Anfang 2020 ist Regisseur und Drehbuchautor Christian Alvart ein zufälliger Glücksgriff gelungen. Im Jahr 2019 hat er begonnen, eine Serie zu inszenieren, die auf einer fiktiven Nordseeinsel spielen sollte. Auf der Insel SLØBORN wurde langsam bekannt, dass auf dem Festland ein mutiertes Grippevirus für Chaos sorgt. Die sogenannte Taubengrippe hat insbesondere Erwachsene getötet, auf der Insel schien man zuerst sicher zu sein, bis Auswertige den Erreger eingeschleppt haben. Zu dem Zeitpunkt der Dreharbeiten hat noch niemand geahnt, dass wir nur wenige Monate später selbst von einer Pandemie getroffen werden. Unsere Corona-Pandemie hält mittlerweile so lange an, dass Alvart die Chance hatte, eine zweite Staffel der Serie zu schreiben und zu drehen.
Da die erste Staffel von Zuschauer*innen und Kritiker*innen gleichermaßen positiv aufgenommen wurde, hat das ZDF schnell den Weg für eine Fortsetzung geebnet. In der zweiten Staffel sehen wir einige der liebgewonnenen Figuren und Schauspieler*innen wie Emily Kusche, Wotan Wilke Möhring oder Alexander Scheer auf die fiktive Insel zurückkehren. Diesmal verschiebt sich der Fokus aber auf die Übriggebliebenen, sodass vorherige Nebenrollen in den Fokus rücken und Darsteller*innen wie Lea van Acken, Aaron Hilmer oder Karla Nina Diedrich glänzen können. Warum ihr diese deutsche Serie auf keinen Fall verpassen solltet, erfahrt ihr in meinem Text.
Darum geht es…
Nachdem die Taubengrippe auf der Insel SLØBORN gewütet und vermutlich die ganze Welt im Griff hat, befindet sich die schwangere Evelin (Emily Kusche) mit ihren drei jüngeren Brüdern im Haus der Familie. Sie gehören zu den wenigen Überlebenden, die noch auf der Nordseeinsel zurückgeblieben sind. Ihnen angeschlossen hat sich der Schriftsteller Nikolai Wagner (Alexander Scheer), der eigentlich nur für eine Lesung gekommen ist und die Insel nun nicht mehr verlassen kann. Evelin versucht mit allen Mitteln SLØBORN zu verlassen, nachdem sie auf einem selbst durchgeführten Ultraschall feststellt, dass es Unregelmäßigkeiten bei ihrem Kind gibt. Sie sehnt sich nach ärztlicher Betreuung, allerdings ist das nächste Krankenhaus in Husum, also auf dem Festland.
Neben Evelin und ihren Brüdern befinden sich noch weitere Jugendliche auf der Insel. Um jungen Straftätern eine Chance zu geben, hat der Sozialarbeiter Magnus Fisker die Initiative „Neue Chance Sløborn e.V.“ ins Leben gerufen. Sie sollten einen Hof bewirtschaften und durch harte Arbeit und Teamwork zurück in die Normalität finden. Ohne Magnus hat seine Kollegin Freja (Karla Nina Diedrich) die Aufsicht der Gruppe übernommen und stößt mit den eigensinnigen Jungs und Mädchen an Ihre Grenzen. Da hilft es auch nicht, dass einmal die Woche eine Gruppe Piraten auf die Insel kommt, um die leerstehenden Häuser zu plündern oder ein mysteriöser Mann in einem gelben Schutzanzug über die Insel spaziert und seine Waffe auf alle richtet, die ihm begegnen.
Rezension
Was kommt als erstes in den Sinn, wenn man an deutsche Produktionen denkt? Hat man vielleicht kitschige Samstag-Abend-Filme im Kopf, die vor lauter Schmalz triefen? Möglicherweise hat man auch die immer gleichen Tatorte im Sinn, bei denen es mehr um die Darstellung der Ermittler*innen geht als um den eigentlichen Kriminalfall. Für mich sind es häufig die furchtbaren Dialoge, immer wieder stolpere ich über Filme und Serien, bei denen ich denke: „So spricht doch niemand!“. Sämtliche Gespräche wirken wie abgelesen und Hölzern. Dabei sollte man vermutlich weniger den Schauspieler*innen einen Vorwurf machen als den Regisseuren, die von ihren Darstellern verlangen, sich genau ans Script zu halten. Filmschaffende wie Christian Ulmen zeigen mittlerweile, dass es auch anders geht. Ulmen orientiert sich an amerikanischen Produktionen und lässt seine Rollen die Texte zum Teil improvisieren, damit organische Gespräche entstehen. Einer der Gründe, warum JERKS zu den besten Serien der letzten Jahre gehört.
