Was im Westen Amazon ist, ist in China der Konzern Alibaba. Der Konzern bietet mehrere Plattformen, auf denen sie das B2B-, B2C- und C2C-Geschäft bedienen. Ob man nun als Firma eine neue Fräsmaschine benötigt oder als Privatperson eine neue Jogginghose braucht, bei Alibaba wird man vermutlich fündig werden. Seit der Gründung im Jahr 1999 sind etliche weitere Bereiche dazugekommen. Was für uns PayPal ist, wird in China durch Alipay geboten. Es gibt eigene Messenger, eigentlich wird alles bedient, was in unserer digitalen Welt benötigt wird. Seit 2014 hat der gigantische Tech-Konzern nun auch ein eigenes Filmstudio, die Alibaba Pictures Group. Da der chinesische Filmmarkt immer weiter wächst, gab es in den letzten Jahren einige Kooperationen zwischen Alibaba und Hollywood-Studios, wodurch Filme wie FINCH, GEMINI MAN, MISSION IMPOSSIBLE – FALLOUT und viele weitere entstanden sind. Einer der neuesten Einträge in den Katalog von Alibaba Pictures ist RIDE ON – DIE ZWEITE CHANCE, in dem Jackie Chan einen abgehalfterten Stuntman
Darum geht es…
Lao Luo (Jackie Chan) hat die besten Tage hinter sich. In jungen Jahren war er ein gefragter Stuntman, doch die Welt hat sich weitergedreht. Niemand hat mehr Interesse an ihm und seinem Pferd Roter Hase. Dieses Pferd ist sein einziger treuer Begleiter, egal was ihm passiert, Roter Hase war immer für ihn da. Als Lao Luo eines Abends in einem Restaurant sitzt, kommen alte Bekannte auf ihn zu, Schuldeneintreiber, die ihm sein Pferd wegnehmen wollen. Als er Roter Hase damals bei sich aufnahm, hat er auf einen Vertrag verzichtet. Durch seine naive Gutherzigkeit hat er das Pferd niemals richtig übernommen. Um gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen, sucht er sich Hilfe bei seiner Tochter Xiaobao (Haocun Liu). Sie studiert gerade Jura und kann ihm vielleicht aus der Patsche helfen. Xiaobao ist allerdings wenig erfreut, als sich ihr jahrelang abwesender Vater nur dann meldet, wenn er Schwierigkeiten hat.
Rezension:
Was erwarten wir von einem Film wie RIDE ON – DIE ZWEITE CHANCE, in dem Jackie Chan die Hauptrolle spielt? Natürlich ausgezeichnete Kämpfe, die uns mit ihren ausgeklügelten Choreografien beeindrucken. Die typischen Jackie-Chan-Kämpfe, in denen er uns durch eigene kleine Fehler zeigt, dass er kein perfekter Superheld ist. Chan hat uns in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass seine Kung-Fu-Aktionen nicht nur atemberaubende körperliche Höchstleistungen waren, sie haben den Figuren Charakter verliehen und ihnen mehr Profil gegeben. Nun sind wir leider an dem Punkt angekommen, an dem selbst ein Jackie Chan zu alt für seine eigenen Stunts wird. Zu Beginn des Films sieht man eine Kampfszene, die den Glanz früherer Tage einfangen soll. Statt die Kamera auf die Action zu halten, soll mit vielen Schnitten kaschiert werden, dass nicht nur Lao Luo seine besten Tage hinter sich hat, sondern auch Jackie Chan. Grundsätzlich wird uns alle früher oder später das Alter einholen, auch ein Filmstar bleibt nicht verschont. Vielleicht wird es dann aber auch für Jackie Chan Zeit, junge Darsteller*innen zu fördern und einen Schritt zurückzutreten.
Dass wir einem alten Mann zusehen, wird nicht nur in der Körperlichkeit des Schauspielers sichtbar, sondern auch in seinem Schauspiel. Alles wirkt so, als wolle sich Jackie Chan so sympathisch wie möglich darstellen. Dafür hat er aber eine unpassende Figur ausgewählt. Wir begleiten einen Mann, der sich in der Vergangenheit gegen seine Familie und für seinen überaus riskanten Job entschieden hat. Dabei hat er seine Frau und kleine Tochter alleine gelassen, um sich in seiner Stunt-Karriere zu verwirklichen. Hier hätte RIDE ON – DIE ZWEITE CHANCE die Möglichkeit gehabt, eine spannende Geschichte über Trauer und Vergebung zu erzählen. Nur leider machen die Figuren kaum Entwicklung durch, auch wenn dies immer wieder behauptet wird. Xiaobao versucht plötzlich ihrem Vater zu helfen, obwohl er sie im Stich gelassen hat. Erst später werden Konflikte forciert, die wie aus dem Nichts verpuffen, bis zum Happy End.
