sogar ein Rekord aufgestellt wurde. Der britische Stuntman Nick Gillard absolvierte hierbei einen 67-Meter-Sprung mit einem Rennboot über zwei Brücken und übertraf sich dabei selbst, denn zuvor konnte er einen etwas niedrigeren Rekord auch beim James Bond-Film LEBEN UND STERBEN LASSEN platzieren.
Darum geht es…
Während in Amsterdam ein skrupelloser Mörder oder gar ein Monstrum sein Unwesen treibt, bemüht sich Inspektor Eric Visser nicht nur seine berufliche Karriere voranzubringen, sondern auch für seine Tochter da zu sein und mit rudimentären Erziehungsmethoden ihr ein wunderbares Leben zu ermöglichen. Locker und leger begibt er sich an die Aufklärung des Falles, der für ordentlich Kopfzerbrechen sorgt. Nicht gerade hilfreich ist es als plötzlich weitere Morde folgen – einer brutaler als der Vorherige. Doch Visser entdeckt eine Spur und folgt dieser unnachgiebig. Nicht selten zeigt er dabei, was für ein Charmeur er ist. Während der Inspektor dem Täter auf den Fersen ist und ihm immer näher zukommen scheint, schafft dieser es doch in letzter Sekunde zu flüchten. Wird er es schaffen das Monstrum zu fangen und Amsterdam wieder zu einem sicheren Ort zu machen?
Rezension
Mit VERFLUCHTES AMSTERDAM zeigt uns Maas die hohe Kunst eines guten Thrillers, der vor allem handwerklich noch ordentlich was zu bieten hat. Schon zu Beginn wird deutlich, dass gar nicht viel dazu gehört eine besondere Stimmung zu erzeugen und es auch mit geringen Mitteln sehr einfach möglich ist Spannung aufzubauen. In der Egoperspektive verfolgen wir einen Taucher, der sich in den abendlichen Stunden durch die Grachten von Amsterdam schlängelt und dabei verschiedenste vermeintliche Opfer ausspäht. Diese Szenerie dauert fast zehn Minuten an und schafft es nicht nur uns einen tollen Eindruck von Amsterdams Wasserwegen vor einigen Jahrzehnten zu vermitteln, sondern auch mit Hilfe der äußerst dramatischen Musik die Neugierde zu nähren und uns spannungsgeladen abwarten, wann endlich ein allseits erwartbares Verbrechen geschieht. Allein das Röcheln durch die Sauerstoffflasche sowie das ständige Auf- und Abtauchen sorgen für das immersive einfühlen in die prologartige Handlung.
Fast schon beiläufig erscheint da der Cut auf das Tageslicht erleuchtete Amsterdam, welches uns einen beeindruckenden Überblick über die Stadt verschafft. Bei einem Blick auf eines der Touristenschiffe liefert uns Maas eine wirklich grandiose Sequenz, in welcher eine blutüberströmte Leiche einmal quer über das gesamte Glasdach des Citydampfers gezogen wird, in welchem auch noch eine Schulklasse und einige Nonnen sitzen. Gekrönt wird das Bild in dem Moment, als das Schiff endlich stoppt und die Leiche hängend durch das eine geöffnete Dachfenster fällt. Die Szene ist bestens ausgereizt und gnadenlos bis zum Schlusspunkt durchgezogen wurden.
Charmanter Klassiker
Doch auch in den folgenden Entwicklungen kristallisieren sich immer wieder kleine aber gut gesetzte Höhepunkte heraus, die ein wenig in den Stilen der Edgar-Wallace-Filme gehalten sind. Dabei wird auf simpelste Techniken zurückgegriffen, die sich vor allem in der Kameraführung und Soundgestaltung widerspiegeln, um letztlich den gewünschten Effekt, die Angst und Spannung, zu erzeugen. Eine besondere Stärke ist vor allem, dass das Kunstblut gezielt eingesetzt wird, um dem gesamten Film einen durchdringenden Charakter zu verschaffen, gleichzeitig aber auf unnötige Gewaltexzesse verzichtet wird und somit sehr dosiert und systematisch Anwendung findet. Auch die musikalische Gestaltung ist recht schlicht gehalten und fühlt sich teilweise an, als wäre sie von DAS BOOT inspiriert wurden, insbesondere hinsichtlich der elektronischen Gestaltung. Zeitgleich wird ein wesentliches musikalisches Motiv immer wieder in abgewandelter Form aufgegriffen und erzeugt damit eine düstere Verbindung zur Story.
Tatsächlich schafft es VERFLUCHTES AMSTERDAM damit zu überzeugen, dass er nur schwer in ein spezielles Genre einzuordnen ist, denn im Verlaufe der gesamten Entwicklung bekommen wir so ziemlich alle unterhaltenden Elemente geboten, die nur möglich wären. Auf der einen Seite bietet uns der Protagonist humorvollen Charme, welcher gekrönt wird in seinem Casanova ähnlichem Auftreten, auf der anderen Seite bekommen wir rasante Action, beeindruckende Stunts, intensiven Nervenkitzel und sogar streckenweise gut geschriebene Dialoge geliefert. Diese Abwechslung, ergänzt um ein hohes Pacing, sorgt dafür, dass der Film zu keinem Zeitpunkt Langeweile erzeugt und in Starsky-und-Hutch-Manier mit Huub Stapel und seinem Partner stets clevere, aber zeitgleich eben auch mit etwas slapstickartigem Humor versetzte, Entwicklungen nimmt.
Wer war es?
