Originaltitel: Les Misérables
Kinostart: 23.01.2020
Länge: ca. 102 Minuten
Produktionsland: Frankreich
Regie: Ladj Ly
Schauspieler: Damien Bonnard | Alexis Manenti | Djebril Zonga
Genre: Drama | Thriller
Verleih: Wild Bunch Germany
Inspiriert von seinem eigenen Kurzfilm, gibt Regisseur Ladj Ly mit DIE WÜTENDEN – LES MISÉRABLES sein Langspielfilm-Debüt. Bereits mit dem Kurzfilm konnte er einen großen Erfolg verzeichnen, bis hin zu einer César-Nominierung. Dieser Film schafft es nun ebenso Aufsehen zu erregen mit einer Nominierung bei den Golden Globe Awards sowie den diesjährigen Oscars.
Für dieses Werk hat sich der Regisseur unter anderem die schauspielerischen Fähigkeiten einiger Laiendarsteller sowie seines eigenen Sohns gesichert. Dadurch schafft es Ladj Ly reale Eindrücke in dem Film zu platzieren und diese durch Darsteller wiederzugeben, die tatsächlich in den gezeigten Problemvierteln aufgewachsen sind. Neben diesen gibt es jedoch auch einige professionelle Akteure wie Damien Bonnard, Alexis Manenti und Jeanne Balibar.
Aufstände in Frankreich
Ist DIE WÜTENDEN – LES MISÉRABLES nun eine Neuinterpretation des äußerst erfolgreichen Musicals, welches vor kurzer Zeit schon einmal im großen Stil verfilmt wurde?
Absolut nicht, denn im hiesigen Film geht es um die drei Polizisten Stéphane, Chris und Gwada, die in Les Bosquels in Clichy-Montfermeil ihren Dienst schieben. Stéphane ist gerade erst neu zu dem langjährig eingespielten Team dazugestoßen, doch muss er gleich feststellen, dass hier alles etwas rauer zugeht als er es gewohnt ist. Regeln der ordentlichen Polizeiarbeit scheinen hier nutzlos. Anführer Chris beweist immer wieder, dass vor allem Respekt die örtlichen Probleme löst.
Ihr tragt Waffen und könnt mit Waffen nicht umgehen!?
Als Issa, ein kleiner Junge, der in diesen Straßen aufwächst, einem naheliegenden Zirkusteam ein Löwenbaby entwendet, sind die drei Polizisten gefragt die angespannte Situation zu entschärfen. Diese wird jedoch nicht besser, als Gwada scheinbar ausversehen Issa mit einem Schuss schwer verletzt. Plötzlich scheint das Geschehen gänzlich zu eskalieren.
Musical? Doku? Thriller?
Was bleibt zu sagen über DIE WÜTENDEN – LES MISÉRABLES, nachdem man mit Erwartungen an ein Musicalremake den Saal betritt, auf dem Poster dann die Hoffnung auf eine spannende Dokumentation über die Demonstrationen in Frankreich geweckt wird und sich letztlich ein davon völlig abweichender Thriller auf der Leinwand zeigt?
Es ist anfangs gar nicht so leicht von eben jener Erwartungshaltung abzulassen und sich vollends auf dieses Werk einzulassen. Dies liegt wohl auch daran, dass es der Film lange Zeit einfach nicht schafft in die Gänge zu kommen. Nachdem eine gefühlte Ewigkeit die einzelnen Figuren und deren zugehöriges soziale Umfeld vorgestellt wird, entwickelt sich nur langsam ein tatsächlich benennbarer Plot und ein ungefähres Ziel, zu welchem die visuelle Reise führen soll.
Abgesehen jedoch von diesem drögen Start hat das Werk auch einiges zu bieten, denn so langsam wie sich die erste Filmhälfte entwickelt, so rasant geht es dann in der zweiten zu. Ein kleiner Einblick in das Privatleben der lauthalsen Polizisten verschafft einen ersten imposanten Wendepunkt, der eine ganze Reihe von erstaunlichen und unfassbaren Ereignissen einläutet.
