FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kollegen
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Originaltitel: Dveselu putenis
DVD/Blu-ray – Release: 27.11.2020

FSK 16

FSK 16 ©FSK

Länge: ca. 109 Minuten
Produktionsland: Lettland
Regie: Dzintars Dreibergs
Schauspieler:innen: Oto Brantevics | Raimonds Celms | Martins Vilsons
Genre: Drama | Historie | Kriegsfilm
Verleih: Pandastorm Pictures

Blizzard of Souls - Zwischen den Fronten

Blizzard of Souls – Zwischen den Fronten ©2020 Maksis Kotovics Pandastorm Pictures

Lettland. Was wissen wir eigentlich über Lettland? Dies ist ein Land auf dem europäischen Kontinent – soweit richtig, aber mehr können wir doch in der Regel kaum darüber sagen. Mit den Nachbarländern Russland und Weißrussland befindet sich die Republik mit etwas weniger als zwei Millionen Menschen nahe zunehmender Proteste und politischer Krisen. Doch ist es auch umgeben von Estland und Litauen, die zusammen das Baltikum bilden und ähnlich wie die lettischen Gefilde nur selten in den Medien Deutschlands zu entdecken sind. Und das obwohl vor allem die lettische Geschichte über viele Jahrhunderte weg eng mit der deutschen verknüpft war – wenn auch zumeist nicht gerade vorteilhaft für die Region. Schon im 13. Jahrhundert wanderten die Deutschen dort ein und ließen sich nieder. In den folgenden Jahrhunderten wurden auf diesem Territorium immer wieder Kriege ausgetragen, die das gesamte Land arg beutelten und die Bevölkerung immer wieder arg dezimierte.

Doch die Geschichtsstunde kommt später, denn BLIZZARD OF SOULS – ZWISCHEN DEN FRONTEN beschäftigt sich mit eben jener ganz intensiv. Doch wie sieht es eigentlich mit der Filmkultur des Landes aus? Kennst du irgendeinen Film, aus lettischer Hand? Wohl eher nicht. Das liegt jedoch nicht daran, dass dort keine Filme produziert werden, sondern dass die existierenden Werke international eher kaum bis keine Berücksichtigung finden. Das jedoch soll sich nun ändern. Mit diesem Film wurde „die größte Low-Budget-Produktion in der Geschichte Lettlands“ realisiert. Dabei stimmt dieses Zitat des Regisseurs Dzintars Dreibergs nicht mal ganz, denn eigentlich gehört das Werk zu den teuersten Filmen der lettischen Kunstszene, denn das Budget lag bei ganzen 2,5 Millionen Euro.

Darum geht es…

Der Film erzählt die Geschichte des jungen Artūrs Vanags, der mit gerade einmal 16 Jahren in den Krieg ziehen muss – nicht in irgendeinen, sondern den ersten Weltkrieg. Die Truppen des russischen Zaren stehen vor der Tür Lettlands – doch nicht um Krieg gegen die Letten zu führen, sondern um deutsche Truppen auf ihrem Weg ins russische Reich zu schwächen und ihnen Rohstoffe und Unterkünfte zu verwehren. Der scheinbar große Feind Deutschland muss mit allen Mitteln aufgehalten werden und so schließt sich der Junge zusammen mit seinem Vater der russischen Armee an. Seit‘ an Seit‘ geben sie ihr Bestes, müssen jedoch schnell feststellen, dass sie längst nicht mit ihrem Regiment mithalten können. Letztendlich landet er jedoch immer wieder an der Front. Insbesondere als sich ein Umdenken in den lettischen Soldaten breit macht. Eigentlich möchten sie nur ihre Ruhe und eine unabhängige Nation – womöglich sind die deutschen Truppen doch eher Befreier als Mörder?

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Rezension

BLIZZARD OF SOULS – ZWISCHEN DEN FRONTEN erzählt eine fast schon wahre Geschichte, denn die Handlung beruht auf dem gleichnamigen Roman von Aleksandrs Grīns, der gerade einmal 46 Jahre alt wurde und im zweiten Weltkrieg hingerichtet wurde. Mit etwa 20 Jahren diente er bei den lettischen Schützen in der russischen Armee und kämpfte anschließend im Lettischen Unabhängigkeitskrieg. Er sammelte viel Erfahrung und Eindrücke und verfasste mehrere Werke, die sich mit den kriegerischen Auseinandersetzungen beschäftigten. Regisseur Dzintars Dreibergs zeigt uns nun diese Erfahrungen aus der Perspektive eines nicht einmal volljährigen Jungens, der in einer äußerst schrecklichen Zeit groß geworden ist. In der Regel sind jedoch solche Kriegsfilme äußerst teuer und aufwendig. Mangels eines vergleichbar großen Budgets wurde viel improvisiert, um die gezeigten Szenen möglichst realistisch zu inszenieren und dabei nicht auf pompöse Explosionen und Entwicklungen zu verzichten.