Der Film entwickelt sich im klassischen „Who done it?“-Format und führt uns Zuschauende immer wieder auf falsche Fährten. Geschickt wird die Lösung der Frage verborgen und lässt uns bis zur letzten Sekunde mitfiebern, ob der Inspektor es tatsächlich schafft nicht nur die Stadt Amsterdam vor den Gräueltaten zu schützen, sondern vor allem auch sein Love Interest, verkörpert von Monique van de Ven in der Rolle der Laura. In dieser Hinsicht hält Maas zudem noch ein goldenes Blatt auf der Hand und spielt die entscheidende Karte erst ganz am Ende aus, um somit noch einmal einen äußerst unerwarteten Twist zu schaffen, der die Brisanz der ganzen vorherigen Geschichte noch einmal verstärkt und uns gnadenlos in die Verwirrung stürzt, zeitgleich aber eben auch begeistert anhand der genialen Taktierung.
Nur selten gibt es Szenerien, bei denen man sich gerne an den Kopf fassen würde. Insbesondere bei der spektakulären Verfolgungsjagd, die uns einmal quer durch die Amsterdamer Wasserstraßen führt, gestalten sich einige Momente doch ein wenig zu impulsiv und folgen einem Actionbild, geprägt von absurden, wenngleich sehr ansehnlichen, Manövern und übertriebenen Explosionen, welches sich gerade in den 80er Jahren entwickelt hat. Auch die teilweise überraschenden Fähigkeiten des Protagonisten, zu sehen in der Unkenntnis ein Boot zu starten, aber in der Fähigkeit dieses in Perfektion zu steuern, lassen etwas aufhorchen, verlieren allerdings an Bedeutung in der Gesamtbetrachtung des Werks.
Fazit
Unterm Strich hat es Maas geschafft einen Film zu produzieren, der nach außen hin den Eindruck eines drittklassigen Actionhorrors vermittelt, in der Konsequenz aber ein wirklich überzeugenden Krimithriller repräsentiert. Dabei punktet das Werk vor allem durch die vielen handgemachten Stunts, kombiniert mit einer inhaltlichen Dynamik, die sich von spannungsgeladenem Thriller bis hin zum amüsanten Buddy-Krimi erstreckt und kaum Wünsche offenlässt. Besonders erwähnenswert ist dabei zudem, dass die Musik weitestgehend von Dick Maas stammt und er zusammen mit Regie, Drehbuch und Produktion den gesamten Film fast schon im Alleingang realisiert hat. Zudem hat er es geschafft ikonische Szenen zu entwickeln, die zwar berühmten Vorlagen nachempfunden wirken, dennoch aber stets mit seiner eigenen besonderen Note versehen wurden und somit immer wieder zu überraschen wissen. Somit also ist VERFLUCHTES AMSTERDAM zwar ein längst vergessener, aber bei weitem nicht weniger respektabler Film, den es lohnt einmal gesehen zu haben!
Während die Niederländer sich vor allem durch ihren Slapstick- und Fäkalhumor in den vergangenen Jahrzehnten ausgezeichnet haben, der wirklich sehr gewöhnungsbedürftig ist und eher stumpfsinnige Bedürfnisse angesprochen hat, gehen hin und wieder die besonderen kleinen Werke dortiger Filmkunst fast schon unter und geraten in Vergessenheit. So auch der hiesige Film, der mir zwar vom Titel her ein Begriff war, mit dem ich jedoch nie so recht etwas anfangen konnte. Großen Namen folgend wie Alfred Hitchcock oder Edgar Wallace hat es Regisseur Dick Maas geschafft einen spannenden, impulsiven und actiongeladenen, gleichzeitig aber nicht weniger humorvollen, charmanten und ehrbaren Thriller zu produzieren, der Zuschauende von der ersten Minute in seinen Bann zieht. Mit ordentlichen rudimentären, gleichzeitig aber auch funktionellen und ansehnlichen Mitteln wurde es geschafft eine begeisternde Dramaturgie zu erzeugen. Hierfür prägend sind vor allem die gut gewählten Kameraperspektiven (das Auf- und Abtauchen in den Eröffnungsszenen), die kombiniert werden mit einem durchdringenden und bedrohlichen Soundtrack. Trotz aller Düsterheit lässt das Werk uns trotzdem mit einem guten Gefühl zurück, welches wohl maßgebend geprägt ist durch die finale Titelmelodie, die tatsächlich Lust auf mehr macht!
Schauspieler:in | Rolle |
Huub Stapel | Eric Visser |
Monique van de Ven | Laura |
Serge-Henri Valcke | Vermeer |
Hidde Maas | Martin Ruysdael |
Wim Zomer | John van Meegeren |
Tanneke Hartzuiker | Potter |
Lou Landré | Chef |
Tatum Dagelet | Anneke Visser |
Edwin Bakker | Willy |
Pieter Lutz | Skipper |
Barbara Martijn | Prostitute |
Door van Boeckel | Verrückter |
Simone Ettekoven | Soldat der Heilsarmee |
Koos van der Knaap | Umweltschützer #1 |
Pieter Loef | Umweltschützer #2 |
Es lohnt nicht nur einmal diesen tollen Streifen gesehen zu haben, Verfluchtes Amsterdam ist eine europäische Filmperle die alle Jahre wieder in meinem Player landet. Der Thrill ist perfekt und die Aufnahmen aus der Froschperspektive direkt auf Höhe der Wasseroberfläche lässt einen frösteln, wenn man Nachts an einem Gewässer vorbeigeht und einem dieser Streifen in den Sinn kommt. Verfluchtes Amsterdam hat gezeigt, dass die Europäer ebenfalls tolle Filme machen konnten und immer noch können.