Originaltitel: Haemoo
DVD/Blu-ray – Release: 25.03.2021
Länge: ca. 111 Minuten
Produktionsland: Südkorea
Regie: Sung-bo Shim
Schauspieler:innen: Kim Yoon-seok | Yoo-chun Park | Yeri Han
Genre: Drama | Thriller
Verleih: Koch Films
Ganze sieben Jahre hat es gedauert, bis der Thriller SEA FOG es endlich auch ins deutsche Filmrepertoire geschafft hat. Bereits im Jahr 2014 produziert, war dies die offizielle Einreichung Südkoreas bei den Oscars 2015 in der Kategorie bester fremdsprachiger Film. Aufmerksamkeit bekommt der Film spätestens seit dem überragenden Triumph von PARASITE und Bong Joon-ho, der ein großes Stück Geschichte für die südamerikanische Filmindustrie geschrieben hat. Joon-ho hat auch an diesem Film mitgewirkt und zusammen mit dem Regisseur Sung-bo Shim das Drehbuch verfasst. Im Cast erregt vor allem ein Name gerade große Aufmerksamkeit. Yeri Han hat seine ersten Filme 2007 veröffentlicht und sich mittlerweile zu einer nicht mehr wegzudenkenden Persönlichkeit des südkoreanischen Films gemausert. In Kürze wird er zu sehen sein in MINARI: WO WIR WURZELN SCHLAGEN, der gerade erst sechs Oscarnominierungen erhalten hat.
Das Thema des Films ist leider ein sehr ernstes und vor allem reales. In den Jahren 1997 und 1998 verfiel Südkorea zusammen mit Indonesien, Thailand, Malaysia, Singapur und den Philippinen in eine tiefe Wirtschaftskrise, die das finanzielle Gleichgewicht neu verteilte und die Menschen in den Städten näher an eine Armut führte, während ländliche Regionen stark profitieren konnten. Da die Einnahmen schlecht waren, kam es immer wieder vor, dass Fischer und andere Schiffe sich dazu hinreißen ließen, sich am illegalen Schmuggel zu Beteiligen. Dabei ging es jedoch schon lange nicht mehr um materielle Schätze, sondern um Menschenhandel, der mit China betrieben wurde.
Darum geht es…
Kapitän Kang Chul-joo ist ein Opfer der asiatischen Finanzkrise und hat es nicht leicht sich durch seine Arbeit als Fischfänger finanziell über Wasser zu halten. Dies ist besonders daran erkenntlich, dass er noch immer mit herkömmlichen Gerätschaften arbeiten muss, nur eine kleine Crew anheuern kann und mit rudimentären Mitteln versucht genug Fische zu fangen, um zumindest die Instandhaltung des Bootes zu zahlen. Doch selbst dafür reicht es nicht aus. Auch seine Frau betrügt ihn und sein ganzes Leben scheint den Bach runter zu gehen. Doch es zeigt sich ein Hoffnungsschimmer, als ihm das Angebot unterbreitet wird für einen ordentlich Sack voll Geld etwas zu transportieren. Dabei handelt es sich weder um Schmuck noch Lebensmittel, sondern um Menschen. Arg skeptisch angesichts dieses Angebots, geht er doch auf diesen Deal ein, doch soll sich dieser Transport als schwieriger herausstellen, als es anfangs zu erahnen war.
Rezension
In einem düsternden und nervenaufreibenden Thriller schafft es Regisseur Sung-bo Shim eine reale Geschichte zu erzählen, die aktueller wohl kaum sein könnte, trotz dass der Handlungszeitraum eigentlich schon vor über 20 Jahren angesiedelt war. Mit SEA FOG zeigt er uns wieder ein Stück mehr eines großen löchrigen Puzzels, welches unser Verständnis asiatischer Gesellschaftsstrukturen prägt. Zwar sind Flüchtlingstransporte durchaus bekannt, stammen jedoch zumeist eher aus nordkoreanischen Gefilden. Südkorea ist hierfür nur selten Mittelpunkt der Berichterstattung, was es umso wichtiger macht, dass dieses Werk nun auch international vertrieben wird. Schon die ersten Sequenzen lassen aufblicken, denn sie zeigen uns kaum vorstellbare Arbeitsbedingungen, die vermutlich noch immer anhalten und das mitteleuropäische Vorstellungsvermögen von Sicherheit am Arbeitsplatz völlig neu definieren.
