Originaltitel: Crisis
DVD/Blu-ray – Release: 21.05.2021
Länge: ca. 118 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Nicholas Jarecki
Schauspieler:innen: Gary Oldman | Armie Hammer | Evangeline Lilly
Genre: Drama | Thriller | Action
Verleih: capelight pictures
Im Zuge der Opioidkrise in den USA kam es vor einigen Jahren zu einem rasanten Anstieg der Todesfälle und Drogenabhängigen in Verbindung mit Opioid-Schmerzmitteln, die zuvor legal von Ärzt*innen an Patienten verschrieben worden waren. Überdosierungen und die Einflüsse großer, amerikanischer Pharmafirmen, sorgten für eine massenhafte Verbreitung der Medikamente und eine hohe, fast schon epidemische Opferzahl. Von legalen Opioiden abhängig geworden, entwickelte sich die Zahl der Todesfälle in den späten 2010er Jahren immer drastischer, sodass der damalige US-Präsident Donald Trump im Jahre 2017 sogar den medizinischen Notstand ausrief. Bereits seit einigen Jahren wurden diese Fälle und deren Hintergründe nun vor Gericht aufgearbeitet, Milliardengelder an Schadensersatz flossen und beteiligte Pharmakonzerne meldeten Insolvenz an. Im Mai kommt nun ein Film ins deutsche Heimkino, der sich ebenfalls mit dieser Thematik auseinandersetzt. Das geschieht in dem Falle zwar nicht mit einer nüchternen, fast schon dokumentarischen und dennoch zugkräftigen Erzählweise wie zuletzt VERGIFTETE WAHRHEIT eine vertuschte Umweltkrise aufbereitete, dafür in Form eines seichten und gemächlichen Crimethrillers.
DARUM GEHT ES
Vor dem Hintergrund dieser wahren Begebenheit verfolgt der Zuschauer drei verschiedene Handlungsstränge und drei unterschiedliche Blickwinkel auf die Geschehnisse. Einer davon dreht sich um die alleinerziehende Mutter Claire (Evangeline Lilly), die selbst einmal drogenabhängig gewesen war und verzweifelt herauszufinden versucht, in welche zwielichtigen Geschäfte ihr Sohn unverhofft verwickelt war. Außerdem verfolgt man den Undercover-Einsatz eines DEA-Agenten (Armie Hammer), der in einen großangelegten Schmuggelhandel mehrerer Kartelle zwischen den USA und Kanada verwickelt ist und obendrein auch noch familiäre Sorgen besitzt. Zu guter Letzt steht ein alter Universitätsprofessor (Gary Oldman) im Vordergrund, der auf beunruhigende Forschungsergebnisse aufmerksam wird, fortan versucht, sich gegen die Politik der großen Pharmafirmen und den Vertrieb süchtig machender Schmerzmittel zu stellen und dabei gezwungenermaßen mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird.
DIE KRISE DES FILMS
Im Grunde werden also drei voneinander unabhängige Geschichten erzählt, die zwar alle unter dem Oberthema der Opioidkrise stehen, sich untereinander aber nur bedingt beeinflussen und überschneiden. Dafür gibt es überall kleine Subplots, die mal die Genre Crimethriller, Familiendrama oder Politthriller streifen, ohne eine dieser Richtungen ausführlicher auszubauen. Dabei nutzt man die wahren Geschehnisse zwar als Hintergrund, bei genauerer Betrachtung scheinen die Bezüge dazu aber eher beliebig und wie aus einem althergebrachten Thrillerguss. Die Auswirkungen und das Leid werden zwar angerissen, aber längst nicht so alarmierend und weitreichend dargestellt, wie sie sich bei einer nachträglichen Recherche offenbart haben.
Gründe dafür reichen von der erzählerischen Beschränkung auf ein fiktives Medikament namens „Klaralon“ bis zu Crime- und Thrillerklischees á la der typische Kartellboss und seine Schergen und das Suchen nach einem Maulwurf in den eigenen Reihen. Mit seinen unterschiedlichen Episoden bietet der Film über seine zwei Stunden genügend Abwechslung, scheint aber immer wieder nur an der Oberfläche des Ganzen zu kratzen und sich lieber auf konventionelle Handlungsstrukturen und Charaktere zu verlassen.