Blizzard of Souls - Zwischen den Fronten

Blizzard of Souls – Zwischen den Fronten ©2020 Maksis Kotovics Pandastorm Pictures

Und dies ist dem gesamten Team auch glänzend gelungen, denn wir bekommen äußerst beeindruckende Bilder zu sehen, die weitestgehend noch ohne digitale Nacharbeitungen auskommen und mit viel künstlerischem Geschick aufgewertet wurden. Hierzu ist es äußerst empfehlenswert einmal einen Blick in das Bonuswerk der Blu-ray zu werfen, denn dort wird beeindruckend gezeigt, wie kreativ Setdesigner, das Kamerateam, Maskenbildner und sonstige wichtige Posten des Drehs wurden, um den Film zu perfektionieren. Leider jedoch wurden genau an dieser Stelle auch einige Fehlerchen gemacht, die mit der Zeit doch recht arg ins Auge fallen, denn irgendwie wirkt alles etwas zu „Schlimm-Schick“, wie es Antje Wessels einmal zu einem Film sagte. Wir bekommen zwar grausige Bilder von Leichenbergen und zerbombten Feldern zu sehen sowie viele Verletzungen aller möglichen Darstellungen, doch wirken die Soldaten nach mehreren Stunden im Schützengraben immer noch viel zu schick und fein.

Bildgewaltig und lobenswerte Ansätze

Leider ist dies jedoch nicht die einzige Schwierigkeit von BLIZZARD OF SOULS – ZWISCHEN DEN FRONTEN. Gerne habe ich gesehen, wie sich die Geschichte entwickelt hat – insbesondere, wenn wir kulturelle Einblicke in die lettische Lebenskultur erhalten haben. So werden uns unter anderem Volksgesänge und Tänze gezeigt. Auf der anderen Seite wurde es nicht geschafft mich wirklich emotional an die Hauptfigur oder die Handlung zu binden. Durch viele Zeit- und Ortswechsel, die oftmals sehr willkürlich wirkten, war es schwer den roten Faden im Blick zu behalten und die Idee, dass der Zuschauer zusammen mit dem Protagonisten das Kriegsgebaren erlernt, verpuffte eher zu einem lobenswerten Wunschgedanken. Jegliches Bemühen war deutlich erkennbar und bekommt auch aller höchsten Respekt von mir, denn alle im Filmteam scheinen weit über ihre Fähigkeiten hinaus gewachsen zu sein, doch hat es meiner Ansicht nach nicht gereicht mein Interesse dauerhaft aufrecht zu erhalten.

Blizzard of Souls - Zwischen den Fronten

Blizzard of Souls – Zwischen den Fronten ©2020 Maksis Kotovics Pandastorm Pictures

An dieser Stelle sei gesagt, dass gerne The Hollywood Reporter zitiert wird mit dem Satz: „Ein realistischeres, 1917“, was doch schon eine sehr pompöse Beschreibung des Films ist und Erwartungen schürt, die kaum eingehalten werden können. Ohne Frage scheint für diesen Film eine noch fundierte geschichtliche Grundlage zu existieren, doch vergleicht man hier doch ein wenig Äpfel mit Birnen oder nicht? Zeigt uns 1917 nicht nur einen einzigen Tag eines jungen Soldaten, der sich mit einer wichtigen Mission alleine durch ein riesiges umkämpftes Gebiet schlagen muss, während wir in BLIZZARD OF SOULS – ZWISCHEN DEN FRONTEN doch eigentlich nur den Werdegang eines jungen Soldaten verfolgen und die dabei wahrgenommenen Erlebnisse vor Augen geführt werden? Ob hier also tatsächlich ein solcher Vergleich sinnvoll ist, wage ich eher zu bezweifeln.

Doch lohnt sich BLIZZARD OF SOULS wirklich?

