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Review Fakten + Credits


Während seine zur Zeit der chinesischen Kulturrevolution spielende Kino-Hommage EINE SEKUNDE nach dem Aufsehen erregenden Rückzug von der 69. Berlinale nun Mitte Juli in deutschen Kinos zu sehen ist, erscheint Yimou Zhangs aktuellster Film mit dem Titel CLIFF WALKERS hierzulande direkt im Heimkino. Das neue Werk des chinesischen Filmschaffenden, der unter anderem für ROTE LATERNE (1991) vielfach ausgezeichnet und diskutiert wurde, ist ein Spionagethriller im verschneiten Gewand. Ein atmosphärischer Historienausflug in die Zeit unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, der niemals an seine gesellschaftskritischen Frühwerke heranreicht, enttäuschende US-amerikanische Koproduktionen wie THE GREAT WALL aber mit Leichtigkeit in den Schatten stellt.

Cliff Walkers

Cliff Walkers ©2022 Koch Films

Dieser mit Matt Damon besetzten Fantasy-Action hätte eine direkte Disc-Veröffentlichung wesentlich besser gestanden als dem chinesischen Oscar®-Kandidat für den Besten Fremdsprachigen Film 2022, der seine größten Stärken aus der Optik, Ausstattung und Hintergrunddetails zieht. CLIFF WALKERS ist in erster Linie atmosphärisches Genrekino, welches die Leinwand zweifelsohne ausfüllen könnte, nun jedoch in hochwertiger Bildqualität auf Blu-ray und DVD erscheint.

Darum geht es

Mandschuko unter der japanischer Besetzung, 1930er Jahre: Vier Agent*innen der Kommunistischen Partei Chinas sollen einen Gefangenen befreien, der Menschenrechtsverletzungen der japanischen Armee bezeugen kann. Um ein Gelingen der Mission zu ermöglichen, teilen sich die Spezialkräfte unter herausfordernden Bedingungen auf. Doch schnell stellen sie fest, dass sich ein Verräter in ihren Reihen befindet, der die Geheimoperation und das Leben der Spionageeinheit gefährdet …

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Rezension

Die Intrigen lassen nicht lang auf sich warten: schon innerhalb der ersten zehn Minuten werden Pläne durchkreuzt, Menschen verraten und Konspirationen gesponnen, dass die Handlung rasch ähnliche Form annimmt wie das dichte, andauernde Schneegestöber. Schlag auf Schlag springt der Film zwischen den aufgeteilten Gruppierungen und deren japanischen Verfolgern hin und her und verzichtet bis auf eine vorangestellte mehrsekündige Texttafel darauf, dem Publikum präzise Einführungen oder Erklärungen zu geben.




Leise rieselt der Schnee …

Sind die Figuren und verschiedenen Parteien erst einmal positioniert, entfaltet sich der Thrill der Geschichte, deren mitunter verschachtelte Erzählweise zwar Aufmerksamkeit verlangt, den Großteil ihrer Wirkung aber auch aus der Inszenierung zieht. Im Vordergrund stehen weniger die Persönlichkeiten der unter anderem von Zhang Yi, Qin Hailu und Zhu Yawen gespielten Figuren, sondern deren politischen Zugehörigkeiten, Verwicklungen und das Verschränken und Agieren dieser in verschiedenen Kontexten. Yimou zieht Großes aus überschaubaren Settings, einem Zug oder verschneiten Gassen, entfacht eine regelrechte Sogwirkung, die getreu dem Spionagethriller über simple Emotionalitäten und Entwicklungen der Charaktere hinwegtäuschen kann.

Cliff Walkers

Cliff Walkers ©2022 Koch Films

Die Schneeflocken stöbern als geschickte Irreführung über erzählerisch unorganischen Zusammenwüchsen, während sich spannungsreiche Ruhemomente so lang anstauen, bis sie sich in übersichtlichen Actionsequenzen entladen. Jene gewinnen in der wendungsreichen Erzählung niemals Überhand. Zu sehr ist CLIFF WALKERS auf das Verwirr- und Intrigenspiel fokussiert, innerhalb dessen das einseitig kaltblütige Auftreten der Japaner nicht ohne politisch-ideologische Färbung auskommt.

… und es fließt Blut

In CLIFF WALKERS wird jedoch nicht nur intrigiert und hintergangen, vor allem auf Feindesseite wird auch explizit gefoltert. Szenen, die wegen ihres frequentierten, im Feindeslager angesiedelten Auftretens und ihrer beinah ausbeuterischen Bildhaftigkeit bitteren Beigeschmack hinterlassen können. Auch darüber hinaus setzt Yimou Gewalt mitunter kurz, aber betont ein, lässt auch das menschliche Auge nicht unangetastet.

Cliff Walkers

Cliff Walkers ©2022 Koch Films

Glücklicherweise ist der Film dann am Stärksten, wenn er weder auf entschiedene Gewaltdarstellungen noch auf Actionmomente zurückgreift, stattdessen Figuren unterschiedlichster Parteien in einem winterlich-brodelnden Kessel aus Verschwörungen zusammentreffen lässt. Dann stechen auch Details wie die Plakatierung eines Kinos im Hintergrund hervor, die Musik erweist sich als spannungstreibend und die Ausstattung als echter Hingucker. All das sorgt für durchaus mitreißendes Heimkino, befreit den Film jedoch nicht von einigen Längen oder heroisch-pathetisch überspitzten Einzel- und Aufopferungsmomenten.

Fazit

CLIFF WALKERS erinnert an ein Puzzlestück, bei welchem gelegentlich ein Puzzleteil im dichten Schneegestöber verloren geht. Ein Film, der sprunghaft und ohne weitführende Exposition beginnt, jedoch nach und nach an Sogwirkung gewinnt. Wenn er seine Atmosphäre und die Verstrickungen seiner Charaktere einmal ausspielen kann, bietet er vor allem für Genrefans packende Spionagethrillerkost. Der neue Film von Zhang Yimou ist nicht immer rund, auch nicht subtil und durchgehend nervenaufreibend, jedoch stimmungs- und überwiegend ruhevoll, detailliert und bildstark in Szene gesetzt.

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