Vor knapp 650 Jahren selbst zur Königin von Schweden ernannt, zählt Margarethe I zu einer der bedeutendsten Herrscher*innen in der Geschichte Skandinaviens. Die dänische Königstochter, Bauherrin und Unionsbegründerin strebte Ende des 14. Jahrhunderts entschlossen eine Vereinigung der nordeuropäischen Staaten unter ihrer Führung an. In ihrem neuesten Film zeigt Charlotte Sieling, unter anderem an Fernsehproduktionen wie HOMELAND und DIE BRÜCKE: TRANSIT IN DEN TOD beteiligt, die Königin am Zenit ihrer Herrschaftszeit. Die Kalmarer Union besteht, Margarethes Macht ist gefestigt, doch der Frieden im Land längst nicht gewahrt.
DIE KÖNIGIN DES NORDENS taucht in großen Bildern von Rasmus Videbæk (zuletzt: OPERATION 12 STRONG und PFERDE STEHLEN) in die dänische Geschichte ein. Die nordeuropäische Großproduktion, basierend auf dem Drehbuch von Sieling und Jesper Fink und mit hervorragenden Kostümdesign von Manon Rasmussen, ist eines der teuersten Filmprojekte Skandinaviens. Trine Dryholm, einer der erfolgreichsten dänischen Schauspielerinnen, die unter anderem mit dem Silbernen Bären für ihre Rolle der Anna in Thomas Vinterbergs DIE KOMMUNE ausgezeichnet wurde, porträtiert die dänische Königin. Ihr zur Seite stehen unter anderem Søren Malling (DIE KÖNIGIN UND DER LEIBARZT, MEN & CHICKEN) und Jakob Oftebro (KON-TIKI).
Darum geht es…
Anfang des 15. Jahrhunderts hat Margarethe die skandinavischen Länder in einer Allianz unter sich vereint. Mithilfe ihres Adoptivsohns Erik zieht sie die Fäden zur Zukunft des Nordens. Doch nicht alle sind dem Bündnis wohlgesonnen und der Königin Untertan. Sowohl in den eigenen Reihen als auch durch außenstehende Parteien wird der Frieden der Herrscherin bedroht. Eines Tages geht die Nachricht um, Margarethes totgeglaubter Sohn wäre noch am Leben. Fortan sieht sich die Königin nicht nur mit höfischen Verschwörungen und politischen Intrigen konfrontiert, sondern auch mit ihren eigenen Gefühlen und mit ihrer Vergangenheit …
Rezension
Anders als es der Titel des Films vermuten lässt, der im Original Margrete den første die Königin mit Namen in den Vordergrund stellt, ist das Historiendrama kein personenzentriertes Biopic. DIE KÖNIGIN DES NORDENS zeigt einen Abschnitt von Margarethes Leben, der öfter von einem Mythos umgeistert wird als von akribisch historischen Abläufen. Der Monarchin ist nicht allein die Aufmerksamkeit des Films vorbehalten, wesentliche Handlungen werden auch von Nebenfiguren wie ihrem Ziehsohn Erik getragen, der jedoch nie an die Präsenz seiner Mutter heranreicht.
Kein eiserner Thron, nur ein eiserner Wille
Trine Dryholm verkörpert die mächtige Frau eisern und kaltschnäuzig. Eine Figur, zu der das Publikum einen Zugang regelrecht suchen muss, die sich nicht durch ihre Sympathie, sondern vielmehr durch eigene Willensstärke charakterisiert. Erst wenn die politischen Intrigen eine persönliche Ebene aufstoßen, erzittert das entschlossene Bild der Herrscherin. Dann ist es jedoch fast zu spät, den Zuschauer*innen von den menschlichen, zerbrechlichen Seiten der Königin zu überzeugen. Statt einer Ablenkung durch Ziehsohn Erik, der durch eine eher minder komplexe Liebesgeschichte stolpert, oder eines Subplots rundum einen Attentäter in Deutschland, hätte die Fokussierung auf Margarethe als Figur nicht als Herrscherin die Spannung kräftiger aufrechterhalten können.