Es gab jedoch eine starke Passage, die sich relativ am Anfang des Films abspielte, die ich euch nicht verschweigen möchte. Der Zuschauer bekommt hier zu sehen, wie die Soldaten nach ihrer bürokratischen und medizinischen Auslese erstmalig in ein Übungslager kommen, um dort reale Szenarien zu simulieren und in das übliche Schlachtgeschehen eingeweiht zu werden. Dort bekommen wir noch ein recht lebhaftes und von Feiern und Scherzen geprägtes Bild der Truppe präsentiert, welches sich jedoch schlagartig ändert, als plötzlich ein Flugzeug dieses Lager überquert und einen Bombenangriff beginnt. Dieser dargestellte Realisierungsprozess, dass all die Übungen nicht nur ein dummer Scherz sind, sondern bitterer Ernst, ist wirklich stark präsentiert wurden und hat mich tatsächlich sehr positiv überrascht. Abseits davon hat sich nämlich leider in der Dramaturgie nicht mehr viel ergeben, dass Begeisterungsströme mit sich bringen konnte. Schade eigentlich.

Blizzard of Souls - Zwischen den Fronten

Blizzard of Souls – Zwischen den Fronten ©2020 Maksis Kotovics Pandastorm Pictures

Bleibt abschließend nur noch der Blick darauf, ob ich euch den Film nun tatsächlich empfehlen kann oder nicht? Ich will es mal so sagen: Insbesondere, wenn man sich das Making Off einmal ansieht, zeigt sich mit welcher Begeisterung und welcher fachlichen Kompetenz hier gearbeitet wurde und dass es frevelhaft wäre diesen Film nicht weiter zu empfehlen bei diesen ganzen Bemühungen. Angesichts der begrenzten Möglichkeiten wurde uns nämlich ein äußerst hochwertiges Filmereignis beschert. Dennoch muss ich leider feststellen, dass mir dies nicht ausreichte, um die gesamte Laufzeit mit Leben zu füllen und dementsprechende Begeisterung aufrecht zu erhalten. Spätestens nach dem ersten Drittel steckt die Handlung einfach in einem unangenehmen Trott, der jegliche Bindung zum Film und zu den Figuren nicht aufrechterhalten kann. Somit kann ich nur sagen: Lohnend ja, aber es gibt einfach viel zu viele emotional ansprechendere Kriegsfilme mit mehr Tiefgang.

Kriegsfilme gibt es in der heutigen Zeit wie Sand am Meer. Gerade die deutschen und US-amerikanischen Produktionsstätten laufen auf Hochtouren und bringen fast jährlich einen neuen Weltkriegsepos auf die Leinwand. Eher ungewöhnlich ist es jedoch die bekannten Ereignisse einmal aus der lettischen Perspektive kennen zu lernen und dann auch noch durch die Augen eines gerade einmal 16jährigen Jungen, der zusammen mit dem Zuschauer in die Welt der Gewalt und Kriegsprozesse eintauchen muss. Grundlegend klingt dies schon äußerst spannend und die Story liefert auch tatsächlich einige großartige Momente, doch sind diese letztlich nur sehr spärlich gesät.

Die Begeisterung der Zuschauer wird viel mehr auf die bildgewaltigen Darstellungen gelenkt, die lobenswerterweise zu großen Teilen noch wirklich mit existierenden Requisiten, Masken und Landschaften ausstaffiert wurden. Mit geschickten künstlerischen Tricks wurden zudem auch viele Spezialeffekte realisiert, die uns ein tolles visuelle Filmvergnügen bereiten und vor denen ich absolut meine Hut ziehen muss. Aber reicht das für einen guten und starken Film? Leider nicht so recht, denn leider wurde es nur anfänglich und zeitweise geschafft mich emotional an den Protagonisten oder die Handlung zu binden – recht schnell löste sich die Verbindung jedoch auf, denn tolle Bilder sind einfach nicht alles in einem guten Film. Ich möchte hier noch einmal explizit die Arbeit des gesamten Filmteams loben, denn es ist eine Meisterleistung, die sie dort bewerkstelligt haben angesichts der lokalen Gegebenheiten. Dennoch merkt man dem Film eben auch an vielen Stellen das fehlende Budget an und das ist wirklich schade. Ich freue mich dennoch sehr darauf wieder einmal ein Werk aus Lettland schauen zu dürfen!

Blizzard of Souls - Zwischen den Fronten

Blizzard of Souls – Zwischen den Fronten ©2020 Maksis Kotovics Pandastorm Pictures