Der Einsatz dieser traditionsreichen Gerätschaften, die über viele Jahrzehnte hinweg Nutzen in der Fischerei fanden, schafft es uns ein schreckliches Bild der Realität zu präsentieren und dem Betrachtenden ein Gefühl zu vermitteln, mit welchen Strapazen diese Arbeit auf Körper und Geist verbunden ist. Verschiedene Indikatoren werden zudem aufgerufen, die uns die Hauptfigur, gespielt von Kim Yoon-seok, näher definieren und charakterisieren. Sung-bo Shim schafft es dabei die ausgestrahlte Liebe des Protagonisten zu seinem Schiff, dem einzigen Element, was ihm offenbar im Leben immer geblieben ist, markant zu fokussieren und ein Verständnis dafür zu schaffen, dass dieser das Fahrzeug und Arbeitsmittel als identitär betrachtet.
In der Ruhe liegt die Kraft
SEA FOG schafft es zudem soviel Schmutz und Dreck auf die Leinwand zu tragen, dass auch der Betrachter sich dieser schmuddeligen Welt angehörig fühlt und sowohl Verständnis als auch Ekel in unsäglichem Ausmaß entwickelt. Symptomatisch dafür sind vor allem Szenen, die unter Deck (sowohl in der Ladekammer für Fisch als auch im Maschinenraum des Bootes) stattfinden. Die Bilder sind dabei häufig von Dunkelheit und schlechten Wetterverhältnissen geprägt, auch wenn es immer wieder Tagesszenen gibt, die ebenfalls den Atem stocken lassen. Wie bei asiatischen Filmen üblich, ergreift der Film dabei eine eher ruhigere Stimmung, die sich jedoch zu mehreren kleinen Höhepunkten aufspielt und ähnlich wie bei PARASITE in einem fulminanten und unberechenbaren Ende gipfelt, geprägt von totalem Chaos und einer zerstörerischen Persönlichkeitsentwicklung.
Generell wird dabei aus einer Perspektive erzählt, die versucht die Schicksale aller Figuren gleichermaßen zu beleuchten, sich aber dabei dennoch immer wieder auf den Kapitän und einen jungen Arbeiter fokussieren. Mit Hilfe des letzteren wird zudem eine Romanze etabliert, die sich scheinbar sekundär zur sonstigen Handlung entwickelt und dennoch in der finalen Story einen wesentlichen Part einnimmt und uns zudem ein ungewöhnliches und zugleich interessantes Ende vermittelt. Diese sorgt dafür, dass die Betrachtungsweise des Films verschoben wird und sich von der realen Katastrophe abhebt, uns jedoch ein offenes Ende bietet, welches nicht unbedingt nötig gewesen wäre und womöglich sogar die Stärken zuvor gezeigter Ereignisse ein wenig überdeckt.
Besticht mit Einfachheit
Das Schauspiel braucht dabei keine wesentliche Erwähnung finden, da viele Auftritte recht emotionslos, aber dennoch der Rolle entsprechend, dargeboten werden. Wer auf der Suche nach Enthusiasmus und Fröhlichkeit ist, ist mit SEA FOG definitiv schlecht bedient, denn im Grunde reiht sich hier ein inhaltliches Unglück an das andere, welche nur für wachsende Erschütterung sorgen können. Dabei werden viele Elemente ungeschönt gezeigt und bringen uns den Wahnsinn dieses Ereignisses auf spannende Art und Weise näher. Sung-bo Shim schafft es dennoch den Betrachtenden in eine Lage zu versetzen, in der die Person überlegt: Wie hätte ich gehandelt? Wäre ich anders vorgegangen? Ist die Intention hinter den Handlungen nicht sogar teilweise gut zu bewerten?
