Originaltitel: Yaga. Koshmar tyomnogo lesa
Kinostart: 01.03.2020
DVD/Blu-ray – Release: 11.06.2020
Länge: ca. 97 Minuten
Produktionsland: Russland
Regie: Svyatoslav Podgayevskiy
Schauspieler:innen: Svetlana Ustinova | Maryana Spivak | Denis Shvedov
Genre: Horror
Verleiher: Capelight Pictures
Wir alle haben wohl in unserem Leben schon einmal von der Figur BABA YAGA gehört und wissen wohl auch zumeist noch, dass es sich hierbei um eine mystische Hexenfigur handelt. Doch sind die Mythologien in Deutschland nicht ganz so tief verankert und daher weitestgehend unbekannt. Ganz anders sieht es da schon bei den Slawen (große Teile Osteuropas) aus, denn dort erfreut sich die Märchengestalt großer Popularität. Dennoch ist die Gestalt der hierzulande eher verbreiteten Hexenfigur gar nicht so unähnlich. So wird BABA YAGA zumeist als alte Frau mit magischen Kräften charakterisiert, die tief im Wald lebt und häufig an einen bestimmten Ort gebunden ist. Ihr Sinnbild steht für Tod und Unheil. Die Figur wurde auch bereits mehrfach in filmischen Inszenierungen eingebunden, so zuletzt in dem viel kritisierten HELLBOY – CALL OF DARKNESS.
Darum geht es…
Als der junge Egor mit seiner Familie an den Stadtrand zieht, warten auf den Schüler viele neue Erfahrungen und Bekanntschaften. Doch nicht alle sind ihm so genehm. So ist er nicht gerade ein Fan von seiner neuen Stiefmutter, auch wenn er sich liebevoll um seine Halbschwester sorgt. Doch als dann auch noch eine Babysitterin engagiert wird, laufen die Dinge aus dem Ruder. Plötzlich geschehen merkwürdige Dinge im Haus, Überwachungskameras zeichnen Dinge auf, die nicht existieren und vor allem das Baby scheint in ständiger Gefahr zu leben. Doch zum Glück findet er schnell eine neue Freundin in seiner Gegend, mit der er den Geschehnissen auf den Grund geht. Ihre Suche führt sie tief in den Wald hinein – fast schon in eine komplett andere Welt. Doch dieses Abenteuer stellt sich noch als gefährlicher heraus, als es anfangs scheinen mag, denn scheinen die Kinder Fremde in ihrer eigenen Welt zu sein.
Rezension
Mit der folgenden Rezension werde ich vermutlich den Zorn oder eher das Unverständnis vieler Kritiker auf mich ziehen, denn bisher ist mir tatsächlich noch nicht eine wirklich positive Stimme zu diesem Film untergekommen. Dennoch muss ich von vornherein sagen: Diesen Film hat niemand gebraucht, aber hat mich doch extrem gepackt, mitgerissen und emotional mitfiebern lassen. Doch da das Horror-Genre doch ein recht spezielles ist, bei dem man nie so recht einschätzen kann, wie man die Kritik anderer letztlich wirklich werten kann, da einfach das Qualitätsspektrum der Werke deutlich größer ist als bei allen anderen Genres, gebe ich mal einen kurzen Einblick auf meine Sichtweise zu diesen Filmen.
Generell schaue ich eher weniger Horror-Filme, da ich die meisten einfach schlecht und langweilig produziert finde und sie mich inhaltlich kein bisschen weiter bringen im Leben, was natürlich auch kein Kriterium für solche Filme darstellen sollte. Ich bin nur schwer zu erschrecken und empfinde viele Szenerien eher als lachhaft gekünstelt. Spannung oder Gruseleffekte kommen nur selten auf, insbesondere weil einfach viel zu häufig der Dämon im Mittelpunkt steht und alle Aufmerksamkeit bekommt: Wie soll man sich vor etwas gruseln, dass man durch die Aufklärung des Films eigentlich umfassend kennt? Deutlich empfänglicher bin ich für Psycho-Horror, der die Nerven strapaziert und mit dem Ungewissen und Unbekannten spielt. Alltägliche Situationen und ein Thrill in Bezug auf junge Kinder (keine jungen Erwachsenen) schaffen eine große Beklommenheit und sind nicht immer leicht zu verdauen für mich.
Ein zweischneidiges Schwert
Mit diesem Vorwissen sei gesagt, dass sich BABA YAGA mehr oder minder in zwei Hälften spaltet, die von völlig unterschiedlicher Machart und eben auch Qualität sind. So werden wir anfangs eingeführt in ein ruhiges Vorstadtleben in einer viel zu perfekten Welt, in der alles einheitlich aussieht, die Ordnung an jeder Ecke vorherrscht und seltsame Farbkombinationen ein merkwürdig unrealistisches Leben präsentieren, wie wir es schon aus EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN kennen. Doch ohne viel Vorgeplänkel und umschweifende Einführungen der Charaktere kommt Regisseur Svyatoslav Podgayevskiy schnell zum Punkt und präsentiert und erste seltsame Begebenheiten. Dabei schafft er es rasant die Spannung ansteigen zu lassen und uns mit einem eher altertümlichen Stil der Horrorinszenierung zu begeistern.
