Originaltitel: Assassins
DVD/Blu-ray – Release: 26.02.2021
Länge: ca. 105 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Ryan White
Genre: Dokumentation
Verleih: Ascot Elite Filmverleih
Die Bilder Nordkoreas, die hierzulande häufig zu sehen sind, vermitteln immer wieder recht deutlich, dass das Land extrem autoritär geführt wird. Videos von Raketentests und umfassend inszenierten Huldigungen des Landesführers Kim Jong-un prägen unsere Wahrnehmung und nur selten gelangen Eindrücke in die Medien, die sich abseits des scheinbar perfekten Außenbildes bewegen. Dabei brodelt es dort immer wieder und vor allem durch den Tot des ehemaligen Machthabers Kim Jong-il entwickelte sich eine bedrohliche Dynamik, denn obwohl der jüngste Sohn Kim Jong-un zweifelsfrei zum Nachfolger erklärt wurde, stellte sein älterer Halbbruder die Erbdynastie in Frage und beanspruchte somit die Führungshoheit für sich und kritisierte die Arbeit Kim Jong-uns.
Kim Jong-nam hat jedoch selbst zu verantworten, dass er nicht in der Gunst seines Vaters stand, denn durch einen Besuch des japanischen Disneylands mit gefälschtem Pass der Dominikanischen Republik stürzte er sich in Ungnade. Dabei war jedoch das unechte Ausweisdokument das geringere Problem. Vielmehr wurde diese Aktion als staatsfeindlich betrachtet, da Disney als Ausgeburt und Symbolbild amerikanischer Werte betrachtet wird und die USA bekanntermaßen als Feinde nordkoreanischer Politik anzusehen sind. Es war somit unverzeihlich, dass ein Sohn des Machthabers versuchte sich an einem amerikanischen Vergnügungsort auszuleben. Angeblich habe er seit dem in Macau in China gelebt und dort auch um politisches Asyl gebeten. Rückblickend betrachtet, war dies wohl der Anfang vom Ende Kim Jong-nams.
Darum geht es…
Am 13. Februar 2017 wurde Kim Jong-nam in Malaysia durch den Nervenkampfstoff VX getötet. Dies ist ein chemischer Stoff, der über die Haut, die Augen und die Atemwege in den Körper eindringt und anfänglich Husten und Übelkeit verursacht und sich mit der Zeit zu Lähmung der Atemmuskulatur ausweitet und schließlich unter starken Krämpfen und Schmerzen zum Tod führt. Verabreicht wurde ihm dieser Stoff offenbar am Flughafen in Kuala Lumpur in völliger Unwissenheit. Eine Frau näherte sich von hinten an und hielt ihm die Hände vor die Augen, wodurch der Stoff von den Händen auf dem Gesicht verteilt wurde. Kurz darauf hat sich der Nordkoreaner an das Flughafenpersonal gewandt, woraufhin er ins örtliche Hospital gebracht wurde, in welchem er nicht viel später verstarb. Bei der Frau handelte es sich um eine Vietnamesin, die nach eigener Aussage nur an einem Fernsehstreich für die versteckte Kamera teilgenommen habe, niemals jedoch an einem Mord beteiligt sein wollte.
Ein umfassender Ermittlungsprozess wurde eingeleitet, um den Fall zu überprüfen. Auch weitere Personen wurden festgenommen. Die Ermittlungen erwiesen sich als schwierig und verwirrend, da tatsächlich viele Alibis der Vietnamesin bestätigt werden konnten, gleichzeitig aber unzählige Kameraaufzeichnungen vom Flughafen Indizien gaben, dass die Frau im Bewusstsein eines Kampfstoffes an ihren Händen handelte. ASSASSINS – BRUDERMORD IN KUALA LUMPUR beschäftigt sich dokumentarisch genau mit diesem Anschlag und der anschließenden gerichtlichen Aufarbeitung. Dabei wurden Interviews verschiedener Personen, vom Anwalt, bis zum Staatsanwalt sowie begleitenden Presseleuten festgehalten und zu einer Gesamtaussage zusammengefügt.
Rezension
Wie ein Thriller wirken die ersten Minuten auf das Publikum, während uns Liveaufnahmen von Flughafenkameras gezeigt werden, die ein schreckliches Verbrechen dokumentieren. Passend dazu entwickelt sich die musikalische Untermalung in eine sehr dramatische Richtung und liefert beste Voraussetzungen für einen spannenden Spielfilm. Doch nur kurze Zeit später ist klar, dass es sich hier nicht um reine Fiktion handelt, sondern um tatsächliche Begebenheiten, die einfach nur völlig surreal wirken. Diese Dokumentation versucht umfangreich die Gegebenheiten, die Entwicklungen und die Folgen des Verbrechens zu beleuchten und setzt dabei stets auf eine neutrale und unabhängige Perspektive, die jedoch teilweise nur schwer gewahrt werden kann, da nicht immer Interviews und Quellen aus dem jeweils anderen Lager zur Verfügung standen.
