“Ihr befindet euch in einer Höhle. Vor euch befinden sich zwei Türen. Durch den Barden in der Taverne wisst ihr, dass hinter der einen Tür der sichere Tod lauert. Hinter der anderen Tür befindet sich der Schatz von Ulf Torekson, dem König der Zwerge. Was möchtet ihr tun?” Wenn man solche interaktiven Beschreibungen hört, befindet man sich aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Pen-and-Paper-Rollenspiel. Seit den 1970er Jahren hat diese Form der Spiele Einzug in viele Kinderzimmer gefunden. Häufig gibt es ein Regelwerk, das von einem Spielleiter vertreten wird, und eine Gruppe von Spielern, die ein Ziel verfolgen. Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Was damals als Spiel auf einem Blatt Papier und in den Köpfen der Spieler begonnen hat, ist im Laufe der Jahre immer wieder in Form von Videospielen aufgetaucht. Videospiele wie „Baldur’s Gate“ sind nicht nur herausragende Games, sondern beruhen auch auf Pen-and-Paper-Regelwerken.
Eines der bekanntesten Pen-and-Paper-Regelwerke nennt sich Dungeons & Dragons. Hier haben die Spieler*innen die Möglichkeit, in eine Fantasy-Welt einzutauchen und eigene Abenteuer zu erleben. Nun hat man sich erneut an einen Film gewagt, der in dieser gigantischen Fantasywelt spielen soll. Mit DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN haben sich die beiden Regisseure John Francis Daley und Jonathan Goldstein an einen komplexen Stoff gewagt, der viele alteingesessene Fans mitbringt. Bereits im Jahr 2005 wurde versucht, eine Verfilmung umzusetzen, die weder bei der Kritik noch bei den Fans ankam. Daley und Goldstein bringen nun einen neuen Ansatz mit und lassen ihre Comedy-Erfahrung (VACATION – WIR SIND DIE GRISWOLDS, GAME NIGHT) einfließen. Ob dieser Plan aufgeht, erfahrt ihr im folgenden Text.
Darum geht es…
Nach einem Raub sitzen der Barde Edgin (Chris Pine) und die Barbarin Holga (Michelle Rodriguez) im Gefängnis. Schon seit längerem planen sie ihre Flucht. Vor ihrer Zeit hinter Gittern haben sie ihr Leben mit kleineren Diebstählen finanziert. Gemeinsam mit dem Magier Simon (Justice Smith) und dem Ganoven Forge Fitzwilliam (Hugh Grant) sind sie immer auf Nummer sicher gegangen. Mittlerweile sind zwei Jahre vergangen, seitdem Edgin seine Tochter zuletzt gesehen hat. Als es den beiden gelingt zu entkommen, finden sie Forge und die junge Kira (Chloe Coleman) in Neverwinter, wo es Forge geschafft hat, zum Stadthalter aufzusteigen. Schnell merken sie, dass Forge mit ihnen gespielt hat, und so beschließen Edgin und Holga, ihn auszurauben, um Kira zu befreien. Sie holen sich dabei Hilfe von alten Freunden und machen neue Bekanntschaften, die ebenfalls eine Rechnung mit Forge offen haben.
Rezension:
Auf den ersten Blick wirkt DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN wie der Versuch, die Marvel-Formel zu kopieren. Wir sehen eine Truppe von ungleichen Charakteren, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Da ist der hinterlistige, aber gutherzige Barde Edgin, dem alles daran liegt, seine Tochter wieder in die Arme zu schließen. Neben ihm sehen wir die Barbarin Holga, die von ihrem Klan verstoßen wurde und nun seit Jahren an der Seite von Edgin ist. Sie hat gemeinsam mit Edgin Kira großgezogen und will sie genauso sehr befreien. Dann wäre da der untalentierte Magier Simon, der allen beweisen will, dass er doch etwas kann, und zum Schluss die Gestaltwandlerin Doric (Sophia Lillis), deren Volk unter der Herrschaft von Forge gelitten hat. Das klingt alles sehr nach GUARDIANS OF THE GALAXY. Ähnlich wie in James Gunns Film begleiten wir eine Gruppe Ausgestoßener, die während ihrer Reise über sich hinauswächst. Böse Zungen könnten jetzt sagen, dass es sich hier um eine Kopie handelt, trotzdem funktioniert der Film und bereitet große Freude beim Zuschauen.
