Originaltitel: The United States vs. Billie Holiday
Streaming – Release: 23.04.2021
DVD/Blu-ray – Release: 14.05.2021
Länge: ca. 130 Minuten
FSK: ?
Produktionsland: USA
Regie: Lee Daniels
Schauspieler:innen: Andra Day | Trevante Rhodes | Garrett Hedlund
Genre: Biografie | Drama | Musikfilm
Verleih: capelight pictures
Billie Holiday lebte in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts und war eine US-amerikanische Musiksängerin. Den Namen hat sie sich selbst als Künstlerin gegeben, gebürtig hieß sie Eleanora Fagan und wuchs in Philadelphia auf. Ein langer Leidensweg prägte ihre Karriere, so wurde sie laut eigener Angaben bereits im Alter von elf Jahren von einem der Nachbarn vergewaltigt. Nicht gerade förderlich war es da, dass ihre Mutter kurze Zeit später begann in einem Bordell zu arbeiten, in welchem auch Billie immer wieder aushalf und später auch selbst als Prostituierte tätig wurde. Bei diversen Razzien kam es zudem auch vor, dass das junge Mädchen verhaftet wurde und immer wieder für kürzere Zeit im Gefängnis sitzen musste. 1929, als sie gerade erst 14 Jahre alt war, begann sie erstmalig in verschiedenen Clubs aufzutreten, bis sie einige Jahre später dann von einem Musikproduzenten entdeckt und gefördert wurde und somit einen Ausweg aus dem tragischen Sumpf fand.
Vieles davon ist in der Autobiografie „Lady Sings the Blues“ nachzulesen. Zudem gibt es einen gleichnamigen Spielfilm von 1972 und zwei weitere Dokumentarfilme (BILLIE HOLIDAY FOREVER [2012] und BILLIE HOLIDAY – A SENSATION [2015]), die ihr Leben unter die Lupe nehmen und sich vor allem mit der großen Erfolgskarriere der Sängerin beschäftigen. Der hiesige Film jedoch beruht in den Grundzügen auf dem Bestseller „Drogen – Die Geschichte eines langen Krieges“ von Johann Hari, welches 2015 veröffentlicht wurde. Dabei ist vor allem die Besetzung interessant, denn nicht nur, dass Andra Day mit diesem Werk ihr Leinwanddebüt gibt, es ist auch gerade einmal der zweite Kinofilm von Regisseur Lee Daniels, nach seinem großen Erfolg DER BUTLER. Zudem ist Evan Ross in einer Rolle zu sehen, dessen Mutter Diana die Figur Billie Holiday bereits im Film von 1972 verkörperte. Zudem wurden sowohl Diana Ross als auch Andra Day für die gleiche Rolle für einen Oscar und einen Golden Globe nominiert.
Darum geht es…
Nach dem ihre Kindheit geprägt war von Leid, hat es Billie Holiday nun geschafft und feiert große Erfolge als Jazz-Sängerin. Ihre Popularität erstreckt sich vom PoC-Publikum über die weiße Bevölkerung, womit es die Künstlerin schafft in einer schwierigen politischen Lage beide Lager künstlerisch zu vereinen. Während sie sonst eher für Unterhaltungsmusik bekannt ist, stößt insbesondere der Song „Strange Fruit“, welcher eine tiefe politische Ebene enthält, immer wieder auf derbe Kritik und Gegner und ruft zudem das Federal Department of Narcotics auf den Schirm. Diese wollen ihr Einhalt gebieten und greifen dabei unter anderem zu schmutzigen Tricks, um ihr etwas anzuhängen und sie wegzusperren. Doch Billie Holiday lässt sich davon nicht unterkriegen und kämpft nicht nur weiter gegen ihre eigenen Suchtprobleme, sondern auch gegen Lynchmorde, die gerade in den Südstaaten weit verbreitet sind.
Ein Song für die Ewigkeit
Die Geschichte wird in Rückblicken erzählt, die durch eine Interview-Sequenz eingeleitet werden. Bei diesem wird kapitelartig das Leben der Künstlerin noch einmal aufgerollt und setzt dabei besonderen Fokus auf ihren Erfolgssong „Strange Fruit“, die damit verbundenen Kapriolen sowie ihren persönlichen Erfolg in Verbindung mit ihrer Drogensucht. Damit die Brisanz und Thematik des Songs einmal deutlich werden, bekommt ihr hier den Text in deutscher und englischer Fassung, sowie eine entsprechende Performance:
Der Song beschäftigt sich mit Lynchmorden, die am Gesetz vorbei auf eigene Faust geschahen, zumeist in der Ansichtslage, dass Polizisten und Richter untauglich sein und eine Form der Selbstjustiz etabliert werden müsse. Diese richteten sich zeitweise vor allem gegen People of Colour und wurden bereits 1890 mit Protesten bekämpft. Ein entsprechendes Gesetz sollte Mitte der 30er Jahre abgeschlossen werden, wurde letztlich aber nicht durchgesetzt. Der Song entstand auf Basis eines Gedichtes, welches 1937 veröffentlicht wurde.
