Review Fakten + Credits


Für viele ist der Heimweg durch die menschenleeren Straßen der Nacht mit einem enormen Risiko verbunden. Die Anonymität der Dunkelheit bringt oft das Schlechteste im Menschen hervor und sorgt beinahe täglich für schockierende Schlagzeilen und Fassungslosigkeit. Sexuelle Übergriffe auf Frauen sowie homophobe und transfeindliche Gewaltvorfälle sind schon lange keine Seltenheit mehr, sondern traurige Realität. Das ist auch der Grund dafür, dass sich bereits seit den 70er-Jahren weibliche, homosexuelle, nichtbinäre, inter, trans und agender Personen aller Welt unter dem Slogan “Take Back The Night” auf den Straßen versammeln, um gegen durch Männer verübte Gewalt zu protestieren. Es ist natürlich kein Zufall, dass Gia Elliot für ihren feministischen Horrorfilm genau diesen Schlachtruf als Titel gewählt hat.

Darum geht es

Jane (Emma Fitzpatrick) lässt nichts anbrennen. Als erfolgreiche Künstlerin hält die junge Frau wenig von konventionellen Lebensstilen wie dem ihrer Schwester (Angela Gulner) und lässt sich stattdessen lieber durch das wilde Nachtleben treiben, mit illegalen Drogen, reichlich Alkohol und spontanem Gelegenheitssex. Als sie sich eines Nachts unter dem Einfluss diverser berauschender Substanzen auf den Heimweg macht, hat sie von Anfang an ein mulmiges Gefühl im Bauch. Sie sollte recht behalten: Wie aus dem Nichts wird sie von einem, mit dichten, schwarzen Nebelschwaden umgebenen Wesen attackiert und überwältigt. Mit zahlreichen Blessuren und blutigen Verletzungen rettet sich die junge Frau in ein Krankenhaus. Doch ihre Aussage weckt große Zweifel bei der zuständigen Ermittlerin (Jennifer Lafleur) und auch ihr persönliches Umfeld und die lokalen Medien scheinen ihren Schilderungen keinen Glauben zu schenken. Hat sich Jane alle nur eingebildet?

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Rezension

Wer glaubt denn schon an Monster? Wie es der Titel bereits vermuten lässt, ist TAKE BACK THE NIGHT, trotz der Präsenz eines übernatürlichen Wesens, das in der Dunkelheit der Nacht Jagd auf unschuldige Frauen macht, ein Film, der sich mit einem alles andere als fiktionalen Problem auseinandersetzt. Für Regisseurin Gia Elliot , die sich gemeinsam mit ihrer Hauptdarstellerin Emma Fitzpatrick auch für das Skript verantwortlich zeigt, ist diese übernatürliche Präsenz lediglich eine bildliche Metapher für die Gewalt an Frauen, verübt durch (meist) männliche Täter – und somit den in der Wirklichkeit verankerten realen Monstern. Wieso dieser Vergleich so passend gewählt ist, zeigt sich dann auch spätestens in den Reaktionen auf Janes Schilderungen des Übergriffs: Ungläubigkeit, Spott und vitim blaming. Es ist natürlich einfacher, die Existenz von Monstern als die Ausgeburt einer blühenden Fantasie abzutun, als sich damit auseinanderzusetzen.

Nun wäre es für Gia Elliot ein Leichtes gewesen, sich ein einfaches, in diesem Fall männliches Feindbild zu suchen. Doch Männer spielen in TAKE BACK THE NIGHT so gut wie keine Rolle. Nicht einmal beim spontanen Sexualakt auf einer Toilette ist das Gesicht von Janes gegenüber zu erkennen. Die Ablehnung, die Jane erfährt, stammt einzig und alleine aus weiblichen Reihen. Ob Polizei, Medien oder Familie – alle Institutionen werden stellvertretend von einer Frau – Ermittlerin, Moderatorin, Schwester – repräsentiert, die Reaktion ist immer dieselbe. TAKE BACK THE NIGHT ist voll mit diesen subtilen Anspielungen und Metaphern, überschreitet dabei aber nie die Grenze, um aufdringlich oder plakativ zu wirken. Gerade Gelegenheitsgucker, die ausschließlich auf kurzweilige Horror-Unterhaltung aus sind, könnten die zahlreichen Verweise vielleicht sogar komplett übersehen – wäre da nicht dieser eine Satz….

Nein, heißt nein!

Nun gelingt es TAKE BACK THE NIGHT zwar auf clevere Art und Weise seine feministische Botschaft organisch in den spannenden Horror-Plot einzuarbeiten, doch das scheint Elliot nicht auszureichen. Wenn kurz vor dem Abspann dann doch noch der Satz “Nein, heißt nein” fällt, scheint die engagierte Filmemacherin auch die letzte Zuschauer*in vor den Bildschirmen wachrütteln zu wollen, schießt damit aber weit übers Ziel hinaus, und droht, die bis dato subtile, aber dennoch klar verständliche Aussage doch noch ins Wanken zu bringen. Weniger ist manchmal eben mehr. Das gilt auch für den Einsatz von Special-Effects, vor allem im Fall eines sowieso schon streng limitierten Budgets. Der kleine Independent-Film ist bemüht, den psychologischen Schrecken auch in Form eines mäßig animierten Monsters Ausdruck zu verleihen, scheitert hier aber ganz klar an den finanziellen Mitteln. Nun fällt das dürftige CGI bei einem Film dieser Art zwar wenig ins Gewicht und dennoch wäre der komplette Verzicht auf Tricktechnik die weitaus elegantere Lösung gewesen.

Abgesehen von den Effekten, weiß TAKE BACK THE NIGHT die Indie-Karten souverän auszuspielen. Die verwaschenen Bilder der agilen Handkamera sorgen für ein atmosphärisches Ambiente und verleihen den Geschehnissen ein dokumentarisches Flair. Begleitet von einem sphärischen Score, der mit der wachsenden Paranoia Janes immer wieder bedrohlich anschwillt, sorgt die pointierte Inszenierung immer wieder für Flashbacks zum thematisch ähnlich komplexen IT FOLLOWS, der sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch einen vergleichbaren Weg einschlägt. Auch wenn TAKE BACK THE NIGHT von dessen Klassen noch weit entfernt ist, entpuppt sich das Horrordrama dennoch als kleiner Geheimtipp – nicht zuletzt auch wegen der fantastischen Emma Fitzpatrick in der Hauptrolle.

FazitStilisierter Negativfilm mit roter Ziffer 6

Ja, Monster sind real – ganz ohne tödliche Reißzähne und messerscharfe Klauen! Auch wenn Gia Elliot ein ähnlich fantasiereiches Monster entfesselt, um ihre Protagonistin durch ein physisches wie psychisches Martyrium zu schicken, steckt hinter dieser metaphorischen Bestie ein irdischer Schrecken, der mitten unter uns lebt: Gewalt an Frauen. TAKE BACK THE NIGHT liefert trotz einiger Abnutzungserscheinungen im Schlussdrittel kompetenten Indie-Horror mit doppeltem Boden!

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