Bei dieser Review handelt es sich um eine Gastbesprechung.
Eine herzzerreißende Verfilmung über den Umgang mit Verlust.
Til Schweigers Filme haben gemein, dass sie von Schicksalen und Gefühlswelten handeln, zu denen jeder einen Bezug hat bzw. aufbauen kann. Im Fokus steht meist keine einzelne Person, sondern eine ganze Familie, in der jedes Mitglied sich mit dem jeweiligen Geschehen konfrontiert sieht und mit ihm zurechtkommen muss. Beispiele sind BARFUẞ und HONIG IM KOPF. Nun hat sich Schweiger mit seinem neuen Film LIEBER KURT, von ihm mit geschrieben und produziert, an ein mutiges, schmerzhaftes und schwieriges Thema herangewagt, dass jeden Menschen bereits begegnet ist oder begegnen wird: Den Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen.
Darum geht es
Der Kleine Kurt ist gerade mal 6 Jahre alt, als er unvorhergesehen aus dem Leben gerissen wird: In der Schule fällt er von einem Klettergerüst und stirbt. Sein Tod ist für die Menschen, die ihm nahestehen, ein großer Schock. Vor allem sein Vater, Kurt, ist vollkommen erschüttert und findet sich an einem dunklen Ort wieder, von dem aus er schwer zu erreichen ist. Seine Freundin, Lena, muss erst lernen, sich in dieser neuen, ungewohnten Situation zurecht zu finden. Für einige Zeit ist das Leben des Paars aus den Angeln gerissen. Werden sie es schaffen, mit dem Verlust zu leben?
Es handelt sich hierbei um die Verfilmung des Buches ˋKurt´. Hier muss gesagt werden, dass der Film sich mehr auf den trauernden Vater fokussiert anstatt wie in dem Roman auf die ebenfalls trauernde Lena, die sich fragt, wieviel Trauer ihr, als Außenstehende, eigentlich zusteht.
Rezension
Eine Erzähltechnik, die man Til Schweiger zuschreiben kann, ist die authentische Vermittlung von privaten Gedanken und Gefühlen der Charaktere. Man bekommt immer einen klaren Eindruck darüber, was sich im Inneren der Person gerade abspielt. Diese Ehrlichkeit macht Spaß und gibt jedem die Chance, in die Situation mit einzusteigen. In Form von verlangsamten Momentaufnahmen, gepaart mit dem richtigen Licht und musikalischer Untermalung fühlt man mit, anstatt nur ein Zuschauer zu sein. Emotionale Anteilnahme ist etwas, was dem Film nicht fehlt. Der Film vermittelt gut, dass Trauer kein linearer Prozess ist, sondern einen mal vor und anschließend, durch ein Flashback, wieder zurückwirft.
Es scheint keinen Unterschied zu machen, ob der Unfall erst wenige Stunden oder ein halbes Jahr her ist, der gesamte Film vermittelt Zeitlosigkeit. Auch wenn sich die Geschichte rund um den Tod des kleinen Kurts dreht, so stiehlt Schweiger mit seiner Rolle als Familienvater vollkommen die Show, und das im Positiven: Es ist schwer, die Tränen zurückzuhalten, während man ihn auf dem Bildschirm innerlich zusammenbrechen sieht. Er scheut nicht davor zurück, sich von der Trauer überwältigen zu lassen und zeigt im Zuge dessen, dass er ein breites Spektrum an Gefühlen draufhat und bereit ist, alles zu geben. Til Schweiger ist selbst ein Vater, was sein Schauspiel umso authentischer macht. Schon in anderen Filmen hat er gezeigt, dass er die Rolle des Vaters und des Beschützers beherrscht. Seine jetzige Rolle in LIEBER KURT verkörpert er jedoch auf einem neuen, höheren Niveau und ist definitiv lobenswert.