Rezension
Schon jetzt ist erkenntlich, dass wir ein sehr breites Themenspektrum geliefert bekommen, welches es gar nicht so leicht macht zu differenzieren, welche Geschehnisse mit welcher Motivation stattfanden und was Betrachtern eigentlich erzählt werden soll. Der Film switcht immer wieder zwischen scheinbarer Biographie, dramatischer Justizverwicklung im Stile von JEAN SEBERG – AGAINST ALL ENEMIES und klassischer Musikkarriere hinsichtlich dem Verfall und Missbrauch von Drogen hin und her und zeigt dabei wenig konsequentes Vorgehen. Auch rassenpolitische Themen finden Einfluss. Selbstverständlich greifen all die Themen natürlich Ineinander, denn es ist ganz natürlich, dass ein Leben nicht immer nur von einem einzigen Problem geprägt ist, doch besteht bei der Produktion eines Films durchaus die Möglichkeit sich auf ein Gebiet zu fokussieren und angesichts der Komplexität, wäre dies hierbei auch durchaus sinnvoll gewesen.
Dies wird insbesondere deutlich, wenn klar wird, dass die wesentliche Geschichte auf dem bereits zuvor genannten Buch basieren soll, welches sich vor allem mit den verschiedenen Facetten von Drogensucht, aber auch mit dessen machtvollen Imperium beschäftigt. An dieser Stelle fragt sich dann: Wenn es doch um Drogen und somit wohl um die entsprechenden Entwicklungen in Billie Holidays Leben gehen soll, warum fokussiert sich die Handlung dann zunehmend auf anderen Aspekten ihres Daseins und erzählt die tragischen Entwicklungen um ihre Sucht eher beiläufig?
Alt bekanntes
Die Umsetzung selbst hingegen wirkt sehr solide. Das Bild wurde mit Gelbfiltern versehen, so das sein leichter Vintage-Touch entsteht, der es gleichzeitig schafft den Eindruck zu erwecken, dass es sich um Realaufnahmen aus der Zeit handeln könnte. Wenn dies jedoch so wäre, hätten die Aufnahmen noch deutlich „schmutziger“ aussehen müssen, ganz zu schweigen davon, dass die Art und Weise der Interaktion ein wenig der heutigen Konsumentensicht angepasst wurde. Diese wiederum machen große Teile des Films aus, denn THE UNITED STATES VS. BILLIE HOLIDAY lebt im Wesentlichen nur von Dialogen. Die Protagonisten sind in der Regel stets damit beschäftigt auf einer Bühne zu performen oder Backstage sich in Konflikte zu begeben. Somit bekommen wir einerseits ein wunderbares Arrangement des künstlerischen Schaffens zu sehen, andererseits die Auseinandersetzung mit persönlichen und künstlerischen Krisen, die teilweise in einem körperlichen Verfall der Starsängerin münden.
An einem Tiefpunkt ihres Seins, bekommen wir zudem eine relativ ähnliche, wenn auch lange nicht so umfängliche, Montage zu sehen, wie wir sie schon aus ROCKETMAN kennen und welche wiederum hervorragend aufgebaut und integriert wurde. Dabei wird Billie Holiday in ihrer unstillbaren Drogensucht gerade noch davon abgehalten einen Schuss zu empfangen und wird in ihrer Wut und Renitenz für ihren Bühnenauftritt vorbereitet. All dies geschieht in einer scheinbar schnittlosen Szenerie, welche somit die Kraft der Sequenz noch einmal zusätzlich verstärkt, in welcher sie schließlich auch das obige Lied performt. Dementgegen steht jedoch wiederum, dass zu keinem Punkt so recht klar wird, warum die staatlichen Behörden solch einen Groll gegen Sie oder das Lied hegen. Zwar wird einmal darauf verwiesen, dass dieses Lied unamerikanisch sei und die Leute auf falschem Wege provoziere, doch auch hier drin wird der drastische Umgang mit der Künstlerin nicht so recht deutlich.