Wer nicht kämpfen kann ist ein Waschlappen!
Das gesamte Erscheinungsbild von RIDE ON – DIE ZWEITE CHANCE passt nicht zu der eigentlich sehr negativen Hauptfigur. Humor soll durch Grimassen und furzende Pferde (das passiert wirklich) erzeugt werden und wird dann noch von Musik unterlegt, die direkt von den Looney Tunes stammen könnte. Statt Neues auszuprobieren, wird dabei auf klassische Humor-Stilmittel gesetzt, die schon vor zehn Jahren angestaubt waren. Lao Luo unterhält sich mit dem Verlobten seiner Tochter und wirft ihm immer wieder grimmige Blicke zu, wenn Xiaobao gerade nicht hinsieht. Immerhin ist er der Vater (auch wenn er sich jahrelang nicht gekümmert hat), und man muss ihn um Erlaubnis fragen, wenn geheiratet werden soll. Viele solcher konservativen Anachronismen werden in RIDE ON – DIE ZWEITE CHANCE immer wieder bedient, nicht zuletzt die Aussage, dass ein Mann kämpfen können muss, um seine Frau zu beschützen. Solche Statements werden einfach platziert, ohne dass sie weiter hinterfragt werden.
Am problematischsten wird RIDE ON – DIE ZWEITE CHANCE dann, wenn man den Blick der Hauptfigur auf die heutige Filmwelt betrachtet. Es ist immerhin noch nachvollziehbar, dass Lao Luo mit den vielen digitalen Effekten heutiger Filme fremdelt, da er aus einer Welt kommt, in der alles praktisch gedreht wurde. Wenn er dann aber lieber sein geliebtes Pferd in Gefahr bringt, anstatt sich auf ein Modell zu setzen, das später durch ein computergeneriertes Pferd ersetzt wird, sendet der Film eine sehr fragwürdige Botschaft. Heutige Filmproduktionen wollen glücklicherweise keine Tiere quälen, weshalb man diese im Computer erstellt. Genauso sieht es bei den eigenen Stunts aus. Lao Luo kritisiert, dass sich Stuntleute nicht mehr richtig in Gefahr bringen. Auch dies wird einfach so stehen gelassen, als Aussage des Helden. Hier hat ebenfalls eine Entwicklung stattgefunden, sobald sich Stuntleute schlimm verletzen, ist ihre Existenz bedroht, wie es im Film auch bei Lao Luo der Fall ist. Dass Jackie Chan, einer der bekanntesten Stuntleute der Welt, dann solche Thesen in den Raum stellt, ist voller Hohn für die ganze Branche talentierter Stuntpersonen.
Fazit:
Wenn man bei RIDE ON – DIE ZWEITE CHANCE einen klassischen Jackie Chan Film erwartet, wird man vermutlich enttäuscht werden. Der Altmeister hat, genau wie seine Figur, die besten Tage hinter sich und präsentiert sich im Film nur noch durch fragwürdige Thesen. Wir sollen hier mit einer ekelhaften Figur sympathisieren, die uns immer wieder zeigt, dass sie die moderne Welt nicht mehr versteht. Lao Luo ist ein wahnsinniger Narzisst, der seine Tochter nur kontaktiert, wenn er Hilfe benötigt, und konstant fragwürdige Thesen in den Raum stellt. Trotzdem sollen wir Mitleid für ihn fühlen, was eher nach hinten losgeht. In RIDE ON – DIE ZWEITE CHANCE werden Frauen als das schwache Geschlecht dargestellt, Männer müssen kämpfen können, Tiere müssen für Filme gequält werden, und wer seine Konflikte nicht mit Gewalt löst, ist eh ein Waschlappen. Willkommen in der Steinzeit.
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Originaltitel | 龙马精神 |
Kinostart | 7.4.2023 |
Länge: | 126 minuten |
Produktionsland | China |
Genre: | Action | Komödie | Drama | Familie |
Regie | Larry Yang |
Executive Producer | Fu Ruoqing |
Producer | Jie Li | Victoria Hon |
Cast | Jackie Chan, 劉浩存, 郭麒麟, 吴京, Joey Yung, 于荣光, 安志傑, Xiao Shenyang, 呂良偉, Aarif Rahman, 余皑磊, 郎月婷, 释行宇, Wang Yuze, 潘斌龙, 贾冰, Yin Xiaotian, Stanley Tong, Shuangli Zhang, Kong Lin |
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