Warum nun aber dieser lange Vorbau zur eigentlichen Kritik? Christian Alvart schafft mit SLØBORN dasselbe wie Christian Ulmen. Jedes Mal, wenn ich mir eine deutsche Produktion ansehe, graut es mir bereits vorher vor den Dialogen, nicht aber in dieser Serie. Die Gespräche der Figuren wirken wie aus dem Leben gegriffen, Alvart hat ein ausgezeichnetes Gespür für eine überzeugende Darstellung seiner Serie. Wie häufig hat man schon vordem Bildschirm gesessen und sich darüber geärgert, dass die Protagonist*innen ihre Informationen nicht teilen, worauf später Konflikte entstehen, die mit einem einfachen Gespräch hätten verhindert werden können. Nicht aber auf der kleinen Insel SLØBORN, hier sprechen die Menschen miteinander, und trotzdem bietet die Serie genug, dass man gebannt vor dem Bildschirm sitzt.
Realitätsnah und persönlich
Insgesamt ist SLØBORN ein sehr realistischer Ort, der so irgendwo in Deutschland sein könnte. Für die Umsetzung der Serie wurde darauf geachtet, auf Gegenstände aus der echten Welt zurückzugreifen. Wenn beispielsweise ein Supermarkt geplündert wird, sehen wir die echten Artikel, die auch wir im Laden um die Ecke finden. Durch solche vermeintlichen Kleinigkeiten fällt es uns als Zuschauer*innen leichter, ein Gefühl für die fiktive Welt zu entwickeln. Insgesamt wurde auf viele Details geachtet, in der Bibliothek sehen wir echte Romane im Regal stehen (hauptsächlich nordische Krimis um die Nähe zu Dänemark zu verdeutlichen) und die Insel SLØBORN hat mit SLO ein eigenes Kürzel auf den Kennzeichen der Autos.
Eine große Stärke der Serie sind die vielen unterschiedlichen Figuren mit ihren verschiedenen Motivationen. Es war beispielsweise ein sehr cleverer Zug von Alvart, in der ersten Staffel eine Gruppe krimineller Jugendlicher einzuführen. Nun hat man die Chance, mehr über sie zu erfahren, sie haben aufgrund ihrer Vergangenheit alle eine spannende Geschichte. Insbesondere muss man hier die schauspielerische Leistung von Lea van Acken hervorherben. Die junge Schauspielerin gibt ihrer Rolle eine diffuse Bedrohlichkeit. Sie wirkt impulsiv, und man weiß nie, was sie als nächstes vorhat. Trotzdem fällt sehr schnell auf, dass sich hinter der starken Facette eine tief gebrochene Figur befindet. Ohne dies artikulieren zu müssen, gibt sie diese Emotionen allein durch ihre Mimik wieder. Es würde mich nicht überraschen, wenn van Acken noch eine große Karriere vor sich hat.
Die Erwartungen bleiben hoch
Neben Lea van Acken sollte man erneut Emily Kusche erwähnen, die die Hauptrolle der Serie verkörpert. Sie bietet eine gewohnt ausgezeichnete Leistung, wie man es schon aus der ersten Staffel kennt. Was sehr positiv auffällt, ist das reduziertere Schauspiel von Alexander Scheer. In der ersten Staffel hat er wesentlich ausschweifender gespielt und gibt Nikolai Wagner nun eine wesentlich ruhigere und menschlichere Facette, die man sich bereits in der ersten Staffel gewünscht hat.
Insgesamt erzählt SLØBORN eine sehr spannende Geschichte, und ich freue mich schon auf die dritte Staffel, allerdings hat die Serie auch ein paar Schwächen. Obwohl die Serie sich auf verhältnismäßig wenige Handlungsstränge beschränkt, entsteht zwischen ihnen doch ein qualitatives Ungleichgewicht. Gerne hätte man noch mehr über die kriminellen Jugendlichen und ihren Hof erfahren, als sich so lange mit der schwangeren Evelin aufzuhalten, in deren Story teilweise sehr stark auf der Stelle getreten wurde. Außerdem stellt sich einem die Frage, warum eine Figur nach ihrer Enthüllung spricht wie Yoda, dann aber in der nächsten Folge ganz normale Dialoge führt. Eine seltsame Entscheidung.
