Die Faszination, Begeisterung und Liebe für Lebensmittel sowie deren Verarbeitung hat viele Gesichter. In CHOCOLAT ist es die verführerische Kunst einer Süßspeise, in RATATOUILLE wird die Leidenschaft kleiner Talente entdeckt und in THE CAKEMAKER werden Teigspezialitäten zum Ausdruck von Trauer und Neuanfang. DINNER FOR TWO erweitert die Geschmackspalette, komponiert eine gänzlich neue Melange aus Zutaten und schließt sich aber dennoch nahtlos an ähnliche Filme mit Sinn für Nahrungsmittelästhetik an. Regisseur Christoffer Boe hat gemeinsam mit Tobias Lindholm, der zuvor A WAR verwirklicht hatte und an DER RAUSCH mitgeschrieben hat, eine Geschichte erschaffen, die sich im Kern als ehrgeiziges Drama versteht, mit der Zielstrebigkeit, dem Erfolgszwang und dem nahezu blinden Perfektionismus im Abgang allerdings vielmehr einen Krimi anklingen lässt, der eine wahre Genussfreude für die Augen ist.
Darum geht es…
Maggi (Katrine Greis-Rosenthal) und Carsten (Nikolaj Coster-Waldau) sind zwei Spitzenköche, die alles erreicht haben. Fast alles. Neben eigenem Nobelrestaurant, der scheinbar perfekten Partnerschaft zwischen leidenschaftlichem Privatleben und ehrgeizigem Chefduo, auch ein ausfüllendes Familienleben mit zwei Kindern. Das einzige, was zu dem großen Ziel noch fehlt, ist der Michelin Stern für ihr Restaurant. Und den wollen die beiden unbedingt, ohne Rücksicht auf Ehe und Familie.
Rezension
Wenn Maggi und Carsten in der Küche ihres edlen Restaurants ein neu kreiertes Gericht auseinandernehmen und dieses in seine Einzelteile zerlegen, offenbart sich schon in den wenigen ersten Minuten, dass sich der Film in ähnlicher Weise einer Sektion unterzieht. Die Gesamtheit dessen, was das Paar seinen Gästen servieren wird, erwächst zur Versinnbildlichung einer Dramaturgie, die sich nach und nach vor unseren Augen entfaltet und ähnlich wie die Speise jegliche Geschmacksrichtungen auf der Zunge durchläuft. So ist Nuance für Nuance herausgearbeitet, um am Ende schließlich wieder ein Ganzes zu ergeben.
So verknüpft die Darstellung der Geschmackspalette des Gerichts nicht nur einzelne Versatzstücke aus dem Leben des zielbewussten Paares, sondern zudem noch unterschiedliche Zeitebenen. Bohrt etwa in der Vergangenheit, um den steinigen Weg zum Erfolg zu porträtieren, aber auch um gleichwohl das vorangestellte Zitat der provokanten und durchsetzungsstarken Autorin Kathy Acker zu untermauern. Maggi nämlich scheint dieser Satz wie auf den Leib geschrieben. Denn obwohl Carsten ebenfalls hochgesteckte Ziele hat, so ist es doch die charismatische, manchmal allerdings mysteriös wirkenden Frau, die eine sehr klare Vorstellung davon hat, was sie in ihrem Leben erreichen will.
Ein Augenschmaus
So wirkt die Figur um Maggi gegenüber ihrem Mann oftmals fordernd, fast schon dominant. Die Frucht der Sünde, der Verführung und der Macht tritt hier nicht von ungefähr zu Beginn gleich mehrfach in Erscheinung, wird von der Kamera umspielt, in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, dabei aber in nahezu sinnlichen und reizenden Bilder eingefangen. Hier versteckt sich eine ungemeine Symbolik in einem Apfelbaum und einem Dessert, die die Verbindung zur weiblichen Hauptfigur regelrecht sucht und ihren Charakter formt.
