Rezension
gesehen im Rahmen der 58. Internationalen Hofer Filmtage
Das Gras der Gärten scheint wie gemalt, hohe Baumreihen umringen die Nachbarschaft, zum Willkommen gibt es ein Barbecue und an warmen Sommertagen zieht es die Jugendlichen des Örtchens an den nahegelegenen Fluss. Das Vorstadt-Idyll, das neue Zuhause der Familie Feral, verspricht einen ruhigen, unauffälligen Rückzugsort. Dass dieses Versprechen nicht von Dauer sein wird, daraus macht der Film, der bei den diesjährigen Hofer Filmtagen mit dem Pharos Shiver Screen Award 2024 ausgezeichnet wurde, kein Geheimnis. Denn Philémon, der jugendliche Sohn der kleinen Familie, ist anders als die meisten Teenager um ihn herum: er ist mit einem unergründlichen Blutdurst geboren worden.
Diesen stillt der junge Mann mittels Blutkonserven, die seine Mutter als Krankenschwester von Blutspende-Aktionen schmuggelt. Auch Vater und die kleine Schwester wissen um die außergewöhnliche Eigenschaft des Teenagers und leben nach außen eine eigene Version der Familiengeschichte. Dem Zusammenhalt der kleinen Familie steht schon bald das wachsende Misstrauen der einheimischen Vorstadt-Gemeinschaft entgegen, das in einhundert Minuten niemals in einem Blutbad, aber letztlich in einer enervierenden, fesselnden Genreerzählung á la die Slowborn-Grusel A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT oder ONLY LOVERS LEFT ALIVE mündet.
Auch Vampire schauen Wer wird Millionär
Zwischen Eingewöhnung, Arbeit und dem Durchstöbern von Videotheken und Fernsehsendern entfaltet sich das Leben der kleinen Familie authentisch unaufgeregt. Deutlich wird: viel mehr als das Vampirsein des Jugendlichen an sich, steht in WAITING FOR THE NIGHT das Leben als Außenseiter im Vordergrund. Das Gefühl, nicht dazuzugehören, aber auch nicht dazu gehören zu können, weil es körperliche Veränderungen nicht oder nur bedingt zu lassen. Neu ist diese Allegorie sicherlich nicht. In den Händen von Céline Rouzet aber empathisch und gewissenhaft eingefangen, weil sie sich immer wieder nah an dem jungen Protagonisten und seinen Problemen bewegt.
Nach verdunkelten Ecken im Haus, dem nahenden Abend, einem Ausflug ins dunkle Kino, in dem selbstverständlich DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN zu sehen ist, sehnt sich derweilen nicht nur seine Figur, sondern wiederholt auch der Film, dessen Musik sich nach anfänglicher Aufdringlichkeit sinnvoller in das Genrewerk spielt. Gruselelemente nur dosiert in seine realistische Handlung einbettend, dafür mit der ein oder anderen Hommage an Klassiker des Gruselkinos spielend, schafft WAITING FOR THE NIGHTS eine romantisch-finstere Atmosphäre, in der die Spannungen zwischen den einzelnen Akteur*innen dosiert aufgebaut und ausgespielt werden. Entladen sie sich innerhalb der Familie, zeigt die gewissenhaft entwickelte Familiendynamik ihre Intensität, und allen voran Jungdarsteller Mathias Legoût Hammond sein eindrucksvolles Können.
Nahbar verkörpert er den Teenager zwischen vorsichtiger Zurückhaltung, dem geheimen, schwer zu stillenden Verlangen, der Sehnsucht danach, seine Andersartigkeit ablegen, sich anpassen zu können und romantischen Gefühlen, – innere und äußere Kämpfe, die die Gemeinschaft um ihn herum beschwören, beschweren und auch das Leben seiner Familie beeinflussen. Zermürbend etablieren sich gesellschaftliche Dynamiken, die Rouzets zweiten Spielfilm als Geschichte über Ausgrenzung und Anpassungsversuche deutlich wirkungsvoller machen, als sie es als nervenaufreibender Horrorfilm über einen jugendlichen Blutsauger ist. Der Horror kommt einmal mehr nicht (nur) von den vermeintlichen Monstern, sondern sitzt auch tief in jenen verborgen, die sie erst dazu verdammen.
Fazit
WAITING FOR THE NIGHT erfindet weder das Coming of Age-Drama noch den Vampirfilm von Grund auf neu, ergänzt beide Genre jedoch um einen düster-gefühlvollen Genrefilm mit leise anschwellender Spannung und einem eindrucksvollen Newcomer in der Hauptrolle.
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Originaltitel | En attendant la nuit |
Kinostart | 5.6.2024 |
Länge: | 104 minuten |
Produktionsland | Belgium |
Genre: | Drama | Horror |
Regie | Céline Rouzet |
Producer | Guillaume Malandrin | Candice Zaccagnino | Olivier Aknin |
Kamera | Maxence Lemonnier |
Cast | Mathias Legoût Hammond, Élodie Bouchez, Jean-Charles Clichet, Céleste Brunnquell, Laly Mercier, Louis Peres, Angèle Metzger, Bakary Diombera, Anne Benoît, Valérie Lemaître, Bruno Georis, Géraldine Pochon, Mila Ruozo, Véronique Frumy |
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