Review Kurzkritik Fakten + Credits


Fall - Fear Reaches New Heights Filmstill

Fall – Fear Reaches New Heights ©2022 EuroVideo

Wir Menschen wollten schon immer hoch hinaus. Wer kennt nicht das befriedigende Gefühl, wenn man auf einem Berg oder Turm steht und die komplette Umgebung überblicken kann? Der Himmel fasziniert uns, wir wollen unsere eigenen Grenzen überwinden. Schon in der Antike wurden Geschichten über den Sturz von Ikarus erzählt, der mit seinen Flügeln aus Wachs zu nah an die Sonne geflogen ist und ins Meer stürzte. Mittlerweile ist es für uns selbstverständlich in ein Flugzeug zu steigen, um andere Länder zu bereisen. Deswegen bauen heutzutage größenwahnsinnige Milliardäre Phallus förmige Raketen, mit denen sie den Planeten verlassen wollen. Auch die beiden Hauptfiguren in Scott Manns Film FALL – FEAR REACHES NEW HEIGHTS wollen hoch hinaus. Im Film geht es weniger um Maschinen, die das unmögliche möglich machen, als um Menschen, die ihre eigenen Grenzen überwinden wollen.

Darum geht es…

Becky (Grace Caroline Currey) und ihr Ehemann Dan (Mason Gooding) sind leidenschaftliche Kletterer. Als sie mit ihrer Freundin Hunter (Virginia Gardner) eine Felswand erklimmen, kommt es zu einem tödlichen Unfall. Dan stürzt in die Tiefe und über das folgende Jahr versinkt Becky in eine tiefe Depression. Ihr Vater (Jeffrey Dean Morgan) macht sich große Sorgen, doch die junge Frau will nichts von ihrem alten Herrn wissen. Auch Hunter macht sich Sorgen und will mit Becky ein neues Abenteuer erleben. Sie will ihre Freundin vom dem Verlust ablenken und wieder klettern. Dieses Mal soll es nicht in die Berge gehen, sondern an einen stillgelegten Funkmast, das vierthöchste Bauwerk in den Vereinigten Staaten. Hunter erhofft sich von dem Abenteuer viele Likes auf ihrem Instagram Account. Nachdem die beiden den rostigen Turm erklommen haben, geht ihr Weg nach unten verloren. Wenn die beiden keinen Weg finden auf sich aufmerksam zu machen, bedeutet das den sicheren Tod.

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Rezension

FALL – FEAR REACHES NEW HEIGHTS ist das perfekte Beispiel dafür, dass Filme keine aufwändige Action brauchen, oder viele unterschiedliche Schauplätze. Eine gute Idee und der menschliche Konflikt können ausreichen, um einen mitreißenden Film zu erzählen. Der Film spielt zu einem Großteil auf der kleinen Plattform an der Spitze des Turms. Beide Frauen versuchen einen Weg zu finden, den Turm zu verlassen und ziehen dabei alle Hilfsmittel, die sie mitgenommen haben in Betracht. Dabei bekommen wir einige der Werkzeuge vorher vorgestellt, sodass alle Versuche Hilfe zu rufen sinnvoll erscheinen. Als Zuschauer*in hat man zu keiner Zeit das Gefühl, dass sich Hunter und Becky unlogisch verhalten (abgesehen davon, dass sie auf einen 600m hohen, rostigen Turm klettern).

Fall - Fear Reaches New Heights Filmstill

Fall – Fear Reaches New Heights ©2022 EuroVideo

Beide Figuren entwickeln dabei sehr schnell ein eigenes Profil. Am einfachsten fällt es sich mit Becky zu identifizieren. Sie ist eine trauernde Witwe, die viel zu früh ihren Mann verloren hat. Durch sehr viel visuelles Storytelling lernen wir die Frau sehr schnell kennen. Die Kamera schwenkt durch ihre Wohnung. Wir sehen einen dreckigen Raum, voller Schnapsflaschen und Pillendosen und brauchen keine weitere Erklärung über die Trauer. Stattdessen sieht man subtile kleine Hinweise, die auf den Gemütszustand hindeuten. So trägt sie, über einen großen Teil der Handlung, den Ehering ihres verstorbenen Gatten um den Hals und den eigenen Ring am Finger, bis sie irgendwann die Trauer überwindet und über sich hinauswächst. Auf der anderen Seite steht Hunter, eine wahnsinnig unangenehme egozentrische Persönlichkeit, die ein Abenteuer erleben will und Becky, unter dem Deckmantel der Freundschaft, ins Verderben stürzt. Virginia Gardner füllt ihre Figur mit Leben und macht sie zu einem unterschwellig unsympathischen Gegenstück.




Das Leben riskieren für ein paar Likes

Durch Hunter eröffnet der Film eine tiefere Ebene. FALL – FEAR REACHES NEW HEIGHTS ist eine kritische Auseinandersetzung mit immer riskanteren Social Media Trends, in denen die Influencer*innen ihr Leben und dass ihrer Mitstreiter*innen in Gefahr bringen, nur um viele Likes zu generieren. Es gibt Challenges, in denen die Teilnehmer so lange die Luft anhalten, bis sie ohnmächtig werden, andere nehmen zu hohe Dosen von Allergietabletten, da diese eine halluzinogene Wirkung haben und wieder andere klettern, wie Hunter und Becky, illegalerweise auf hohe Bauwerke, um dort Selfies zu machen. Immer wieder überschätzen die Teilnehmer der Challenges ihre eigenen Fähigkeiten und müssen dafür bezahlen. Umso konsequenter, dass der Film hier einen sehr konsequenten Kurs fährt und uns nicht in eine kuschelige Decke einwickeln möchte.

Fall - Fear Reaches New Heights Filmstill

Fall – Fear Reaches New Heights ©2022 EuroVideo

Eine der größten Stärken von FALL – FEAR REACHES NEW HEIGHTS ist die audiovisuelle Umsetzung. Obwohl der Film immer wieder offensichtlich auf visuelle Effekte setzt, hat das Gesehene eine unfassbar eindringliche Wirkung. Schon in den ersten Szenen, in denen die beiden den Turm hochklettern, bekommt man selbst ein mulmiges Gefühl. Höhenangst, obwohl man auf der gemütlichen Couch sitzt. An der Spitze des Turms hört man permanent den Wind zischen und die beiden sehen von Minute zu Minute mitgenommener aus. Trotz des geringen Budgets von 3 Millionen Dollar, holt Regisseur Scott Mann das Beste aus seinen geringen Mitteln raus. Durch das IMAX-Format und einige Drohnenaufnahmen, entsteht ein unglaubliches Gefühl von Größe, obwohl die beiden Hauptfiguren sich auf einer kleinen Plattform von maximal zwei Quadratmetern zurechtfinden müssen. Dieser Kontrast, zeigt visualisiert uns das Gefühl der Verlorenheit, mit dem die beiden permanent konfrontiert sind.

Fazit: stilisierter Zelluloidfilm mit roter Ziffer "7"

FALL – FEAR REACHES NEW HEIGHTS ist ein überraschender kleiner Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Regisseur Scott Mann hat aus einem geringen Budget das Maximum herausgeholt. Obwohl der Film zu einem Großteil auf einer kleinen Plattform, in schwindelerregender Höhe, stattfindet, ist hier trotzdem ein mitreißender Thriller entstanden, der von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Die Kirsche auf dem Turm sind die beiden großartigen Hauptdarstellerinnen, insbesondere Virginia Gardner in der Rolle von Hunter, bei der man liebt sie zu hassen.

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