Kameramann Manuel Alberto Claro, der bereits MELANCHOLIA und NYMPHOMANIAC auf die Leinwand brachte, hat dabei ein merklich feinfühliges Gespür dafür, die Nahrungsmittelkompositionen und deren akribische Zusammenstellung sowie Zubereitung in wunderschönen und delikaten Bildern einzufangen. Die weichen, fast schon poetischen und verlockenden Aufnahmen der Gerichte stehen zuweilen im nüchternen Kontrast zu den neondurchfluteten Szenen, in denen dann die Entdeckung der Charaktere im Vordergrund steht. Nahaufnahmen, die in sattes rot oder blau getaucht sind und die innersten Befürchtungen sowie Ängste einfangen oder die Anspannung und Konzentration beim kochen greifbar machen, werden in die Geschichte eingeflochten, die, gerade wenn es das Familienleben zeigt, sich sonst sehr viel geerdeter zeigt. Viel Glamour ist in so manchen Momenten nicht mehr übrig, zeigt aber das Problem, dass die Familie von innen auseinanderzureißen droht.
Ran an die Bouletten
Denn unter dem Ehrgeiz und der Verbissenheit, den Michelin Stern für das Restaurant zu bekommen, werden die beiden Kinder spürbar vernachlässigt und offenbaren die eingeengte Sichtweise des Elternpaares. Bei einem Familiendinner wird ein Missgeschick und der Verlust eines Dressings fast zum ausgewachsenen Drama und beim Drang von Maggi alles zu erreichen, vergisst sie ihre Fürsorgepflicht mit schwerwiegenden Folgen für das Zusammenleben der vierköpfigen Familie, vor allem aber für ihre Ehe. Was immer mal wieder sowohl auf Bildebene als auch erzählerisch spannende Ausschläge in Richtung eines handfesten, unberechenbaren Krimis macht, kann sich schlussendlich dann aber doch nicht eindeutig entscheiden und lässt die Elemente des Dramas zusammen mit knisternden, romantischen Augenblicken gegen Ende ein wenig zu ernüchternd auf einen Höhepunkt zusteuern, der seine volle Kraft kaum richtig entfalten kann. Was zu Beginn noch gemächlich aufgefächert wird, wirkt im letzten Drittel ein wenig überhastet aufgelöst und erzwungen harmoniebedürftig.
Im Grunde hätte man sich dann doch gewünscht, statt eines stringent durchgeplanten Dramas einen überraschend handfesten Krimi mit Thrillerlook vorfinden zu können, der nicht nur schmackhafte, kurzweilige Häppchen serviert, sondern einen deftigen Nachgeschmack hinterlässt.
Fazit
DINNER FOR TWO bricht aus seinem Gerüst eines romantischen Dramas immer wieder aus und entwickelt ungeahnte Krimitendenzen mit stilsicherem, neonlichtdurchsetzten Look. Besonders in diesen Momenten spielt der Film unglaublich gut mit den verdeckten Sehnsüchten der Figuren, den Ambivalenzen und den Gefahren, die sich nach und nach auftürmen, verpasst aber die Chance mit seinen wundervoll komponierten Bildern wirklich vollends zu verzaubern und hinterlässt am Ende leider doch einen faden Beigeschmack.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Originaltitel | Smagen af sult |
DVD/Blu-ray – Release | 09.12.2021 |
Länge | ca. 104 Minuten |
Produktionsland | Dänemark | Schweden |
Genre | Drama | Romanze |
Verleih | Koch Films |
FSK |
Regie | Christoffer Bae |
Drehbuch | Christoffer Bae | Tobias Lindholm |
Produzierende | Ida Harder | Lizette Jonjic | Maj-Britt Paulmann | Louise Vesth |
Musik | Anthony Lledo | Mikkel Maltha |
Kamera | Manuel Alberto Claro |
Schnitt | Janus Billeskov Jansen | My Thordal |
Besetzung | Rolle |
Katrine Greis-Rosenthal | Maggi |
Nikolaj Coster-Waldau | Carsten |
Flora Augusta | Chloe |
Charlie Gustafsson | Frederik |
August Vinkel | August |
Nicolas Bro | Torben |
Maj-Britt Mathiesen | Pia |
Dag Malmberg | Stellan |
Rasmus Hammerich | Frank |
Luca Reichardt Ben Coker | 11 arig dreng |
Sofie Torp | Klassenlehrerin |
Michael Brostrup | Laege |
Bennet Thorpe | Engländer |
Helene Egelund | Kvindelig psykolog |
Wie hat Dir der Film gefallen?
Hinterlasse einen Kommentar