Während in der heutigen Zeit viel zu häufig auf alberne und sinnlose Jump-Scares gesetzt wird, bereitet Podgayevskiy eben jene ausgiebig vor und zeigt dem Zuschauer an sich nur dass, was er sowieso schon erwartet, schafft es jedoch damit eine so starke Atmosphäre aufzubauen, dass die Effekte weitaus mehr Erfolg erzielen als in vielen vergleichbaren Werken. Immer wieder werden Alltagsgestände missbraucht für Effekthascherei, die letztlich jedoch so beklemmend wirkt, dass ich wie gebannt auf die Leinwand starren musste. Allein diese Szene, die ihr euch auch in dem zugehörigen Trailer anschauen könnt, lief mir so kalt den Rücken runter. Zwar kennen wir gleiche Szenerien schon aus anderen Filmen, doch ist dieser kleine und feine Unterschied, dass es hierbei um das Wohl eines Babys geht, was mich wiederum völlig aus der Bahn geworfen hat.
Es wird abenteuerlich
Tatsächlich spielt sich diese Arbeit mit Schockmomenten, die an die Nieren geht, immer weiter hoch, während wir als Zuschauer fast nichts über dieses Wesen erfahren und auch die anderen Figuren kaum kennen. Im Gegenteil – immer wenn wir glauben gerade eine Person etwas näher kennen gelernt zu haben und einschätzen zu können, wandelt sich der Charakter plötzlich gezielt in eine andere Richtung und überrascht somit stets von Neuem. Doch dann geschieht der entscheidende Fehler im Film (wir befinden uns nun etwa in der zweiten Hälfte): Plötzlich bekommen die dämonischen Kreaturen mehr Festigkeit, an der sich die Zuschauer halten können und verlieren ganz und gar ihren substanziellen Gruselcharakter. Gleichzeitig erfahren wir auf einmal immer mehr über die Protagonisten, was vielleicht für eine Abenteuergeschichte ganz nett sein mag, doch hier nicht weiter interessiert.
Apropos Abenteuergeschichte – genau das bekommen wir im gesamten zweiten Part zu sehen. Plötzlich entwickelt sich aus dieser extrem hohen Anspannung eine Stranger Things-Verschnitt mit ein paar Jugendlichen, die auf abenteuerliche Jagd nach einem Monster gehen. Just in diesem Moment ist alles an Potential verschenkt, was zuvor so mühselig aufgebaut wurde. Warum müssen immer alle Geschichten auf eine Art Happy End hinauslaufen, welches nur erreicht werden kann, wenn die Figuren an Inhalt gewinnen? Kann der Zuschauer nicht letztlich einfach im Nichts stehen gelassen werden, in welchem das Böse obsiegt? Viele vergleichen BABA YAGA tatsächlich mit ES, was ich für den ersten Part doch gänzlich abstreiten würde, aber später nur noch beipflichten kann.
Das Potential war da
Schade eigentlich, dass die Möglichkeiten letztlich so verspielt wurden. Denn überraschenderweise schaffen es gerade die russischen Produktionen in den vergangenen Monaten immer wieder mit tollen und einfallsreichen Kniffen zu überraschen, die sonstige Film-Weltmächte eben nicht nutzen. Auch wenn viele Elemente auch wirken, als wären sie einfach von vor 20 oder 30 Jahren aus anderen international erfolgreichen Filmen geklaut wurden, so ist es doch genau das, was deren frühere Erfolge ausgemacht hat. Warum sich dem also nicht einfach öfter bedienen und geschickt mit neuen Stilelementen kombinieren. Ein letzter Satz zum Score: Für mich ist die eingebaute musikalische Untermalung fast schon perfekt gelungen, denn die Stimmung wird perfekt in die richtige Richtung getrieben und ist zugleich anders und innovativer als die amerikanischen 0815-Einspieler.
Endlich mal wieder ein Horror-Film in der Besprechung. Zwar ist dies nicht gerade meine Paradekategorie der Filmbesprechungen, doch ist die Hoffnung stets gegeben irgendwann einmal ein wirkliches gutes Werk aus diesem Genre zu finden. Wie wäre es da also mit BABA YAGA? Tatsächlich sind die Vorzeichen dafür gar nicht mal so schlecht, denn bereits der Trailer lief mir wirklich kalt den Rücken runter. Glücklicherweise blieb es nicht dabei, und so schafft es der Film in der ersten Hälfte immer wieder mit beängstigenden und psychisch fordernden Elementen aufzuwarten und die Anspannung hoch zu halten. Zwar bekommen wir nicht so viel mehr zu sehen als in anderen Filmen des Genres aus, doch ist für mich der entscheidende Unterschied, dass es hier stets um ein Baby und seinen Bruder geht und daraus eine extrem kräftige Inszenierung folgt.
Während jedoch in diesem ersten Part gefühlt alles richtig gemacht wird, geschieht genau das Gegenteil im zweiten Teil. Plötzlich bekommen Charaktere eine Bedeutung, das Böse bekommt eine Gestalt und aus einem Horror wird ein düsterer Abenteuerfilm. Nüchtern betrachtet bekommen wir zwar von Anfang bis Ende keine gute Story geliefert, doch die benötigt ein solcher Film auch nicht unbedingt, wenn zumindest alle anderen Elemente wie Schauspiel, Soundgestaltung, Bildgestaltung und Inszenierung wunderbar aufeinander abgestimmt sind. Unter dem Strich also doch sehr schade, dass BABA YAGA auch nur im belanglosen Mittelfeld landet. Vielleicht soweit mein Tipp: Schaut euch einfach nur die erste Hälfte des Films an und macht dann einfach aus. Ihr verpasst nicht so viel.