FilmkritikFakten + Credits

Kabul, City in the Wind

Kabul, City in the Wind ©2021 jip film & verleih

Die Dokumentation KABUL, CITY IN THE WIND ist eine internationale Koproduktion von Aboozar Amini. Die Dokumentation wurde im Juli 2019 als einer von neun anderen Filmen als niederländischer Beitrag für den 92. Oscar zum besten internationalen Spielfilm nominiert. Aminis Film hat es nicht in die Auswahl geschafft. Nun hat sein Film den 18.11.2021 als offiziellen deutschen Kinostart. Aboozar Amini richtet sich in seiner Doku auf das Leben der Menschen in Afghanistan, die von internationalen Berichten schon lange nicht mehr erwähnt werden. Aboozar Amini hat selbst afghanische Wurzeln und ist als Teenager in den Niederlanden aufgewachsen. Heute lebt der Regisseur in Amsterdam. In seinem Film wollte Amini bewusst nicht die üblichen Klischees von Afghanistan bedienen. In der Dokumentation wollte der Regisseur die Emotionen der dargestellten Menschen aus Afghanistan widerspiegeln. Er hat auf das Visualisieren von Anschlägen, Explosionen oder Gewalt verzichtet. Für Amini war es besonders wichtig zu zeigen was für die Afghanen mittlerweile ein Alltag geworden ist und wie unter den Umständen leben.

Darum geht es…

Wir werden in KABUL, CITY IN THE WIND mit dem Leben von den beiden Brüdern Afshin und Benjamin konfrontiert. Afshin ist zwölf Jahre alt und somit „der Mann im Haus“. Sein Vater hat ihm diese Verantwortung gegeben, nachdem er aus Sicherheitsgründen das Land verlassen musste. Als Ex-Soldat ist Afshins Vater nicht vor den Taliban sicher. Von nun an verändert sich das Leben für Afshin und er muss nun auf seine zwei jüngeren Brüder und auf das Haus aufpassen. Dazu gehört zum Beispiel das gemeinsame Spielen, einkaufen, Gemeindearbeit oder Gartenarbeit dazu. Nebenbei sind für die Brüder die Anschläge und Unruhen in Kabul Alltag. Doch das lässt die Familie nicht davon ab, ihr Leben weiterzuleben und auf besseres zu hoffen. In der Dokumentation geht es unteranderem auch um den Busfahrer Abas. Abas kennt in seinem Leben nichts anderes als nur zu arbeiten und zu überleben. Jahre vergehen und nun hat Abas mit Schulden und seiner Drogensucht zu kämpfen.

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Rezension

Dokumentationen haben in erster Linie für mich die Bedeutung in ihrer Thematik, um die es in den Filmen geht, eine persönliche Verbindung mit dem Thema und den Menschen bei mir zu erreichen. Neben neuen Informationen, die ich lernen möchte, will ich auf der anderen Seite eine Authentizität erkennen. In KABUL, CITY IN THE WIND ist es Aboozar Amini gelungen eine gefühlvolle Sicht auf Afghanistan widerzuspiegeln und zur Abwechslung mehr als nur Gewalt zu zeigen. Amini beschäftigt sich auf eine sensible Weise mit den Gefühlen und Hoffnungen der Menschen, deren Geschichten näher beleuchtet werden. Die Dokumentation ist eine Momentaufnahme und springt nicht wie üblich zwischen den Zeiten. Wir begleiten das Alltagsleben der Afghanen und dadurch wirkt der Film persönlicher, emotionaler und vor allem zugänglicher. Dokumentationen, die meist nur mit Fakten punkten wollen, schrecken oft das Publikum ab. In Aminis Film können sowohl Jugendliche als auch Erwachsene Interesse an der Geschichte bekommen.

