FSK 12 ©FSK

Originaltitel: Falling
Kinostart: 12.08.2021
DVD/Blu-ray – Release: 09.12.2021
Länge: ca. 112 Minuten
Produktionsland: USA | Kanada | Vereinigtes Königreich
Regie: Viggo Mortensen
Schauspieler:innen: Viggo Mortensen | Lance Henrikson | Laura Linney
Genre: Drama
Verleih: Prokino Filmverleih

Falling © 2020 PROKINO Filmverleih GmbH

Wahrscheinlich kennen wir es alle. Die nächste Familienfeier steht an, alle kommen irgendwo auf dem Dorf zusammen, bei den Verwandten, die das größte Haus haben. Es folgt ein Tag mit viel zu viel essen, literweise Kaffee und dem einen oder anderen Bier. Es ist eines der wenigen Treffen, die man noch mit dem einen unangenehmen Familienmitglied hat. Dieser Onkel/Cousin/Vater/Großvater sorgt bei jedem Fest für schlechte Stimmung, alles was nicht in sein veraltetes Weltbild passt ist in seinen Augen schlecht und das lässt er uns auch spüren. Homosexualität? Migranten? Tattoos? Veganes Essen? So was hätte es zu seiner Zeit noch nicht gegeben, alles Blödsinn in seinen Augen. Mit so einer schwierigen Figur setzt sich der Film FALLING auseinander, ein alter störrischer Mann, dessen Kinder versuchen ihm seine letzten Tage so angenehm wie möglich zu machen.

Bei FALLING handelt es sich um das Regiedebut von Viggo Mortensen. Mortensen war Anfang der 2000er in aller Munde, als er in Peter Jacksons DER HERR DER RINGE Trilogie den Krieger Aragorn gespielt hat. Nach dem großen Erfolg der Fantasy Filme, war der Schauspieler in den letzten Jahren eher in kleineren Produktionen zu sehen. Zu den spannendsten Filmen mit Mortensen in der Hauptrolle zählen THE ROAD, CAPTAIN FANTASTIC oder GREEN BOOK, für den er als bester Hauptdarsteller bei den Oscars nominiert wurde. FALLING ist ein Film, der fast in Gänze von Mortensen stammt, er war sowohl Regisseur, Produzent und Drehbuchautor, ist zudem für die Filmmusik verantwortlich und der Hauptdarsteller des Films. An seiner Seite ist darüber hinaus Lance Henriksen zu sehen, der ihm als dementer Vater das Leben schwer macht. Der Film hatte seine erste Aufführung im Januar 2020 beim Sundance Festival, durch die anhaltende Corona-Pandemie und etliche Verschiebungen hat es FALLING dann erst am 12. August 2021 in deutschen Kinos geschafft.

Falling © 2020 PROKINO Filmverleih GmbH

Darum geht es…

John Peterson (Viggo Mortensen) ist auf einer Farm im Norden der USA aufgewachsen, gemeinsam mit seiner kleinen Schwester Sarah (Laura Linney), seiner Mutter (Hannah Gross) und seinem schwierigen Vater Willis (Lance Henriksen). Bei Willis handelt es sich um einen sehr konservativen Mann, der noch nie andere Meinungen zugelassen hat. Nun im hohen Alter hat er bereits zwei Ehen hinter sich und lebt allein auf seiner Farm, doch die Arbeit fällt ihm immer schwerer. Neben dem abnehmen seiner körperlichen Kraft lässt auch sein Geist immer weiter nach. Willis hat mit einer immer schlimmer werdenden Demenz zu kämpfen, was ihn dazu treibt näher zu seiner Familie ziehen zu wollen. Seine Tochter und sein Sohn leben beide mit ihren Familien in Kalifornien. So holt John seinen Vater aus dem verschneiten New York und fliegt mit ihm einmal quer durchs Land.

Willis ist mit dem Leben in Kalifornien nicht einverstanden, hier leben in seinen Augen nur Liberale und Kommunisten. Auch mit dem Lebensentwurf seines Sohnes ist er nicht glücklich. John ist mit einem Mann verheiratet und hat eine Tochter adoptiert. Gemeinsam besuchen sie regelmäßig Kunstaustellungen und gehen asiatisch essen. Der alte Mann ist überfordert mit der ihm fremden Welt und lässt den ganzen Frust an seinen Kindern und Enkeln aus. Doch John und Sarah haben sich geschworen nicht mehr auf die Köder ihres Vaters anzuspringen und ihn einfach reden zu lassen.

Rezension

Erstmal großen Respekt an Viggo Mortensen, für die vielen Aufgaben, die er im Film übernommen hat. Dadurch, dass er sowohl Regisseur, Produzent, Drehbuchautor, Komponist und Hauptdarsteller war, fühlt sich FALLING wie aus einem Guss an. Mortensen hatte eine Vision, die er realisieren wollte und konnte seine Ideen umsetzen. Dabei hat der Film keine überaus komplexe Handlung, aber wie die Geschichte der Familie erzählt wird und die Interaktionen der Figuren machen den Film sehr interessant. Der Film verfolgt mehrere Handlungsstränge, zum einen sehen wir John mit seinem Vater Willis in der Gegenwart, wie er versucht dem alten Mann eine neue Heimat in Kalifornien zu suchen. Auf der anderen Seite sehen wir die Kindheit von John, in verschiedenen Episoden, die nicht chronologisch Ablaufen, allerdings langsam ein Gesamtbild offenbaren. FALLING fühlt sich an wie ein nebliger Tag, an dem langsam die Sonne aufgeht und den Dunst verschwinden lässt.