Der offensichtlichste Faktor in DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN ist dabei die Nachvollziehbarkeit der Figuren. Unsere Held*innen sind keine perfekten Superhelden, die nicht aus dem Konzept gebracht werden können. Bevor sie sich mit finsteren Bedrohungen auseinandersetzen können, müssen sie erstmal eigene innere Kämpfe austragen. Sie werden für uns greifbarer, da auch wir mit denselben Unsicherheiten und Enttäuschungen zu kämpfen haben. Der einzige, bei dem die Nachvollziehbarkeit etwas fehlt, ist Forge Fitzwilliam. Auch wenn Hugh Grant es schafft, einen charmanten Schurken zu schaffen, scheint sein einziger Antrieb die Gier zu sein. Auch wenn man hier eine gesellschaftskritische Parallele zu heutigen Milliardären ziehen könnte, hätten der Figur ein paar mehr Hintergründe gutgetan. Trotzdem funktioniert die Heldengruppe großartig zusammen. Gerade im Zusammenspiel zwischen Chris Pine und Michelle Rodriguez entstehen die besten Momente des Films. Wenn Holga emotional leidet, weiß Edgin, dass er mit ihr nicht über Gefühle reden braucht. Was ihr eher hilft, ist Ablenkung. So stimmt er einen Song an, in den Holga mit einstimmt, und für einen kurzen Moment scheinen alle Sorgen vergessen. Solche kleinen Situationen füllen den Film mit Herz.
Guardians of Neverwinter
Neben der Charakterdynamik beweisen John Francis Daley und Jonathan Goldstein, dass sie das Comedy-Handwerk verstehen. Die Held*innen laufen (wie in einer Dungeons & Dragons Kampagne) von einer Quest zur nächsten, wobei ihnen immer wieder neue Hindernisse begegnen. Da einige der absurden Aufgaben vermutlich eine unfreiwillige Komik entwickelt hätten, wenn man sich ihnen auf eine ernsthafte Art genähert hätte, wurde sich direkt dafür entschieden, den humorvollen Weg einzuschlagen. So treffen die vier in DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN auf einen Paladin, der keine Ironie versteht, auf einen übergewichtigen Drachen oder auf redselige Skelette. Immer wieder wird dabei überrascht und durch beeindruckende Kreativität für Lacher gesorgt. Auch wenn der Film viele Parallelen zu Marvel-Filmen hat, fühlt sich DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN frisch an.
Besonders spannend wird der Vergleich zu Marvel-Filmen, wenn man sich bewusst macht, dass DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN (150 Millionen US-Dollar) knapp 50 Millionen Dollar weniger gekostet hat als ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA (200 Millionen US-Dollar). Während bei Marvel scheinbar mittlerweile alles vor Greenscreens gedreht wird und dann versucht wird, diese inhaltliche Leere von überarbeiteten VFX-Artists in der Post-Produktion retten zu lassen, wurde sich bei DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN auf den Inhalt und ein gutes Zusammenspiel der verschiedenen Gewerke konzentriert. Viele der Kreaturen sind Puppen oder Kostüme, die digital den letzten Feinschliff bekommen haben, und es wurde an vielen echten Schauplätzen gedreht. Dadurch fühlt sich die Welt groß und lebendig an. Wir sehen eine Welt mit unterschiedlichsten Wesen, die mal mehr und mal weniger harmonisch zusammenleben.
Fazit:
Auch wenn DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN im Kino leider etwas untergegangen ist, hat man nun die Chance, ihn im Heimkino nachzuholen. Der Film ist ein spaßiges Abenteuer mit nachvollziehbaren Figuren. Wir begleiten eine Truppe von vier Personen, die alle ihre eigenen Kämpfe austragen und dadurch menschlich werden. Der Film kopiert zwar ganz klar die Formel von GUARDIANS OF THE GALAXY, trotzdem passt diese Schablone perfekt auf diese Fantasy-Welt. Gerade wenn man mit Filmen wie GUARDIANS OF THE GALAXY eine gute Zeit hatte, wird man auch Freude an DUNGEONS & DRAGONS: EHRE UNTER DIEBEN haben.
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Originaltitel | Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves |
Kinostart | 23.3.2023 |
Länge: | 134 minuten |
Produktionsland | Canada |
Genre: | Abenteuer | Fantasy | Komödie |
Regie | Jonathan Goldstein | John Francis Daley |
Executive Producer | Denis L. Stewart | John Francis Daley | Jonathan Goldstein | Zev Foreman | Greg Mooradian | Chris Pine |
Producer | Nick Meyer | Diana Giorgiutti | Ashley Alexander | Brian Goldner | Jeremy Latcham |
Kamera | Barry Peterson |
Visual Effects | Khalid Almeerani | Scott Benza | Axel Bonami | Mark Bortolotto | Dave Dalley | Ben Snow |
Musik | Lorne Balfe |
Cast | Chris Pine, Michelle Rodriguez, Justice Smith, Sophia Lillis, Hugh Grant, Regé-Jean Page, Chloe Coleman, Daisy Head, Kyle Hixon, Spencer Wilding, Will Irvine, Nicholas Blane, Bryan Larkin, Sarah Amankwah, Colin Carnegie, Georgia Landers, Sophia Nell Huntley, Clayton Grover, San Shella, Barry O'Connor |
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