Review Kurzkritik Fakten + Credits
Thanksgiving. Was wissen wir über dieses Fest? Es handelt sich dabei um das amerikanische Erntedank-Fest, dass immer am vierten Donnerstag des Novembers gefeiert wird. Da es sich um einen nationalen Feiertag handelt kommen Familien zusammen, um gemeinsam ein riesiges Mahl, häufig bestehend aus Kartoffelpüree, Bohnen, Mais, Kürbiskuchen und natürlich Truthahn zu verschlingen. Das Fest hat seine Ursprünge bei den Pilgern, die von Europa nach Amerika gesiedelt sind und sich hier ein neues Leben aufgebaut haben. Dadurch ist Thanksgiving neben dem Unabhängigkeitstag am 04. Juli eines der wichtigsten Feste in den USA. Was man vielleicht auch aus den vielen Filmen gelernt hat, in denen das Fest gefeiert wird, neben dem Truthahn scheint es ebenso zum Fest dazuzugehören, dass an Thanksgiving alte familiäre Konflikte wieder auf den Tisch gebracht werden.
In ein solches Szenario wirft uns Regisseur Stephen Karam mit seinem Film THE HUMANS. Ursprünglich handelt es sich bei dem Stoff um ein Broadway-Stück, das ebenfalls von Stephen Karam stammt. Seit der Erstaufführung im Jahr 2015 hat THE HUMANS unter anderem den Pulitzer Price for Drama und den Tony Award als bestes Theaterstück erhalten. Im Jahr 2019 wurde Karam dann vom Independent Studio A24 angeboten das Stück als Film umzusetzen. In meinem Text könnt ihr erfahren, ob diese Umsetzung funktioniert, oder ob Karam doch mehr Talent für Bühnenstücke hat.
Darum geht es…
Familie Blake kommt für ein Thanksgiving Dinner in New York City zusammen. Die jüngste Tochter Brigid (Beanie Feldstein) hat ein neues, etwas heruntergekommenes Apartment in Chinatown, in dem sie gemeinsam mit ihrem Partner Richard (Steven Yeun) ein Festmahl für die Familie zaubern möchte. So sind ihre Eltern Erik (Richard Jenkins) und Deirdre (Jayne Houdyshell) gemeinsam mit der an Alzheimer erkrankten Großmutter (June Squibb) aus Scranton angereist. Erik ist nicht zufrieden mit der Gegend, in der seine Tochter lebt, er macht sich große Sorgen, dass ihr etwas passieren könnte. Das letzte Mitglied des Dinners ist Brigids Schwester Aimee (Amy Schumer), die gerade eine Trennung hinter sich und immer noch mit dem Schmerz zu kämpfen hat. Während des Essens eröffnen sich noch weitere Probleme und die einzelnen Familienmitglieder attackieren sich immer mehr.
Rezension
Stephen Karam erzählt in THE HUMANS eine sehr interessante Geschichte über die Menschlichkeit. Er zeigt uns, dass ein großer Teil unseres Verhaltens aus Reaktionen auf Schlaglöcher in unserem Weg besteht. Wir beobachten hier sechs sehr unterschiedliche Figuren, die alle mit Schwierigkeiten in ihrem Leben zu kämpfen haben, aber gute Miene waren wollen, um sich selbst keine Schwäche einzugestehen. Im Laufe der Handlung kommen aber immer mehr Probleme ans Tageslicht. Dadurch, dass die Familienmitglieder sich schon seit Jahren kennen, wissen Sie welche Knöpfe sie drücken müssen, um das Gegenüber zu verletzen und so bietet der Film immer wieder sehr unangenehme Situationen, in denen unterschiedliche Personen mit dem Rücken zu Wand stehen und sich mit allem wehren, was ihnen rhetorisch zur Verfügung steht.
Als Zuschauer*in fühlt man sich dabei wie ein stiller Gast, der ebenfalls zu Besuch ist, bei einem teilweise sehr unschönen Thanksgiving Fest. Gerade durch die Kameraarbeit wird unsere Perspektive nochmal unterstrichen. Immer wieder befindet sich die Kamera in einem anderen Raum als die Figuren und filmt durch die Tür. Es entsteht das Gefühl, als würden wir mit dem Ohr an der Tür kleben und die Streitgespräche von Familie Blake belauschen, wir sind wie die anderen Bewohner des Hauses, deren Lärm Familie Blake im Laufe des Films immer wieder zu hören bekommt. Neben diesen Geräuschen und den Gesprächen der Familie, ist die Soundkulisse des Films sehr reduziert, Musik wird fast gar nicht eingesetzt, nur einmal als ein Element in der Handlung, ansonsten konzentrieren wir uns auf die Geräusche, die das Haus macht und eben auf die sehr lebensechten Dialoge.
Die perfekte Besetzung für eine unperfekte Familie
Die Dialoge folgen keinem klaren roten Faden, sondern wirken wie echte Gespräche, die durchschnittliche Menschen eben bei einem Festessen führen. Es wird sich über den Beruf unterhalten, über Bekannte, über die Heimat und eben über Gedanken, die einem gerade so durch den Kopf schwirren. Der Film trägt nicht umsonst den Titel THE HUMANS, wir beobachten hier lebensechte Menschen, in einer realistischen Situation. Dies wird unter anderem von den großartigen Darsteller*innen getragen, die perfekt besetzt sind. Wir sehen keine Menschen, wie in anderen Filmen, die aussehen, als würden Sie gerade vom Catwalk kommen, für diesen Film wurden Schauspieler*innen besetzt, die wie normale Menschen wirken. So zeigen uns sowohl Beanie Feldstein als auch Amy Schumer, dass sie nicht nur humorvolle Rollen verkörpern können, sondern auch in der Lage sind Charakteren emotionale Tiefe zu verleihen. Allerdings schafft es besonders Richard Jenkins eine unglaubliche Performance darzubieten. Er ist ein alter gebrochener Mann, der sich krampfhaft an die Vergangenheit klammert, sein Wunsch ist es, dass die Familie wieder gemeinsam in Scranton lebt, so wie früher.
Auch wenn ich THE HUMANS nun viel gelobt habe, ist der Film nicht perfekt. Durch seine Form hat der Film kein klares Ziel, sondern gibt uns einen kurzen Einblick in das Leben einer Familie. So hat der Film keinen richtigen Spannungsbogen, was es teilweise schwer macht dauerhaft aufmerksam zu bleiben. Zusätzlich fühlt sich der Film trotz seiner kurzen Laufzeit von 108 Minuten etwas zu lang an. Da sich die Handlung im Kreis dreht, und immer wieder ähnliche Konflikte auf den Tisch gebracht werden, hat man nach einer guten Stunde schon fast alles gesehen. Insgesamt fühlt sich der Film so wie ein Slow-Burn-Horrorfilm an, der leider etwas zu langsam brennt.
Fazit
THE HUMANS ist ein Kammerspiel, auf das man sich einlassen muss. Der Film erzeugt ein realistisches Bild einer zerrütteten Familie, die aus Tradition an Thanksgiving zusammenkommt. Die Schauspieler*innen machen alle einen großartigen Job und wenn man sich an der lebensechten Darstellung von Menschen erfreuen kann, wird man mit THE HUMANS eine gute Zeit haben. Allerdings hat der Film ein sehr langsames Erzähltempo und wiederholt sich teilweise. Trotzdem kann ich THE HUMANS empfehlen und bin sehr gespannt, was man zukünftig noch von Regisseur Stephen Karam sehen wird.
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