Bewertung Michel Rieck

FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kollegen
Jetzt auf Amazon kaufen Originaltitel: Koma
Kinostart: 06.02.2020

DVD/Blu-ray – Release: 03.04.2020

FSK 12

FSK 12 ©FSK

Länge: ca. 111 Minuten
Produktionsland: Russland
Regie: Nikita Argunov
Schauspieler:innen: Lyubov Aksyonova | Milos Bikovic | Rinal Mukhametov
Genre: Sci-Fi | Action
Verleiher: capelight pictures

Coma

Coma ©2020 capelight pictures

Inszeniert hat das Werk der Regisseur Nikita Argunov, der zuvor schon das russische Marvelpendant GUARDIANS gedreht hat, welches in Russland einen riesigen Erfolg erzielte und ebenfalls in kleinem Maße auch die internationale Bühne erreichte. Dies sind jedoch die beiden einzigen Filme seiner Vita, was dessen Leistung umso imposanter dastehen lässt, da beide Werke doch ein Niveau erreichen, dass viele internationale Regisseure erst deutlich später ankratzen können.

Die Bedeutung von Koma

Der Begriff Koma ist wohl allgemein bekannt und da ich kein Wissenschaftler bin (daher sind Ungenauigkeiten durchaus möglich), ist es auch schwer diesen noch umfassender zu umreißen als das dies eine Form der völligen Bewusstlosigkeit ist, die über längere Zeit anhält. Anhand des Titels ist es eher nicht überraschend, dass es genau darum geht. Bei einem Koma gibt es vier verschiedene Zustandsgrade:

  1. Grad – gezielte Abwehr auf Schmerz
  2. Grad – ungerichtete Abwehr auf Schmerz
  3. Grad – keine Abwehr, nur noch Fluchtreflexe
  4. Grad – keine Schmerzreaktion, keine Pupillenreaktion, Ausfall weiterer Schutzreflexe

Für diesen Film speziell ist jedoch das künstliche Koma, welches eigentlich gar kein Koma ist sondern viel mehr eine Sedierung oder Langzeit-Narkose. Bisher ist den Wissenschaftlern noch nicht in Gänze klar, welche Gehirnleistungen alles herabgesetzt werden bei dieser Methode: Wachheit, Stress, Schmerzempfindung, Angst, motorische Reaktionen und/oder Erinnerungen. Häufig werden Unfallpatienten zeitweise ins künstliche Koma versetzt, um eine Genesung komplikationsfrei anzugehen.

ComaDarum geht es…

So auch in COMA, in welchem Viktor einen schrecklichen Autounfall hatte. Aufwachen tut er bei sich zu Hause, doch irgendetwas ist komisch. Allen Orten, Gegenständen und Menschen scheinen unerklärliche Löcher und Schäden zu besitzen, die sich jedoch in einzelnen Partikeln wieder regenerieren. Sowas hat er noch nie zuvor gesehen. Und plötzlich taucht auch noch ein seltsames Monster auf, dass ihn anzugreifen beginnt. Gerade richtig tauchen ein paar völlig fremde auf, die ihn retten und ihm Stück für Stück die gegenwärtige Realität erklären.

Er befindet sich nämlich in einer komatösen Welt, die für alle Menschen die Gleiche ist. Jeder Komapatient wird im Geiste in diese Welt geführt, die zumeist aus Erinnerungen und Träumen geschaffen wird. Das große Ziel ist es natürlich aus dieser Umgebung zu entkommen und zurück ins alte Leben zu finden, doch solange dies nicht möglich ist, müssen alle dort lebenden einen sicheren Ort finden, denn die Monster sind Kreaturen, die durch Menschen erschaffen wurden, die klinisch tot sind, aber bei denen Verwandte noch nicht gestattet haben, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen eingestellt werden. Werden sie es also schaffen sich vor dieser Gefahr zu schützen?

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Rezension

So simpel die Story eigentlich klingt, so komplex ist die künstlerische Umsetzung tatsächlich geworden. Nikita Argunov hat es geschafft eine fantastische und visuell komplexe Welt zu erschaffen, die in sich vollkommen schlüssig ist und damit den Zuschauer aus dem stupiden Alltag in ein völlig anderes Leben hinein katapultiert. Auf jedem Zentimeter der Leinwand passiert scheinbar immer irgendetwas, so dass selbst beim zwanzigsten Angucken des Films noch immer neue kleine visuelle Spielerein zu finden sind, die einem zuvor nicht aufgefallen sind. Da diese Erlebnisse zumeist aus erdachten Erinnerungen bestehen ist auch klar, dass viele internationale Sehenswürdigkeiten zu finden sind, denn wer von uns, egal ob er/sie je dort war oder nicht, könnte nicht erklären wie der Big Ben oder die Golden Gate Bridge aussieht?