WIRKLICH EIN THRILLER?
Armie Hammer als gebeutelter Undercover-Agent, Evangeline Lilly als mitgenommene, aber kämpferische Mutter und Gary Oldman, als wissenschaftlicher Underdog im Kampf gegen das System, können ihre Handlungsstränge zwar tragen, wirklich überzeugend ist jedoch bestenfalls Oldman, auch wenn seine Performance gegen andere seiner Karriere schnell vergessen sein dürfte. Die Figuren leiden häufig an herkömmlichen Charakterzeichnungen, wie zum Beispiel der mürrische und unnahbare Agent oder der Einzelkampf gegen ein bestehendes System. Fügt man den Charakteren dann wunde Punkte hinzu, sind die nicht sonderlich originell, sondern meistens große emotionale Bezugspunkte familiärer Natur, die subtiler gezeigt oder gar hätten fallen gelassen werden können. Über den kleinen Auftritt von Veronica Ferres soll an dieser Stelle einmal besser der Mantel des Schweigens gehüllt werden.
In einem treibenden und spannungsgeladenen Thriller wäre das vielleicht nicht weiter aufgefallen, doch die deutlich gemächliche und stellenweise auch spannungsarme Herangehensweise, bis auf ein oder zwei Szenen gibt es kaum Actionmomente, legt eben einen größeren Fokus auf Handlung und Charaktere. Und wo VERGIFTETE WAHRHEIT, um das Beispiel vom Anfang noch einmal hinzuziehen, aus seiner Langsamkeit und Drögheit seine enorme Stärke zieht und die Dringlichkeit seiner Geschichte über zwei Stunden hinweg förmlich in den Zuschauer hineindrückt, bleibt CRISIS eher zurückhaltend und blendet lieber über zum nächsten Handlungsstrang.
Eine durchweg hochwertige Produktion, sowie ein paar schöne Kamerashots, sorgen jedoch dafür, dass der Film nie einen nennenswerten Tiefpunkt erreicht. Als entschleunigter Thriller kann er außerdem als Gegenbeispiel für viele temporeiche Genreverteter stehen, gegen diese behaupten, kann er sich allerdings nicht. Dafür fehlt es ihm an Intensität, an Glaubhaftigkeit und auch an Nervenkitzel.
FAZIT
CRISIS bietet eine interessante Ausgangslage, die größtenteils gemächlich und solide ausformuliert wird. Doch weder kann er mit seinen Schauspielern noch mit seinen einzelnen Strängen über das zugegebenermaßen gut aussehende Mittelmaß hinaus schlagen. Der Perspektivwechsel zeigt zwar interessante Ansätze, bleibt dann aber irgendwann in generischer Einheitskost stecken. Noch dazu wirkt die schwerwiegende Bedeutung der dahinterstehenden wahren Begebenheit im Nachhinein und im Vergleich mit anderen filmischen Beispielen deutlich abgeschwächt. Ein Film ohne wirkliche Höhen und Tiefen, die sich je nach Erwartungshaltung noch stärker in die eine oder andere Richtung gewichten dürften.
Schauspieler:in | Rolle |
Gary Oldman | Dr. Tyrone Brower |
Armie Hammer | Jake Kelly |
Evangeline Lilly | Claire Reimann |
Greg Kinnear | Dean Talbot |
Michelle Rodriguez | Supervisor Garrett |
Luke Evans | Dr. Bill Simons |
Lily-Rose Depp | Emmie Kelly |
Guy Nadon | Mother |
Veronica Ferres | Dr. Meg Holmes |
Kid Cudi | Ben Walker |
Indira Varma | Madira Brower |
Martin Donovan | Lawrence Morgan |
Mia Kirshner | Susan |
Nicholas Jarecki | Stanley Foster |
Michael Aronov | Minas |
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