Thees Uhlmann ist wohl einer der vielseitigsten Künstler Deutschlands. Angefangen hat alles im Jahr 1994 mit der Band Tomte, in der Uhlmann als Frontmann auf den Bühnen der Nation zu sehen war. Seit 2011 ist Uhlmann solo unterwegs und konnte zuletzt mit dem Album „Junkies & Scientologen“ überzeugen. Zwischenzeitlich hat er gemeinsam mit Reimer Bustorff und Marcus Wiebusch das Musiklabel “Grand Hotel van Cleef” gegründet, in dem unter anderem Künstler*innen und Bands wie Adam Angst, Kettcar, Propagandhi oder Olli Schulz unter Vertrag sind/waren. Zusätzlich hat Uhlmann für die Band Tocotronic im Jahr 1999 Tourtagebücher geschrieben. Seinen ersten Roman hat er dann im Jahr 2015 unter dem Titel SOPHIA, DER TOD UND ICH veröffentlicht. Dieser Roman behandelt die großen Themen des Lebens und erfreut sich deswegen einer sehr hohen Beliebtheit. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer Verfilmung kommen sollte. So wie der Roman ein Debüt für Uhlmann war, so inszeniert der Schauspieler Charly Hübner (MITTAGSSTUNDE) mit SOPHIA, DER TOD UND ICH erstmalig einen Spielfilm.
Darum geht es…
Reiner (Dimitrij Schaad) hat sich aufgegeben. Er führt ein ruhiges Leben in Berlin. Statt nach den Sternen zu greifen, wie es sich seine Mutter (Johanna Gastdorf) für ihn gewünscht hat, arbeitet er als Altenpfleger und ist froh, wenn er nach der Arbeit in Ruhe gelassen wird. Eines Abends klingelt es an seiner Tür, und dort steht ein ungewöhnlicher Gast. Er stellt sich als der Tod (Marc Hosemann) vor, genauer gesagt Reiners Tod. Seine Zeit sei gekommen. Doch etwas scheint schiefzulaufen: Anstatt Reiner ins Reich der Toten zu begleiten, ist der Tod auf der Erde gefangen. Seine Kräfte scheinen nicht mehr zu funktionieren. Während die beiden vollkommen verwirrt im Badezimmer von Reiner stehen, klingelt es erneut an der Tür: Sophia (Anna Maria Mühe), Reiners Ex-Freundin. Sie ist außer sich vor Wut, denn die beiden hatten vereinbart, in den Norden zu fahren, um Reiners Mutter zum Geburtstag zu besuchen. So entfaltet sich eine Reise quer durch Deutschland, bei der jeder Moment für Reiner der letzte sein könnte.
Rezension
Ach du Schande! Eine weitere dieser unangenehmen deutschen Komödien? Klingt fast so: SOPHIA, DER TOD UND ICH. Wieder einer dieser verschachtelten Filmtitel. Allerdings geht es in der Verfilmung von Thees Uhlmanns Roman um viel mehr als in der klassischen deutschen Komödie. Fairerweise muss man erwähnen, dass der Film einige der üblichen Klischees bedient, die man auch in anderen Filmen sieht. Wenn die Gruppe im Auto sitzt und zu dem klassischen Stück “Orpheus in der Unterwelt” abgeht, als wäre es ein Rocksong, bricht es etwas aus dem sonstigen Handlungsmuster aus. Aber genau solche Gags sprechen das typische Komödienpublikum an und Charly Hübner präsentiert eine bittersüße Geschichte über die großen Themen des Lebens. Wie der Titel bereits vermuten lässt, handelt es sich bei dem Film um eine Geschichte, die sich mit Verlust und unserer Sterblichkeit auseinandersetzt. Dabei werden Themen wie Glück in den Fokus gesetzt. Was brauchen wir, um glücklich zu sein? Wann kann man von einem erfüllten Leben sprechen? Und ist es überhaupt wichtig, ein erfülltes Leben zu führen?
Die größte Stärke von SOPHIA, DER TOD UND ICH liegt in seinen Figuren und ihren Darstellungen. Zuerst muss Dimitrij Schaad als Reiner erwähnt werden. Reiner wird von seinem Umfeld als Verlierer wahrgenommen, jemand, der ambitionslos durch sein Leben stolpert. Je besser wir ihn kennenlernen, desto mehr verstehen wir jedoch seine Sehnsucht nach Ruhe. Sein Gegenpart ist Anna Maria Mühes Sophia. Wir sehen eine laute, aufbrausende, aber auch warmherzige Person, die mehr vom Leben wollte, als nur herumzuhängen, und deshalb Reiner verlassen hat. Dennoch spürt man noch eine Spannung zwischen den beiden. Ein großer Teil der Emotionen wird von den Darsteller*innen nonverbal vermittelt. Sie spielen mit subtilen Gesichtsausdrücken und lassen uns so an ihrem inneren Leben teilhaben. Das gilt auch für die großartige Johanna Gastdorf, die Reiners Mutter Lore verkörpert. Sie präsentiert uns eine Figur, die bereits einige seelische Narben trägt und dadurch zu der Person geworden ist, die sie jetzt ist. Diese kleinen Details verleihen den Figuren Leben.
Ein sehr lebendiger Tod.