Fazit
Alles in Allem halte ich SLØBORN für eine sehr sehenswerte Serie, und ich hoffe sehr, dass ich nicht wieder zwei Jahre auf eine neue Staffel warten muss. Christian Alvart beweist, dass auch in Deutschland talentierte Filmemacher*innen und Schauspieler*innen leben, die sich nicht vor Hollywood-Größen verstecken müssen. Wenn ihr Lust habt auf eine spannende Serie mit großartigen Schauspielern, tollen Dialogen und viel Liebe zum Detail, solltet ihr euch SLØBORN nicht entgehen lassen. Beide Staffeln gibt es aktuell in der ZDF-Mediathek.
Wie hat dir die Serie gefallen?
In der zweiten Staffel seiner Serie SLØBORN setzt Regisseur Christian Alvart direkt an die Geschehnisse der ersten Staffel an. Die Welt ist im Griff der Taubengrippe, einem mutierten Virus mit einer Sterblichkeitsrate von über 90%. Auf der kleinen Nordseeinsel SLØBORN befindet sich Evelin (Emily Kusche) mit ihren drei Brüdern und dem Schriftsteller Nikolai Wagner (Alexander Scheer) und versucht, einen Weg von der Insel zu finden, um ihr Kind in einem Krankenhaus auf die Welt zu bringen. Währenddessen hoffen ein paar kriminelle Jugendliche auf ein besseres Leben und richten sich einen Hof auf der Insel her. Der Frieden wird allerdings getrübt, als Plünderer auf die Insel kommen.
Die zweite Staffel von SLØBORN schafft es nicht nur an die Handlung, sondern auch an die Qualität der ersten anzuschließen. Christian Alvart hat eine Serie geschaffen, die alle Schwächen von deutschen Produktionen beiseite wischt und sich anfühlt wie ein hochwertiges Produkt aus den USA.
Zum einen hängt dies mit den realistischen Dialogen zusammen, Alvart gelingt es wie kaum jemandem lebensechte Gespräche zu erzeugen. Getragen werden die Dialoge von den großartigen Schauspieler*innen, die ihren Figuren mit ausgezeichneten Darstellungen Leben einhauchen. Insbesondere Lea van Acken wächst von einer Nebendarstellerin zu einer der stärksten Schauspieler*innen der Serie.
Alvart erzählt eine spannende Geschichte über eine tödliche Pandemie, die aus dem Ruder gelaufen ist. Gerade für Thriller Fans sollte sich ein Blick lohnen. Ihr findet alle Folgen der Serie in der ZDF-Mediathek.
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Originaltitel | Sløborn |
Serienstart Staffel 1 | 23.07.2020 |
Serienstart Staffel 2 | 07.01.2022 |
Länge Staffel 1 | 8x ca. 48 Minuten |
Länge Staffel 2 | 6x ca. 48 Minuten |
Produktionsland | Deutschland | Dänemark |
Genre | Drama | Sci-Fi | Thriller |
Verleih | ZDF |
FSK |
Regie | Christian Alvart | Adolfo J. Kolmerer |
Drehbuch | Christian Alvart | Henner Schulte-Holtey | Arend Remmers | Erol Yesilkaya | Siegfried Kamml |
Produzierende | Christian Alvart | Theodor Gringel | Peter Eiff | Tobias Alexander Seiffert | Robert Franke | Siegfried Kamml | Timm Oberwelland | Daniela Wüstner | Wassili Zygouris | Laura Hübler |
Musik | Max Filges | Christoph Schauer |
Kamera | Christian Alvart | Christian Huck |
Schnitt | Marc Hofmeister | Robert Hauser | William James | Zoë Dahmen |
Besetzung | Rolle |
Emily Kusche | Evelin Kern |
Alexander Scheer | Nikolai Wagner |
Ron Antony Renzenbrink | Alexander Kern |
Maximilian Brauer | Peter Kern |
Phileas Heyblom | Lukas Kern |
Mads Hjulmand | Jan Fisker |
Aaron Hilmer | Devid |
Lea van Acken | Ella |
Adrian Grünewald | Hermann Schwarting |
Nina Diedrich | Freja |
Zoran Pingel | Lobo |
Safinaz Sattar | Hatice |
Sylvain Mabe | Keith |
Asia Luna Mohmand | Solveig |
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