Review Fakten + Credits


Historischer Mythos meets animiertes Rockmusical: Mit INO-OH präsentiert der Regisseur von MINDGAME und NIGHT IS SHORT, WALK ON GIRL erneut sein künstlerisches Schaffen, welches auch in diesem Jahr zu den außergewöhnlichsten Seherlebnissen zählen wird. Ein Strudel aus visuellen und musikalischen Eindrücken und eine moderne Interpretation sechs Jahrhunderte lang zurückliegender Geschichte. Verknüpft mit modernen Themen und ausufernden Musiknummern entsteht ein Anime-Spektakel der besonderen Art.

Inu-Oh Filmstill

Inu-Oh ©2022 Rapid Eye Movies

Darum geht es

Eines Tages trifft ein blinder, heranwachsender Biwa-Spieler mit tragischer Vergangenheit auf einen verkleideten Jungen namens Inu-oh, der unter Maske und Kostüm seine auffälligen körperlichen Merkmale verbirgt. Beide Außenseiter finden zueinander und entwickeln ihre gemeinsame Leidenschaft für Musik weiter, bis sie schließlich zu großen Stars aufsteigen. Umjubelt touren sie durchs Land, während Inu-Oh mit jedem Auftritt an Schönheit erlangt. Doch beide lässt die schicksalshafte Vergangenheit nicht los …

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Rezension

Sind die Musikeinlagen erst einmal angestimmt, breiten sie sich exzessartig und minutenlang aus. Inhaltlich greifen sie, wie auch die klassische Geschichte abseits der Bühnenauftritte auf historische und sagenhafte Stoffe zurück, die dem Laien Legenden, Herrschaftshäuser und sagenhaften Persönlichkeiten, allen voran den Niedergang des kriegerischen Heike-Clans, nur so um Augen und Ohren schleudern. Geordnet werden müssen diese Eindrücke nach dem Film, denn währenddessen fegt INU-OH mit seinen Bildern und der Verschmelzung unterschiedlichster Kunstformen inbrünstig und haltlos dahin.

Inu-Oh Filmstill

Inu-Oh ©2022 Rapid Eye Movies

Doch INU-OH hat auch dem weniger mit einem 600 Jahre zurückliegenden Mythos vertrauten Publikum etwas zu erzählen. Anhand zweier ausgestoßener Charaktere, deren Weg zu ruhmreichen Popstars und deren persönlichen Entwicklungen entspinnen sich gesellschaftliche Reflektionen, denen in Zeiten großer Popularität von etwa Social-Media-Stars ebenso große Aktualität Inne wohnt. Auch ganz ohne die magischen Verwicklungen und historischen Bezugspunkte funktioniert INU-OH als Geschichte zweier Außenseiter, die eine glaubhafte und einander stärkende Freundschaft verbindet und denen beiden eine geheimnisumwobene Vergangenheit nachhängt. Gleichwohl sind es in erster Linie die temporeiche Inszenierung und die Kombination mit dem Rockmusik-Genre, die die Erzählung von ähnlich gestrickten Animationsabenteuern abheben.

Von der kreativen und kraftvollen Bebilderung einer Erblindung über die eigenartige Fortbewegung und Physis der Hauptfigur bis zu den optisch herausragenden Konzertszenen beweist Masaaki Yuasa auch in diesem Film seine Kreativität und künstlerische Hingabe, der er bereits in vielen vorangegangenen Werken freien Lauf lassen konnte. Erzählt wird dabei sowohl auf Ebene der Figuren, als auch auf ineinandergreifender Bild- und Tonebene. Das eine beeinflusst und ergänzt das andere zu einer virtuosen Geschichte, die in anderthalb Stunden nur selten zur Ruhe findet. Expressiv bewegen, schwingen und sprechen sich die Figuren aus, dass das unbedarfte Publikum erst einmal überwältigt sein darf. Wer dem erfrischend animierten Sog verfällt, wird mit einer japanische Mythologie, Theaterkultur und Moderne verbindenden, selten zimperlichen und allen voran stürmischen Erzählung belohnt.

Fazit

Bühne frei für einen der wildesten Animationsfilme des Jahres. Masaaki Yuasas INO-OH ist ein aufregender Ritt durch Sagen und japanische Historie, dem eine narrative Verknüpfung mit der Gegenwart gelingt. Ein eigenwilliger, mit tragischen Elementen versehener, kraftstrotzender Genrexmix, auf dessen Bühnenperformances viele Bands neidisch sein dürften.

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