Coma ©2020 capelight pictures

Doch damit nicht genug, denn auch Abseits der bereits bekannten Bilder hat die Umgebung viel zu bieten. So sind die Reaper – so heißen die bösartigen Lebewesen – eine unerklärliche wage Gestalt, die nicht wirklich beschreibbar ist, weder im Aussehen noch in den Fähigkeiten. Damit stellen sie eigentlich genau das dar, was sich jeder in der Vorstellung zusammenbastelt, wenn man von düsteren, gefährlichen und undefinierbaren Kreaturen spricht.

Kreativ auf wankenden Wegen

Ein wesentlicher Erfolgsaspekt ist auch das kreative Loslösen von bekannten konventionellen Darstellungen, in denen immer noch gewisse physikalische Gesetze gelten. Hier werden so ziemlich alle Regeln der Physik außer Kraft gesetzt, so dass es kein richtige oben und unten, links und rechts, vorne und hinten mehr gibt. Diese Szenarien sind bereits aus Filmen wie DOCTOR STRANGE und INCEPTION bekannt, wobei COMA tatsächlich auch häufiger mit dem russischen INCEPTION verglichen wird – völlig zurecht. In gewisser Form ist alles möglich und doch nur bedingt machbar.

Coma

Coma ©2020 capelight pictures

Und genauso wie die Visualisierung der Phantasie freien Lauf lässt, entwickelt sich auch die Geschichte selbst nicht ganz gradlinig und nimmt schnelle, plötzliche Wendungen, die kaum bis gar nicht vorherzusehen sind. Genau in dem Moment als nämlich der Zuschauer sich an all die tolle Bilder gewöhnt hat und sie anfangen langweilig zu werden, wird dieser herausgerissen und in völlig neue Handlungsstränge verfrachtet. Zwar läuft die Story dabei auf ein erwartbares Ende zu, liefert jedoch gleichzeitig auch einen kreativen Ansatz dieses versöhnlich und überraschend zugleich zu gestalten.

Zur schauspielerischen Leistung gibt es eigentlich nicht so viel zu sagen. Alle Darsteller haben souverän ihre Rolle verkörpert und dabei auch entsprechend gut auf die sehr ungewöhnliche Interaktion mit nicht physikalischen Gesetzen reagiert. Da es ausnahmslos russische Darsteller gibt, ist nicht bewertbar, ob sich jemand besser oder schlechter zur Schau gestellt hat, als es sonst üblich ist, denn keines der Gesichter hat man je zuvor gesehen. Rein aus diesem Aspekt heraus bin ich eigentlich sogar recht zufrieden mit dem, was tatsächlich geleistet wurde.

Coma

Coma ©2020 capelight pictures

Überraschend positiv mit kaum nennbaren Makeln

Etwas spannender ist da natürlich die technische Umsetzung, auch wenn ich dazu schon mehrere Worte verloren habe. Das CGI ist überraschend gut und weitestgehend besser als in vielen Produktionen der restlichen Welt. Natürlich gibt es auch hin und wieder Momente, an denen man besser mal kurz die Augen schließen sollte, da sie doch etwas arg weit weg von der Realität scheinen (abgesehen davon, dass natürlich die Welt keine reale darstellt). Dafür erlangen die Szene umso mehr Kraft durch die doch recht starke musikalische Komposition, die sich fabelhaft mit der Handlung vereint und damit zusätzlich Spannung und Brisanz aufbaut.

Im gesamten Rückblick lässt sich zusammenfassen, dass die Russen mich tatsächlich positiv überrascht haben mit ihrem Werk. Schon im vergangenen Jahr haben sie dies mit dem Film ABGERISSEN geschafft, der jedoch eher eine Low-Budget-Produktion war, während COMA wie ein Multimillionen-Dollar-Projekt wirkt. Imposant, spannend, sehenswert und ausgestattet mit einigen tollen Wendungen präsentiert sich das Werk dem Publikum.

Weitestgehend als russisches INCEPTION bezeichnet, gibt es tatsächlich kaum einen besseren Vergleich. Abgesehen davon ist jedoch wirkt COMA jedoch viel konzentrierter auf eine klare, schlüssige und leicht nachzuvollziehende Handlung, die dennoch durch unzählige Wendungen arg an Komplexität gewinnt und damit den Zuschauer immer neu zu überraschen weiß. Dieser Film ist wie gemacht für das Kino, da er viel für das Auge zu bieten hat und immer wieder neue Facetten offenbart, welche auch im Sounddesign bestens abgestimmt sind. Unbekannte Darsteller liefern einen unverblümten Blick auf das Werk und das tut diesem auch recht gut. Logisch inszeniert in einem gradlinigen Handlungsstrang bleibt immer ein wenig Platz für Überraschungen, auch wenn insbesondere das Ende, welches durchaus auch die Möglichkeit für einen zweiten Teil offenhält, schon frühzeitig klar erkennbar ist. Unterhaltungskino auf modernster technischer Ebene für die heimischen vier Wände… genau das, was aktuell wohl jeder gut vertragen kann!

Coma