Strukturiert versucht Regisseur Ryan White die Geschichte in allen Ebenen schlüssig zu erzählen und betrachtet dabei sowohl die politischen Voraussetzungen als auch zwischenmenschliche Motive und geht schlussendlich auch auf juristische Formalitäten ein. Ein umfassendes Spektrum an Informationen wird aufgegriffen und mutmaßlich bekommen wir Bilder gezeigt, die zuvor nicht oder nur selten in den Medien zu sehen waren. Dabei scheint es so, als würden wir bereits all das Wissen in den ersten 10 bis 15 Minuten präsentiert bekommen, da der Tathergang umfassend in Kürze erläutert wird. Erst später stellt sich heraus, dass die Thematik doch deutlich umfangreicher ist, als sie anfangs scheint.
Für die Aufarbeitung der Ereignisse hangelt sich ASSASSINS – BRUDERMORD IN KUALA LUMPUR an verschiedensten Interviews entlang, die sowohl mit beteiligten Reporter:innen, aber auch entsprechenden Anwält:innen, Zeug:innen und Täter:innen beziehungsweise Opfer:innen geführt und festgehalten wurden. Teilweise wurden dafür auch Interviewte unkenntlich gemacht, um nicht selbst ins Schussfeld von Ermittlungen zu gelangen. Insgesamt schafft es der Film dabei ein angemessenes Gleichgewicht zu schaffen zwischen Urteil und Verurteilung und somit die Theorie der Mörder:innen gut zu untermauern, aber auch ihre Unschuld zu belegen. Der Eindruck eines gut recherchierten und objektiven Films schlägt sich somit nieder.
Wem nützt das eigentlich?
Doch wie immer kann natürlich an dieser Stelle gefragt werden, ob Objektivität wirklich gegeben ist. Grundsätzlich werden hier einige Thesen und Vermutungen aufgebaut und angedeutet, die letztlich nicht vollends beweisbar sind und daher nur eine schlüssige Gesamtidee präsentieren. Insbesondere sollte beachtet werden, dass die Dokumentation aus den USA stammt und hinsichtlich der ohnehin schon existierenden Feindschaften zwischen Nordkorea und den Vereinigten Staaten das Material durchaus propagandistisch in eine bestimmte Richtung zeigen könnte. Zwar bekommen die Zuschauenden die Möglichkeit selbst ihre Schlüsse zu ziehen, doch wird die Faktenlage auch so erläutert, dass erwartbare Assoziationen deutlich hervorstechen. Insbesondere die Schuldfrage von Nordkorea scheint dabei auch immer wieder nur wage begründet zu sein und nicht auszureichen für ein finales Urteil. Hierbei liegt das Problem vor allem darin, dass nordamerikanische Betroffene nicht befragt wurden oder werden konnten.
Abgesehen von dieser nicht ergründbaren Ungenauigkeit hinsichtlich der Objektivität und Subjektivität, hat es Ryan White jedoch geschafft eine mitreißende und spannende Entwicklung zu etablieren und sich somit stets die Aufmerksamkeit seines Publikums zu sichern. Selten greifen Dokumentationen einen solch angespannten, treibenden und beklemmenden Ton auf, wie wir ihn hier erleben können. Vergleiche zu Justiz-Thrillern sind somit durchaus im legitimen Bereich, aber eben auch zu bekannten Verschwörungsfilmen, wie wir sie auch immer wieder bezüglich des Angriffs auf das World Trade Center zu Gesicht bekamen.
Fazit
Mit ASSASSINS – BRUDERMORD IN KUALA LUMPUR präsentiert uns Regisseur Ryan White eine spannende und vielschichtige Dokumentation eines unglaublichen Ereignisses, welches nur noch getoppt wurde von seinem kuriosen Hergang. Für alle, die bisher mit Mord von Kim Jong-nam nicht durch Medienberichte oder ähnliches in Berührung gekommen sind, bietet der Film einerseits eine herausragende Zusammenfassung mit dramaturgischem Anspruch und andererseits Erklärungsperspektiven, die den wahren Umfang dieser Krise noch deutlich machen. Dabei scheint der Inhalt weitestgehend objektiv recherchiert und erzählt zu sein und genug Spielraum für eigene Interpretationen und Urteile zu lassen. Zeitgleich kann jedoch auch Subjektivität vorgeworfen werden, da recht deutlich mit dem Finger auf eine Person gezeigt wird, wofür es jedoch nicht ausreichend belastbares Material gibt. Interessant gemacht und bis zum Schluss fragen sich Zuschauende und der Film: Wer ist schuld?
Mit diesem Film präsentiert uns Regisseur Ryan White eine spannende und vielschichtige Dokumentation eines unglaublichen Ereignisses, welches nur noch getoppt wurde von seinem kuriosen Hergang. Für alle, die bisher mit Mord von Kim Jong-nam nicht durch Medienberichte oder ähnliches in Berührung gekommen sind, bietet der Film einerseits eine herausragende Zusammenfassung mit dramaturgischem Anspruch und andererseits Erklärungsperspektiven, die den wahren Umfang dieser Krise noch deutlich machen. Dabei scheint der Inhalt weitestgehend objektiv recherchiert und erzählt zu sein und genug Spielraum für eigene Interpretationen und Urteile zu lassen. Zeitgleich kann jedoch auch Subjektivität vorgeworfen werden, da recht deutlich mit dem Finger auf eine Person gezeigt wird, wofür es jedoch nicht ausreichend belastbares Material gibt. Interessant gemacht und bis zum Schluss fragen sich Zuschauende und der Film: Wer ist schuld?