So schwindet diese nach einem opulenten Einstieg in den unterkühlten, fahl beleuchteten Gemäuern, in denen nachfolgend zwei Stunden lang etliche Sitzungen und Verhandlungen abgehalten werden. Statt schonungslosen, weitreichenden Figureneinblicken und einer Zentralisierung der Gewissenskonflikte Margarethes gibt es Intrigenspinnereien und gelegentlich aufgedunsene Dialoge. Einer emotionalen Verdichtung kommt die Ausstattung und Kostümierung zuvor, wenngleich das Ende durchaus Eindruck und Gesprächsstoff hinterlässt.
Bis dahin erinnert die Geschichte in ihren besten Momenten an frühere Staffeln der Fantasyserie GAME OF THRONES: packend, episch orchestriert und hochwertig eingefangen. Ebenso oft lässt das Geschehen und einige aufgedunsene Zeilen aber auch kalt, und das Intrigenspiel verliert in der Hülle und Fülle an Mitspieler*innen an Reiz. Erzählerische Straffungen hätten DIE KÖNIGIN DES NORDENS neben ohnehin ansehnlicher Ausstattung und dichter Atmosphäre zu einem kurzweiligen Kammerspiel verhelfen können.
Fazit
Nach den kinoreifen Großaufnahmen des Prologs wirkt der Abstieg in die dunklen, nasskalten Burggefilde beinah etwas ernüchternd. Nichtsdestotrotz behält DIE KÖNIGIN DES NORDENS ihre detailreiche Ausstattung und dreckig-düstere Atmosphäre jede Minute. Charlotte Sielings neuester Film ist ein Historiendrama mit allerlei Intrigen und Verhandlungen im Vordergrund und einer überwiegend unnahbaren Königin Margarethe als Hauptfigur, der der eigentliche Fokus dieser Erzählung gehören sollte. Ihr kaltes, dominierendes Antlitz bricht durch Trine Dryholms feinsinniges Schauspiel auf, bekommt jedoch selten die Schlagkraft um das Publikum nachhaltig beeindrucken. Den Schlussminuten gelingt das um einiges deutlicher.
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Originaltitel | Margrete den første |
Kinostart | 30.12.2021 |
DVD/Blu-ray – Release | 25.02.2022 |
Länge | ca. 120 Minuten |
Produktionsland | Dänemark | Schweden | Norwegen | Island | Tschechien | Polen |
Genre | Biografie | Drama | Historie |
Verleih | Splendid Film |
FSK |
Regie | Charlotte Sieling |
Drehbuch | Charlotte Sieling | Jesper Fink | Maya Ilsøe | Lars Bredo Rahbek |
Produzierende | Ellen Alveberg | Leifur B. Dagfinnson | Lars Bjørn Hansen | Yaba Holst | John M. Jacobsen | Tim King | Kristina Kornum | Pavel Muller | Jon Nohrstedt | Peter Possne | Lars Bredo Rahbek | Birgitte Skov | Jenny Stjerströmer-Björk | Kristinn Thordarson | Anna Malmkjær Willumsen |
Musik | Jon Ekstrand |
Kamera | Rasmus Videbæk |
Schnitt | Sverrir Kristjánsson |
Besetzung | Rolle |
Trine Dyrholm | Margrete |
Søren Malling | Peder |
Morten Hee Andersen | Erik |
Jakob Oftebro | Man from Graudenz |
Bjørn Floberg | Asle Jonsson |
Magnus Krepper | Johan Sparre |
Thomas W. Gabrielsson | Jens Due |
Agnes Westerlund Rase | Astrid |
Simon J. Berger | Jacob Nilsson |
Linus James Nilsson | Roar |
Halldóra Geirharðsdóttir | Hildur |
Annika Hallin | Malin |
Tinna Hrafnsdóttir | Sigrid |
Richard Sammel | Raberlin |
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