2046

Vier Jahre nach seinem vielfach ausgezeichneten IN THE MOOD FOR LOVE – DER KLANG DER LIEBE und mehr als zwei Jahrzehnte nach Veröffentlichung des Films DAYS OF BEING WILD erschien der Abschluss Wong kar-wais loser Trilogie über die Liebe und die Sehnsucht. Mit 2046 entstand, wenn dem deutschen Alternativtitel 2046 – DER ULTIMATIVE LIEBESFILM Glauben geschenkt wird, eine Romanze, wie sie besser nie wieder inszeniert werden kann. Eine motivische und gelegentlich auch thematische Fortsetzung zweier ohnehin schon besonderer (Liebes-)Filme. Nach den kaleidoskopartigen Thrillern CHUNGKING EXPRESS und FALLEN ANGELS erhält 2046 im Oktober die aktuellste Kar-wai-Neuveröffentlichung in Form einer Special Edition, die neben 4K-UHD, Blu-ray und DVD auch Making-of-Material, ein alternatives Ende, Interviews und vieles weitere beinhaltet.

Darum geht es

Chow ist Schriftsteller, wohnt zurzeit in einem Hongkonger Hotel und versinkt zusehends in seinen neuen Science-Fiction-Roman. Eine Geschichte über einen geheimnisvollen Ort in der Zukunft, 2046, von dem eine Rückkehr unmöglich scheint. Fortan verschwimmen in seiner sehnsuchtsvollen Fiktion eigene Erinnerungen an vergangene Romanzen. Chow wird in einen Sog getrieben, der Sehnsüchte und tiefste Gefühle nach außen kehrt …

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Rezension

Trotz motivischer und einzelner inhaltlicher Verknüpfungen zu DAYS OF BEING WILD und IN THE MOOD FOR LOVE ist 2046 eine eigenständige Erzählung oder vielmehr eine eigenständige Ausdrucksform. Nicht nur die vom Schriftsteller kreierte futuristische Stadt, sondern der gesamte Film wird zum Ort verloren geglaubter Erinnerungen und Gefühle. Da ist es selbstverständlich, dass sich die Erzählstruktur des Films noch deutlicher dem Fragmentarischen, dem Unkonventionellen hinwendet als manche Vorgängerwerke.

Erneut im Zentrum des Films, im Zentrum der visualisierten Sehnsüchte und Erinnerungen: der von Tony Chiu-Wai Leung (SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE TENS RINGS) verkörperte Chow Mo-wan. Im Gegensatz zu ihm sind dessen (vergangene und zukünftige) Romanzen, dargestellt von etwa Carina Lau (DIE BLUMEN VON SHANGHAI) und Maggie Cheung (IRMA VEP), deutlich schemenhafter gezeichnet und kaum eigenständige Figuren. Statt aufeinander aufbauende Handlungsstränge und greifbare Biografien einzelner Charaktere verfolgt Wong Kar-wai die emotionalen Zustände von Figurenkonstellationen, die wiederum deutlich von Chow Mo-wan selbst geprägt sind. So poetisch und malerisch Kar-wai die Essenz der Gefühle und der Liebe einzufangen versucht, so dick aufgetragen und synthetisiert wirken diese gelegentlich. Auch weil sich viel in der Bildsprache und weniger in zwischenmenschlicher Zurückhaltung äußert.

In einem zuweilen surrealen Bilderrausch verschwimmen Symbolik und Kontraste, die sich dem „ultimativ“ im deutschen Alternativtitel auf visueller Ebene annähern. Das 2046 der Zukunft enthält eine dichte, mit den Mitteln der frühen 2000er visuell eigene Gestalt, ganz ohne essentielles Worldbuilding zu betreiben. Der Kontrast der kalten, künstlichen Welt, die sich auf Außennahmen von Städten oder einem einfahrenden Zug beschränkt, zum emotional erwärmenden Schwelgen, veranschaulicht die romantische Konzentration der Erzählung. Auch in den für Kar-wai typischen ausdrucksstarken Farben und dem Spiel mit Hintergrunddetails wie der titelgebenden Nummer liegen spannende Reize versteckt. Und dennoch bleibt 2046 nur schwer zugänglich und lässt trotz seines Bilderreigens mit konzertartigen Einschlägen dadurch die Laufzeit von über zwei Stunden mehrmals spüren.

Fazit

Die Komplettierung Wong Kar-wais loser Liebestrilogie übergeht eine grundlegend geradlinige Erzählung und schürft in ausdrucksstarker Bebilderung und Inszenierung nach der Essenz von Gefühlen. Das ist stellenweise hypnotisch und verständlich zu lesen, gelegentlich jedoch auch undeutlich und unzugänglich. Ein schmaler Grat zwischen wirkungsvoller Poesie und schwulstiger Liebesgeschichte.

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