gesehen im Rahmen der 59. Internationalen Hofer Filmtage

Liebe geht durch den Port – CYBERPUNK ROMANCE von Joscha Douma

Unbegrenzter Zugang zu Wissen? Das Schmerzzentrum im Kopf ausschalten? Durch Erinnerungen scrollen wie durch die Filmauswahl einer Mediathek? Ports, über die Menschen mit Computern verknüpft werden können, ermöglichen nahezu alles. Painkiller, Mentalmovies, Mind-Q – die futuristischen Worthülsen fallen Schlag auf Schlag. Bleiben während der gesamten Spielzeit Joscha Doumas dystopischem Spielfilmdebüt aber häufig genau das: Schlagworte. Viel mehr als um die Zukunftstechnologie und die damit verbundenen ethischen und moralischen Konflikte, geht es um das, was der Titel in den Vordergrund stellt: Liebe.

Allem voran um die zwischen Mona (Naemi Florez) und Milo (Jannik Schümann), zwischen ihr, die sich aus Sorge um den Zustand Milos, nachdem dieser in ein neurotechnisches Koma fällt, aufopfert, um ihn zu retten, und ihm, der aus Liebe zu ihr mehr als nur eine Grenze überschreitet. Ähnlich plump wie die name-droppende Exposition, erkundet der Film ihre private Beziehungsgeschichte in groben Erinnerungs-Flashbacks. Das spätere Dilemma erhält sein Gewicht somit am ehesten durch sich selbst, anstatt durch gewissenhafte Charakterisierungen oder Beziehungszeichnungen. Und ist auch leider das einzige, in welches sich CYBERPUNK ROMANCE ansatzweise vortraut.

Zwei Personen liegen nebeneinander auf einem Teppich mit buntem, geometrischem Muster. Beide ruhen auf Kissen mit ähnlichem Muster. Die Person links trägt ein schwarzes Oberteil, die Person rechts ein grünes, netzartiges Oberteil über einem weißen Hemd. Beide haben kurze, lockige Haare. Durch ein Kabel und Ports an ihren Köpfen sind sie miteinander verbunden. [erstellt mit KI]

Cyberpunk Romance © 2025 Hofer Filmtage

Ganz im Gegenteil zu Monas anfänglichen Bedenken, sich mit dem Legen eines Ports den großen Tech-Firmen auszuliefern oder der Selbstverständlichkeit, mit der sie die intimsten Momente Milos durchwühlt – ja, auch das Aufbegehren gegen die Tech-Companies, die bestenfalls Schemen unserer Gegenwart abbilden, bleiben unbeschreiblich blass und so gar nicht aufwühlend. So wie auch die Emotionen, die weder die aufgesetzten Dialoge, die deutliche Symbolik, noch von der kleinen, solide ausgestatteten, aber ungenutzten (Fabrik-)Kulisse oder einer regen, entschlossenen Naemi Florez in der Hauptrolle wirksam geschürt werden. Ein deutscher Genrefilm mit Fragen und Gedanken zu groß für die Geschichte, auf die er sich konzentriert, mit oberflächlichem World-Building und beim Thema Stottern als verhasster Brainbug mit mindestens unglücklicher Wortwahl.

Fotografien aus der Zukunft – LE TEMPS von Francois Delisle

Stimmen aus einer Zukunft, die der Klimawandel maßgeblich prägt oder schon unveränderlich geprägt hat. Die eines jungen Mannes (Dominick Rustam-Chartrand) auf der Flucht vor dessen Folgen, die einer jungen Mutter (Emmanuelle Lussier‑Martinez), die sich mit der Zukunft und der ihres Kindes auseinandersetzt, die eines Agenten (Laurent Lucas), der aus einem System ausbrechen will und die einer desertierten Soldatin (Rose‑Marie Perreault), die sich einem nomadischen Stamm anschließt. Vier Geschichten, vier unterschiedliche Zeiten, die formal vor allem eines eint: sie sind durch Standbilder und die Voice-over ihrer Protagonist*innen erzählt. Auf entschleunigte, aber keineswegs wenig aufwühlende Art und Weise. Statt analytische Beobachtungen und konventionelle Spannungsbögen aufgeladene Einzelschicksale und assoziative Bilderpuzzle – von Aufnahmen im postapokalpytischen Mockumentary-Style bis Caspar David Friedrich.

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Im Gegensatz zu den Bildern, in denen ihre Geschichte erzählt wird, sind die Figuren selbst nahezu immer in Bewegung. Getrieben von Ängsten, Emotionen, Ungehorsam und Visionen, die sich durch die Handlungsstränge hinweg verweben, bündeln. Die sprung- und floskelhaft ihren eigenen Rhythmus suchen, den das Voice-over noch am ehesten an eine Struktur fesselt. In diesem vermischen sich persönliche Gedankenströme mit existentialistischen Fragen, meist fest verankert in der Gegenwart. Aus aktuellen Entwicklungen und Vorhersagen zieht LE TEMPS eindringliche, auch pathetische Zukunftssplitter – mal das Ende eines Sturms herbeisehnend, und mal, wie es der internationale Titel sagt, auf einen solchen wartend.

Den Sog durch seinen kontinuierlichen Wechsel an Sichten, der Gleichzeitigkeit großer Fragen und Probleme und nicht zuletzt durch seine naturalistisch-künstlerischen, lichtspielenden Bilder aufrechterhaltend, ist LE TEMPS reizvolles Gegenwartskino mit simplem Konzept. Eines, das neben seinem Voice-over auch immer wieder sein naturbasiertes Sounddesign sprechen lässt, seine Bilder hingegen zu selten ganz allein.