Ein imposantes Finale
Eine heftige und sehr feindselige Ausdrucksweise, die sich durch die gesamte Produktion zieht, wird nur noch getoppt von exzessiver Gewalteinwirkung, die den Zuschauer zusammenzucken lässt. Während anfangs tatsächlich noch der penetrante Eindruck eines Spielfilms existiert, entwickelt sich daraus mit Hilfe dieser unverblümten Schlechtigkeit das Gefühl in einer realen Konfliktsituation zu stecken.
Leider jedoch wäre jedes weitere Wort ein massiver Spoiler. Wichtig wäre daher nur noch zu erwähnen, dass das Ende absolut hervorragende Meisterklasse darstellt und keine Wünsche mehr offen lässt. Man sitzt nur noch wie gebannt im Sessel und weiß nicht mehr zu sagen vor lautet Anspannung.
Nun wird auch der Titel klar, denn mit diesem verbindet man Themen wie Revolution, Kämpfe, Aufstände, Demonstrationen und auch Rache. Zudem bezieht sich DIE WÜTENDEN – LES MISÉRABLES immer wieder auf ein sehr bekanntes Zitat von Victor Hugo, dem Schöpfer der Vorlage für das Musical.
Ergänzung für Kenner des Kurzfilms
In seinem 16-Minütigen Kurzfilm, der ebenfalls den Titel Les Misérables trägt, sind einige elementaren Szenen des jetzigen Gesamtwerks enthalten, welche durch sehr grobe Schnitte und mit Verzicht auf viel Detailreichtum zu einer Story zusammengesetzt sind. Die Langfassung bietet dabei einiges mehr an Inhalt, einige weitere wichtige Figuren und vor allem ein gänzlich anderes Ende. Der Grundtenor ist recht ähnlich, doch wurden die Geschehnisse in einigen Momenten elementar verändert, was gleichzeitig auch ein komplett neues Charakterbild einiger Figuren zulässt. Fraglich ist, ob die Geschichte der Langfassung auch mit den Handlungsaspekten funktioniert hätte, wie sie im Kurzfilm eingeführt wurden sind?
Regisseur Ladj Ly hat mit dieser Fortsetzung seines erfolgreichen Kurzfilms eine spannende Erweiterung seiner früheren Arbeit geschaffen. Dabei scheint er die einzelnen Szenen der 16-Minütigen Grundlage nun mit einem umfassenden und detaillierten Handlungsablauf zu umfassen und zu verknüpfen, dabei jedoch auch einige elementare Änderungen vorzunehmen. Mit einer langanhaltenden anfänglichen Findungsphase, in welcher ein interessanter Einblick in französische Ghettos geliefert wird, wird eine eher mäßige Geschichte erzählt, die erst sehr spät auf den Punkt kommt. Teilweise wirkt es, als ob Ladj Ly von Anfang an klar, was er erzählen möchte und sich dabei selbst dann so in Detailverliebtheit verstrickte, dass kaum noch Zeit für den epischen Kern am Ende übrig blieb. Dieses hingegen ist hervorragend ausgearbeitet und lässt die Zuschauer angesichts der brutalen Realität zusammenzucken. Als Gesamtfilm als eher mittelmäßig zu betrachten, stellt das Finale doch eins der besten Enden seit gut einem Jahr dar.
Merkt euch, Freund! Es gibt weder Unkraut noch schlechte Menschen. Es gibt bloß schlechte Gärtner.
Schauspieler:in | Rolle |
Damien Bonnard | Brigadier Stéphane Ruiz |
Alexis Manenti | Chris |
Djebril Zonga | Gwada |
Issa Perica | Issa |
Al-Hassan Ly | Buzz |
Steve Tientcheu | Le Maire |
Almamy Kanouté | Salah |
Nizar Ben Fatma | La Prince |
Raymond Lopez | Zorro |
Luciano Lopez | Luciano |
Jaihson Lopez | Jaihson |
Jeanne Balibar | La comissaire |
Sana Joachaim | Bintou |
Lucas Omiri | Slim |