Rezension
gesehen im Rahmen der 58. Internationalen Hofer Filmtage
Beobachtet von Eichhörnchen und Vögelchen sitzt ein Mann gefesselt an einem Baum. Rinde kratzt sich in seinen nur von einem Hemd bedeckten Rücken, ein straffes Seil schneidet ihm in die Handgelenke ein. Nach einiger Zeit stößt ein Fremder aus dem Dickicht zu ihm, schlägt sein Campingzelt auf, macht ein Lagerfeuer. Daran, den Gefesselten loszuschneiden, denkt der Fremde nicht. Während Hunger, Schmerzen und der Verlust von Orientierung und Zeitgefühl dem Gefangenen zu schaffen machen, offenbart ein Gespräch zwischen beiden Männer die Dämonen seiner Vergangenheit, – und mit ihnen einen Film, der seinen einzigen Schauplatz, eine kleine Stelle mitten im Wald, nur in Ausnahmen verlässt. Das schlichte Konzept sorgsam über anderthalb Stunden erschöpfend, verdichtet der Film von Marc Schölermann Begegnungen und Befinden seiner Hauptfigur zu einem überwiegend ruhig erzähltem Survival-Thriller.
Auf visueller Ebene ist es dabei nicht nur das Seil, welches den Mann an einer Flucht hindert, es sind auch die Bäume des Waldes, die sich wie Gitterstäbe um den von Michael Weston gespielten Protagonisten reihen. Jenen ergründet der Film mittels Halluzinationen und dosiert gesetzten Flashbacks, vor allem aber über das Gespräch mit dem Fremden. Sonderlich tiefgreifend oder komplex sind deren Wortwechsel nicht, im Gegenteil mitunter kalenderspruchartig formuliert, liefern aber Einblicke in Wesen und Gedanken der Figuren. Atmosphärische Kameraeinstellungen und überzeichnete Wahnvorstellungen rahmen die Dialogszenen, spüren wie diese jedoch nie genug Futter für eine eingängige Figurenstudie auf.
Wie es in den Wald ruft, so schallt es heraus
Während Motivationen und Wissen des Fremden über die ungewöhnliche Ausgangslage lang undeutlich bleiben, ist die Charakterisierung und das Schicksal des Gefesselten, auch dank ähnlich gestrickter Survival- und Torture-Thriller, kaum überraschend. Ihre Dynamik trägt den Film zwar durch die überschaubare Kulisse, hat jedoch wenig Raum sich über die rätselhaften Hintergründe der Ausgangslage hinaus zu entwickeln. Mit Erwartungen des Publikums spielt das perfide Zwei-Personen-Stück dann, wenn es um die Ergründung dieser Hintergründe geht: Die Frage nach den vorangegangenen Ereignissen und dem Ausmaß derer bleiben bis zum Schluss der wesentliche, aber simplere Spannungsgenerator.
Fragestellungen nach Recht, Gerechtigkeit und Schuld reichen dem Film als abstraktes, theoretisches Horrorexperiment nicht aus, nach siebzig Minuten Rätselraten drängt der Film darauf, das Geschehen aufdröseln. Das geschieht bis zum gerissenen Ende auch recht zuverlässig, verliert im Vergleich zu der ungewöhnlichen, ihr Setting niemals bis ins Letzte ausspielenden Ausgangssituation aber an Reiz. Dieser liegt dann doch noch viel tiefer im Geäst und in der Psyche der Figuren, in einschnürenden Halluzinationen, der Hypnose des Waldes, im Mystischen und der Unklarheit verborgen.
Fazit
Das Phantomrascheln im Gehölz ist schon bald die geringste Sorge des unfreiwillig festgezurrten Protagonisten. In BARK erwartet ihn allen voran ein perfide eingefädelter Kampf ums Überleben, – das Publikum ein sorgsam konstruiertes, entschleunigtes Kammerspiel. Solide performt und mit Fokus auf der Dynamik der beiden Fremden dröselt der Film letztlich zu viel auf, als auf abstrakter Ebene und innerhalb seines Settings nötig gewesen wäre. Dem deutschen Genrefilm entlockt er dennoch immer mal wieder ein wirkungsvolles Bellen.
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Originaltitel | Bark |
Kinostart | 24.10.2024 |
Länge: | 89 minuten |
Produktionsland | Germany |
Genre: | Thriller |
Regie | Marc Schölermann |
Producer | Marc Schölermann | Beth Holmes | alexander steinhoff | tarik heitmann |
Cast | Michael Weston, A.J. Buckley, Ricky Watson, Lennon Sickels, Joana Vinogradoff, crazy horse |
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