Etwas unschön daran ist vor allem, dass die Geschehnisse teilweise recht realitätsfern zu sein scheinen und es nur schwer nachvollziehbar ist, welche dramaturgischen Mittel nun hinzugefügt wurden, um daraus einen runden Film zu entwickeln. Auch ist das Motiv für den Menschenschmuggel etwas zu zaghaft inszeniert wurden, sodass die Ausweglosigkeit der Hauptfigur nur ansatzweise zum Tragen kommt. Zudem wird es nur teilweise geschafft, dass die Zuschauenden eine Bindung zu den einzelnen Figuren aufbauen kann. Der Versuch eine zentrale Person zu etablieren, um die sich die Handlung herum strickt, ist eine sinnvolle Methode, hat hier aber nur bedingt geklappt. Dies jedoch sind Faktoren, die das Filmerlebnis mit SEA FOG kaum schmälern.
Fazit
Auch wenn Titel und deutsches Filmcover gefühlt etwas völlig anderes versprechen, als wir letztlich erhalten, ist die Handlung doch eine sehr wichtige und erzählenswerte. Mit wenigen Mitteln wurde es geschafft eine spannende und leider reale Geschichte zu spektakulär zu erzählen und dabei ist klar auch der Einfluss von Bong Joon-ho ersichtlich, der mit seiner ergänzenden Arbeit am Drehbuch großen Einfluss auf die schreckliche und bedrückende Atmosphäre gehabt zu haben scheint. Weit ab vom Gute-Laune-Kino ist der Film eher etwas, das man erleben möchte als ihn zu genießen und somit zwar für große Kinoabende geeignet, nicht jedoch zum allabendlichen Abschalten in den eigenen vier Wänden.
Während in Europa im letzten Jahrzehnt der Menschenschmuggel boomte und das Thema Schleuser teilweise allabendlich in den Medien aufgegriffen wurde, sind entsprechend ähnliche Ereignisse in Asien gen Ende des letzten Jahrtausends eher selten und bruchstückhaft bekannt geworden. Sung-bo Shim hat sich dieser Thematik schon vor sieben Jahren angenommen und zusammen mit Bong Joon-ho ein Drehbuch auf wahren Ereignissen basierend entwickelt. In SEA FOG wird dabei die grausame Realität der asiatischen Wirtschaftskrise symptomatisch gezeigt und vielmehr noch auf ein Ereignis verwiesen, welches von Verzweiflung nur so strotzt. Dabei werden mit einfachsten Mitteln, relativ wenigen Schnitten, imposanter Musik und durchdringenden Soundeffekten sowie präzisen Kameraeinstellungen Situationen geschildert, die völlig einzigartig scheinen und doch auch einem breiten Spektrum an historischen Geschehnissen zugeordnet werden können. Insbesondere sollte man sich dabei nicht vom deutschen Filmcover abschrecken lassen, welches einen völlig falschen Eindruck vom Werk hinterlässt, muss sich aber vor allem bewusst sein, dass dies kein Unterhaltungsfilm ist, sondern viel mehr ein schreckliches Drama. Dennoch ein lohnenswerter Film, der es beeindruckender Weise schafft Verständnis für alle Protagonisten zu entwickeln, wo eigentlich keins gegeben sein sollte.
Schauspieler:in | Rolle |
Kim Yoon-seok | Capt. Kang Chul-joo |
Yoo-chun Park | Dong-sik |
Yeri Han | Hong-mae |
Seong-kun Mun | Wan-ho |
Kim Sang-Ho | Ho-young |
Hee-joon Lee | Chan-wook |
Seung-mok Yoo | Kyung-koo |
In-gi Jeong | blinder Passagier |
Kyung-Sook Jo | Yool-nyeo |
Deok-jae Jo | |
Dong-yong Lee | Mann, der im Restaurant Sex hat |