Kabul, City in the Wind

Kabul, City in the Wind ©2021 jip film & verleih

Alte und neue Generation

In KABUL, CITY IN THE WIND geht Aboozar Amini auf eine sehr clevere Weise in die Sicht der älteren und neuen Generationen der Afghanen ein. Zum einen lernen wir Abas kennen. Abas hat nie richtig leben können. Arbeiten und überleben ist nicht der Sinn des Lebens. Dieses Leben wird irgendwann nur zu Routine. Doch der Mensch will in seinem Leben auch mal Momente für sich haben. Diese bekommt Abas selten. Während viele in Afghanistan nicht aufgeben und Hoffnung weiterhin besitzen, hatte ich bei Abas den Eindruck, als würde er keinen wirklichen Sinn mehr in seinem Leben sehen. Dennoch macht er vor allem aufgrund seiner Familie weiter.

Ich habe schnell verstanden, Ehrlichkeit funktioniert nicht in Afghanistan. Also habe ich entschieden unehrlich zu sein. Und jetzt stecke ich noch tiefer im Unglück.

Auf der anderen Seite besitzen die Brüder Afshin und Benjamin Hoffnung und hoffen täglich auf ein besseres Leben. Kinder die eigentlich verdient haben ihre Kindheit auszuleben, werden mit jungen Jahren mit Verantwortung und negativen Gefühlen konfrontiert. Afshin wirkt von außen sehr Erwachsen, aber tief im inneren steckt in ihm ein Junge, der auch seine Träume hat.

Kabul, City in the Wind

Kabul, City in the Wind ©2021 jip film & verleih

Träume und Realität

Die Kameraführung von Aboozar Amini ist in KABUL, CITY IN THE WIND nah an den Menschen. Dies sorgt für eine gewisse Authentizität und man hat stellenweise das Gefühl, als würde man selbst mitten in den Straßen von Kabul sein. Was ich besonders an der Dokumentation schätze ist, dass hier nochmal deutlich wird das die Afghanen ebenfalls ein normales Leben führen zwischen all den Unruhen. Nachrichtensender aus Deutschland zeigen oft nur Attentate, die in Afghanistan geschahen und zeigen selten, wie zum Beispiel in Afghanistan neue Schulen erbaut werden. Ich hoffe das durch die Dokumentation viele zum Nachdenken angeregt werden und sich vor Augen führen, dass Afghanistan nicht nur ein Kriegsgebiet ist. Faszinierend fand ich wie die Szenen gefilmt wurden, als Afshin, Benjamin und Abas berichtet haben was sie geträumt haben. Dabei hielt die Kamera lange drauf und es gelingt die Emotionen der drei einzufangen. Ansonsten werden die Geschichten der Menschen in der Dokumentation durch eine schön komponierte Musik begleitet.

Kabul, City in the WindFazit

Aboozar Amini schafft es in seinem Film emotionale und sehr persönliche Eindrücke aus dem Leben der Afghanen einzufangen und gleichzeitig gelingt es ihm dies technisch brillant umzusetzen. Ich habe zu KABUL, CITY IN THE WIND nichts Negatives zu kritisieren und möchte an dieser Stelle jedem diesen Film ans Herz legen. Es ist unglaublich wie Amini es bei mir geschafft hat, mich in die Straßen von Kabul zurückzuversetzen. Die Dokumentation informiert Menschen, die wenig Kenntnisse vom afghanischen Alltag haben und verliert zu keiner Sekunde die Menschlichkeit der Afghanen. Dies wird akustisch durch eine wunderbare Musik verdeutlicht und durch lange Monologe der Afghanen. Auch wenn es hierbei nur um eine Momentaufnahme handelt und es schließlich nur den Alltag der Afghanen zeigt, hat es mich dennoch berührt und fasziniert, wie man aus wenigen Aspekten eine solche wunderbare Dokumentation inszenieren kann.

Schlussendlich empfehle ich Aboozar Aminis Film für jeden der sich für das Leben von Afghanen interessiert und vor allem für diejenigen die sich mit ihren vorgefertigten Vorstellungen auseinandersetzen wollen.

Originaltitel Kabul, City in the Wind
Kinostart 18.11.2021
Länge ca. 88 Minuten
Produktionsland Afghanistan | Deutschland | Japan | Niederlande
Genre Dokumentation
Verleih jip film & verleih
FSK
FSK 12

FSK 12 ©FSK


Regie Aboozar Amini
Produzierende Eva Blondlau | Sarah Hilmandi | Jia Zhao
Schnitt Barbara Hin