Das Zurich Film Festival hat seine 21. Ausgabe mit der Preisverleihung im Opernhaus abgeschlossen. Vom 25. September bis 5. Oktober wurden in diesem Jahr 115 Filme aus insgesamt 49 Ländern gezeigt, darunter 40 Welt- und Europapremieren.
Nach Angaben der Veranstalter zählte das Festival in diesem Jahr rund 135.000 Besucher*innen, davon etwa 34.000 im Rahmenprogramm. Damit bewegt sich die Zahl der Besucher*innen leicht unter dem Rekordniveau des Vorjahres, bleibt aber deutlich über dem langfristigen Durchschnitt der vergangenen Dekade. Seit seiner Gründung im Jahr 2005, als das Festival mit rund 8.000 Eintritten begann, hat sich das ZFF zu einem zentralen Ereignis im europäischen Festivalkalender entwickelt. Der stetige Zuwachs der Besucher*innenzahlen – von 27.000 im Jahr 2007 über 90.000 im Jahr 2016 bis zu über 140.000 im Jahr 2024 – spiegelt die wachsende internationale Wahrnehmung des Festivals ebenso wider wie seine zunehmende Funktion als Schaufenster für internationale Koproduktionen und Nachwuchsregiearbeiten. Auch 2025 blieb der Fokus auf einer Mischung aus Erstlingswerken und prominenten Produktionen.
Auf dem Grünen Teppich und in den Zürcher Kinos waren zahlreiche bekannte Filmschaffende vertreten, darunter Dakota Johnson, Benedict Cumberbatch, Claire Foy, Russell Crowe, Colin Farrell, Wagner Moura, Noah Baumbach und Hildur Guðnadóttir. Ergänzend zu den Filmvorführungen fanden Gespräche, Panels und Fachveranstaltungen statt, die Themen von Branchentrends über Nachhaltigkeit bis zur Filmfinanzierung behandelten. Besondere Aufmerksamkeit erhielt in diesem Jahr der Zurich Summit, die jährlich parallel stattfindende Branchenkonferenz. Dort sorgte die Vorstellung einer vollständig durch künstliche Intelligenz generierten Schauspielerin für einen der umstrittensten Momente des Festivals. Die niederländische Produzentin Eline van der Velden präsentierte im Rahmen des Summits das Projekt Tilly Norwood, eine synthetische Schauspielerin, die vollständig mit Hilfe von KI entwickelt wurde.
Van der Velden stellte die Figur als künftiges Modell für digitale Talente vor, die – ähnlich wie reale Schauspielende – vermarktet und möglicherweise durch Agenturen vertreten werden könnten. Die Ankündigung stieß in der Branche auf deutliche Kritik. Schauspieler*innen wie Melissa Barrera, Lukas Gage, Toni Collette und Mara Wilson äußerten sich öffentlich ablehnend. Gewerkschaften warnten vor einem Dammbruch, falls virtuelle Figuren reale Verträge erhalten sollten. Kritisiert wurden mögliche Arbeitsplatzverluste, rechtliche Grauzonen bei der Nutzung realer Gesichter und Stimmen sowie die künstlerische Qualität solcher Performances. Van der Velden betonte, die Figur solle kein Ersatz für Menschen sein, sondern ein ergänzendes Werkzeug. Im internationalen Spielfilm-Wettbewerb zeichnete die Jury unter Vorsitz des US-Regisseurs Reinaldo Marcus Green den slowakischen Oscar-Beitrag FATHER von Tereza Nvotová mit dem Goldenen Auge aus. Der Film, ein Familiendrama über Schuld, Verantwortung und Mitgefühl, überzeugte laut Jury durch seine „Menschlichkeit und emotionale Authentizität“.
Zwei Filme erhielten besondere Erwähnungen: DES PREUVES D’AMOUR (LOVE LETTERS) von Alice Douard wurde für sein präzises Drehbuch und die nuancierte Regie gelobt, während LEFT-HANDED GIRL von Shih-Ching Tsou für seine visuelle Feinheit und die subtile Infragestellung traditioneller Familienstrukturen hervorgehoben wurde. Neben Green gehörten Schauspielerin Leonie Benesch, Produzent Carlo Cresto-Dina, Filmemacher Ali Asgari und Kuratorin Nicole Reinhard der Jury an. Das Goldene Auge im Dokumentarfilm-Wettbewerb ging an den Zürcher Regisseur Moris Freiburghaus für I LOVE YOU, I LEAVE YOU – das erste Mal in der Festivalgeschichte an einen Schweizer Beitrag.
Der Film begleitet den psychischen Ausnahmezustand eines engen Freundes und zeigt in beobachtender Form, wie Krankheit und Nähe miteinander kollidieren. Die Jury unter Vorsitz des US-Dokumentarfilmers Matthew Heineman hob die „unverstellte Ehrlichkeit“ und die „filmisch einfallsreiche Umsetzung“ hervor, mit der Freiburghaus persönliche Erfahrung in eine universell nachvollziehbare Erzählung übersetze. Auch hier gab es besondere Erwähnungen: THE GROUND BENEATH OUR FEET von Yrsa Roca Fannberg, gedreht in einem isländischen Pflegeheim, wurde für seine „stille Beobachtung des Lebens am Ende“ ausgezeichnet. LA VIE APRÈS SIHAM von Namir Abdel Messeeh überzeugte die Jury mit einer expressiven Auseinandersetzung über Verlust, familiäre Dynamik und Erinnerung. Der ZFF Critics’ Jury Award ging an MEMORY OF PRINCESS MUMBI von Damien Hauser. Die Jury würdigte das Werk als „originell, humorvoll und konzeptionell visionär“. In der Sektion ZFF für Kinder gewann DER PRANK von Benjamin Heisenberg sowohl den Jurypreis als auch den Publikumspreis.
Der Publikumspreis des gesamten Festivals ging an I LOVE YOU, I LEAVE YOU, der damit doppelt ausgezeichnet wurde. Den Filmpreis der Zürcher Kirchen erhielt LA VIE APRÈS SIHAM, während Mikal Grigorowitsch für die beste internationale Filmmusik geehrt wurde. Neben den Wettbewerben ehrte das ZFF auch in diesem Jahr zahlreiche Persönlichkeiten für ihre Verdienste um das Kino. Dakota Johnson, Benedict Cumberbatch, Claire Foy, Wagner Moura und Colin Farrell erhielten das Goldene Auge für ihre jeweiligen Karrieren und aktuellen Filmbeiträge. Russell Crowe wurde mit dem Lifetime Achievement Award für sein Lebenswerk geehrt, Noah Baumbach erhielt den A Tribute To… Award für seine filmhistorische Bedeutung. Die Schweizer Produzentin Anne Walser und die Komponistin Hildur Guðnadóttir wurden mit dem Career Achievement Award ausgezeichnet. Den Game Changer Award erhielt Tom Quinn, Gründer des US-Independent-Labels NEON, für seine Rolle bei der Förderung unkonventioneller Filmproduktionen.




Hinterlasse einen Kommentar