Humor als Trostpflaster
Auch das Set Design vermittelt eine natürliche, wohnliche Atmosphäre. Als zentraler Schauplatz wurde ein Haus gewählt, das gerade erst dabei gewesen ist, renoviert zu werden und symbolisiert einen Neuanfang. Auch für den kleinen Kurt wurde ein liebevoller Platz geschaffen und überall liegen bereits seine Spielzeuge auf dem Boden, weshalb es Kurt und Lena nach seinem Tod noch viel schwerer fallen, ihn gehen zu lassen. Nun schwingt an diesem Ort für immer die Erinnerung daran mit, dass der kleine Kurt keinen neuen Lebensabschnitt erleben konnte. Die Renovierungsarbeiten rund um das Haus bieten den Charakteren breite Spielfläche. So reißt Schweiger als trauernder Familienvater wütend und unter Tränen mitten in der Nacht die Fliesen von den Badezimmerwänden und Lena pflanzt die Jasminbäume im Garten ein, die der kleine Kurt bei seinem nächsten Besuch selbst einpflanzen wollte, ohne das Wissen, dass es kein Nächstes mal mehr geben wird.
Auch Til Schweigers unverblümter Humor findet in dem Film Platz. Sei es in Form von dem kleinen Kurt, der sich als Schlingel entpuppt und für sein Leben gern Witze erzählt und andere Menschen zum Lachen bringt oder bei seinem Vater, der einen mit seiner Schlagfertigkeit durchaus zum Schmunzeln bringt. Diejenigen, die also gefürchtet haben, dass sie ihre Taschentücher gar nicht mehr weglegen können, dürfen sich beruhigen: Wie als ob Schweiger verstanden hat, dass das Publikum ein bisschen Aufheiterung nach so einem schweren Thema mehr als verdient hat, erzählt er die Kennenlerngeschichte von Kurt und Lena- und bietet die Möglichkeit zur Abwechslung einmal herzlich aufzulachen.
Fazit
Im Großen und Ganzen ist die Umsetzung der Originalstory auf die Leinwand gut gelungen, trotz einiger Abwandlungen. Besonders die Gegenüberstellung der positiven Flashbacks, die die noch heile, glückliche Patchworkfamilie, Vater Kurt, seine Freundin Lena und Sohn Kurt zeigen, die der anschließend traurigen Realität ohne Kurt gegenübergestellt werden, ist ein gutes Stilmittel, und hebt den tragischen Verlust hervor, anstatt ihn zu minimieren. Allerdings würde der Film davon profitieren, den Tod des Sohnes nicht gleich an den Anfang zu setzen, da es andernfalls schwerer fällt, zu der verunglückten Person eine emotionale Bindung aufzubauen, und die ist schließlich die Basis des gesamten Films. Außerdem möchte ich darauf aufmerksam machen, dass er für Menschen, die bereits jemanden verloren haben, mit Vorsicht und am besten nicht alleine geschaut werden sollte, da die eigene Trauer wieder aufkommen kann und es da wichtig ist, das man einen Ansprechpartner bei sich hat, mit dem man sich austauschen kann. Doch durch die vorsichtige, warmherzige Herangehensweise, die der Film nutzt um Trauer und Trauerbewältigung an die Zuschauer heranzubringen, kann er sogar Menschen bei der Verarbeitung ihrer eigenen Trauer unterstützen.
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Originaltitel | Lieber Kurt |
Kinostart | 15.9.2022 |
Länge: | 89 minuten |
Produktionsland | Germany |
Genre: | Komödie | Drama |
Regie | Til Schweiger |
Cast | Heiner Lauterbach, Til Schweiger, Franziska Machens, Jasmin Gerat, Nina Proll, Marie Burchard, Steffen Wink, Peter Simonischek, Teresa Harder, Aleksandar Jovanović, Herbert Knaup, Tamer Tıraşoğlu, Sami Nasser, Lee Rychter, Karin Lischka, Emilio Sakraya, Levi Wolter |
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