Auf der Liste der Hauptdarsteller*innen fehlt nun natürlich die treibende Kraft von SOPHIA, DER TOD UND ICH: Der Tod selbst! Marc Hosemann wird den meisten vermutlich aus der Serie DIE DISCOUNTER bekannt sein. In dieser Workplace-Comedy verkörpert der Schauspieler auf eine THE OFFICE-ähnliche Weise den Supermarktleiter Thorsten Kruse und konnte dabei bereits sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen. Auch in SOPHIA, DER TOD UND ICH zeigt er erneut, wie er eine Rolle mit Leben (oder eher Tod) erfüllen kann. Da der Tod auf der Erde gefangen ist, erlebt er nun zum ersten Mal menschliche Erfahrungen. Während der Zugfahrt Richtung Norden trinkt er zum ersten Mal Alkohol und erlebt seinen ersten Rausch. Er versteht nicht, warum Menschen so ein widerliches Gesöff wie Kaffee trinken können. Er ist fasziniert von den kleinen Dingen. Der Film präsentiert uns somit eine klassische Fish-out-of-Water-Handlung. Obwohl es bereits viele Filme gibt, die ähnliche Ansätze verfolgen, legt Hosemann so viel kindliche Freude und Naivität in seine Figur, dass es sich dennoch erfrischend anfühlt.
Was SOPHIA, DER TOD UND ICH ebenfalls von anderen deutschen Komödien unterscheidet, ist seine technische Umsetzung. Es werden hier sehr stimmungsvolle und symbolische Bilder eingefangen. Obwohl es um ein übernatürliches Wesen wie den Sensenmann geht, wurde ein übertriebener Einsatz von Spezialeffekten vermieden. Stattdessen wurde auf echte Umgebungen und natürliches Licht gesetzt. Effekte werden nur im Kleinen eingesetzt, um die Handlung zu unterstützen. Dadurch wirkt der Film sehr bodenständig und realistisch. Da es sich um die Verfilmung von Thees Uhlmanns Roman handelt, spielt auch die Musik eine große Rolle im Film. Die Handlung wird passenderweise von gitarrenlastigen Indie-Stücken untermalt. Diese verleihen der Geschichte über das Leben und die Vergänglichkeit eine gewisse Melancholie, die uns lange im Gedächtnis bleibt.
Eine deutsche Komödie, die sich nicht danach anfühlt.
Trotz der großartigen Darstellung schafft es der Film inhaltlich nicht immer zu überzeugen. Tatsächlich hätte der Film noch etwas länger sein können, da man gerne mehr Zeit mit den Figuren verbracht hätte. Im Stil eines Roadmovies durchläuft SOPHIA, DER TOD UND ICH verschiedene Stationen, an denen sich Zeit genommen wird. Gegen Ende wirkt die Handlung jedoch etwas gehetzt. Es scheint fast so, als ob man eine bestimmte Filmlänge einhalten wollte, was dazu führt, dass das Ende etwas zu kurz gerät. Obwohl der Film ein schönes Finale präsentiert, kann es nicht vollständig wirken. Dem Film hätte eine zusätzliche halbe Stunde, oder ein anderes Format wie beispielsweise eine Miniserie, sicherlich gutgetan. Das ist jedoch meckern auf hohem Niveau. Insgesamt handelt es sich um eine sehr einfühlsame und subtile Komödie. Filme wie SOPHIA, DER TOD UND ICH sind in Deutschland leider selten zu finden. Wenn man bedenkt, dass es sich um das Regiedebüt von Charly Hübner handelt, kann man nur den Hut ziehen.
Fazit:
Mit SOPHIA, DER TOD UND ICH ist Thees Uhlmann bereits ein äußerst lesenswerter Roman gelungen. Und genau dieses Gefühl überträgt Charly Hübner auch in der Verfilmung des Buches. Er bleibt nah an der Atmosphäre, die die Vorlage ausstrahlt, und schafft eine Komödie, die sich wohltuend von der Masse der deutschen Blödel-Comedys abhebt. Mit SOPHIA, DER TOD UND ICH hat er einen Film inszeniert, der gleichermaßen lustig wie traurig ist. Die Handlung konfrontiert uns mit den wichtigen Fragen des Lebens und regt auch nach dem Abspann zum Nachdenken an. Getragen wird der Film von großartigen Darstellern wie Dimitrij Schaad und Anna Maria Mühe, die ihren Figuren Leben einhauchen, sowie Marc Hosemann, der erneut sein komödiantisches Talent unter Beweis stellt, ohne dabei die Ernsthaftigkeit der Handlung zu torpedieren. Insgesamt ist SOPHIA, DER TOD UND ICH ein Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Geht ins Kino und genießt diesen charmanten Film.
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Originaltitel | Sophia, der Tod und ich |
Kinostart | 31.8.2023 |
Länge: | 98 minuten |
Produktionsland | Germany |
Genre: | Komödie | Drama |
Regie | Charly Hübner |
Producer | Christoph Daniel | Marc Schmidheiny | Sonja Schmitt | Detlev Buck |
Cast | Dimitrij Schaad, Anna Maria Mühe, Marc Hosemann, Johanna Gastdorf, Lina Beckmann, Carlo Ljubek, Charly Hübner, Josef Ostendorf |
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