Die größte Stärke ist dabei die Beziehung zwischen Vater und Sohn. Willis hat mit seinen Taten in der Vergangenheit tiefe Narben bei seinen Kindern hinterlassen, sowohl psychisch als auch körperlich. So haben sich John und Sarah dazu entschieden mit ihren Familien so weit wie möglich weg von ihrem Vater zu ziehen. Bei John hat seine schwierige Kindheit zu Alkoholismus geführt, den er nun seit mehreren Jahren überwunden hat. Viele dieser Traumata wurden subtil in die Handlung eingeflochten, sodass sie nur bei genauerem hinsehen auffallen. Einige der eindrucksvollsten Szenen entstehen aus den Gesprächen zwischen Willis und seiner Familie. Durch die verwerflichen Aussagen des alten Mannes entstehen immer wieder unfassbar unangenehme Momente. Durch seine verletzenden Worte möchte er sich über die anderen zu stellen. Seine Familie versucht die Worte des alten zu ignorieren, doch jedes Wort ist wie ein Messerstich. An dieser Stelle ein großes Lob an Viggo Mortensen und Laura Linney, in jedem Gespräch mit Lance Henriksen sieht man immer mehr Tränen in den Augen der Schauspieler*innen und sie versuchen die Trauer zu überspielen.  Ganz großes Schauspiel.

Falling © 2020 PROKINO Filmverleih GmbH

Zwischen Mitleid und Hass

Allgemein sind alle Schauspieler*innen im Film großartig. Die beste Performance kommt allerdings von Lance Henriksen. Vermutlich ist es für viele Schauspieler*innen ein großer Spaß eine komplett boshafte Figur zu spielen und die anderen Figuren zur Verzweiflung zu treiben. Henriksen ist aber mehr als nur ein altes Ekel, er gibt seiner Figur eine emotionale Tiefe und innere Zerrissenheit. Willis weiß, dass er kein guter Mensch ist, kann sich aber selbst keine Schwäche eingestehen. Tatsächlich spielt er so feinfühlig, dass man Mitleid mit dem Mann hat und sich wünscht, dass in ihm doch ein guter Kern steckt. Unterstützt wird Henriksen dabei von einem ebenfalls großartigen Sverrir Gudnason, der Willis in jungen Jahren verkörpert. Während seiner beiden Ehen spürt man Glück und Freude in Willis, allerdings haben die Jahre ihre Spuren hinterlassen.

Leider ist der Film nicht perfekt. Im Prinzip ist FALLING eine stetige Wiederholung von ähnlichen Szenen. Wir begleiten John und Willis in neuen Situationen, in denen der alte Mann seine Hasstiraden und Beschimpfungen abfeuert. Es wäre sehr Interessant gewesen noch mehr über die Vergangenheit von Willis zu erfahren und darüber was ihn zu so einer unangenehmen Person gemacht hat.

Fazit

FALLING ist ein sehr sehenswerter Film geworden. Es ist wirklich beeindruckend, dass es sich bei dem Film um ein Regiedebut handelt, auch wenn Viggo Mortensen niemand ist, der unerfahren am Filmset ist. Der Film glänzt durch das großartige Schauspiel, sowie den Interaktionen der Charaktere und erzeugt so einige sehr unangenehme, aber auch intensive Momente. Der Film hat zwar ein paar kleine erzählerische Schwächen und nutzt nicht sein volles Potenzial, trotzdem kann ich allen raten hier mal einen Blick zu wagen. Für mich war FALLING eine sehr positive Überraschung.

In seinem Regiedebut erzählt Viggo Mortensen eine schwierige Familiengeschichte. Mortensen spielt in FALLING John Peterson, der bei einem boshaften Vater auf einer Farm aufgewachsen ist. Nun ist sein Vater Willis (Lance Henriksen) an Demenz erkrankt und soll zu der Familie nach Kalifornien ziehen. Doch Willis ist nicht einverstanden mit dem Lebensentwurf seines Sohnes, da dieser eine Ehe mit einem Mann führt. Seine Abneigung gegen Homosexuelle, aber auch Migranten oder sonstige Andersdenkende lässt der alte Mann seine Umwelt immer wieder spüren. So ist ein intensiver Film über eine zerrüttete Familie entstanden und Mortensen beweist, dass er nicht nur ein talentierter Schauspieler ist. Obwohl der Film keine überaus komplexe Handlung hat, lebt er von den vielschichtigen Charakteren und deren Interaktionen miteinander. Durch die Gespräche zwischen John und Willis entstehen einige sehr berührende, aber auch unangenehme Momente. Man merkt, dass hier zwei Schauspieler am Werk sind, die etwas von ihrem Handwerk verstehen. Leider wiederholt FALLING die immer wieder gleichen Momente und fühlt sich dadurch etwas monoton an. Trotzdem ist der Film sehr sehenswert. Wenn ihr die Chance habt, solltet ihr einen Blick wagen.

Falling © 2020 PROKINO Filmverleih GmbH