Alle Stärken in einer Person
Wenn wir schon beim Thema Künstler sind, wäre auch noch ein Blick auf die Filmbesetzung wichtig. Mit Andra Day hat man eine Schauspielerin gefunden, die es schafft, die damalige Sängerin perfekt in Szene zu setzen. Dies mag daran liegen, dass Day selbst vorrangig als Musikerin tätig ist und entsprechende Bühnenerfahrung gesammelt hat. Besonders beeindruckend wird ihre Performance jedoch im direkten Vergleich. Es gibt frei zugänglich einige Performanceaufnahmen (wie die obige) zu betrachten und Andra Day schafft es tatsächlich die Energie und zeitgleich ruhige Schwermut äußerst präzise umzusetzen. Auch Trevante Nemour Rhodes schafft es in seiner Rolle vollständig aufzugehen und sich den Eigenheiten seiner Person hinzugeben. Dabei präsentiert er uns eine Figur, die doch stark an Michael B. Jordans Darstellung als Bryan Stevenson in JUST MERCY erinnert.
Fazit
Insgesamt bekommen wir einen eher ruhigen Film gezeigt, der tatsächlich ziemlich genau das gleiche Gefühl wie JEAN SEBERG – AGAINST ALL ENEMIES vermittelt, nicht zuletzt, weil die Thematik eine relativ ähnliche Brisanz und Entwicklung entfaltet. Wenn wir schon in diesem Vergleich uns befinden, sei jedoch gesagt, dass Kristen Stewart ihrer Rolle noch deutlich mehr Leben einhauchen konnte, was jedoch auch darin zu Begründen wäre, dass es sich hierbei um zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeitstypen handelt. Während THE UNITED STATES VS. BILLIE HOLIDAY also auf der einen Seite nicht so recht in Fahrt zukommen scheint und lange orientierungslos vor sich hindümpelt, bekommen wir auf der anderen Seite enorm viele wichtige Themen präsentiert, die für einen Film allein viel zu komplex und inhaltsschwer sind, weshalb die gesamte Tragweite gar nicht so recht erfasst werden kann. Besonders die Motive für einzelne Taten scheinen teilweise lasch und haltlos. Somit bekommen wir ein interessantes erstes Aufeinandertreffen mit einer wichtigen Persönlichkeit, doch für die historische Tragweite sollte dieses Werk nicht maßgebend sein.
Billie Holiday war eine Ausnahmekünstlerin im Bereich Jazz, die vorwiegend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Zuschauermassen begeistern konnte. Der hiesige Film bringt uns nicht nur das außergewöhnliche Leben einer wichtigen historischen Künstlerin und Meisterin des Jazz näher, viel mehr erleben wir auch die zerstörerische Kraft, die politisches Engagement in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit sich brachte. Während Newcomerin Andra Day in ihrer Rolle brilliert und uns ein tadelloses Abbild der damaligen Sängerin präsentiert, ist sie es auch, die als einzige die gesamte Stärke des Films trägt. Die Leichtigkeit ihrer emotionalen Wandelbarkeit bildet den Grundstein für einen beeindruckenden Einblick ins Leben von Mrs. Holiday. Gleichzeitig verliert der Film offensichtlich aber mit der Zeit den roten Faden und vergisst, was er eigentlich erzählen will. Geht es um die Drogensucht der Protagonistin? Geht es um ein Lied mit politischer Wirkung? Geht es um die Figur selbst? Da der Film auf einem Buch basiert, welches sich vor allem auf das Thema Drogen konzentriert, ist die Thematik natürlich naheliegend, wird aber eben im Werk selbst nicht ausreichend vermittelt. Dadurch schleppt sich die Geschichte von einem wichtigen biographischen Aspekt zum nächsten, während allerdings die Tragweite der Handlungen völlig ungeachtet Bleiben. Andra Day bekommt somit absolut einen Daumen hoch, der Film selbst schafft es hingegen nur ein klägliches Abbild von Jean Seberg – Against All Enemies zu verkörpern.
Schauspieler:in | Rolle |
Andra Day | Billie Holiday |
Leslie Jordan | Reginald Lord Devine |
Miss Lawrence | Miss Freddy |
Natasha Lyonne | Tallulah Bankhead |
Trevante Rhodes | Jimmy Fletcher |
Dusan Dukic | Joe Glaser |
Erik LaRay Harvey | James Monroe |
Da’Vine Joy Randolph | Roslyn |
Koumba Ball | Lucille |
Kate MacLellan | Frau der Arbeiterklasse |
Kwasi Songui | Mann der Arbeiterklasse |
Adriane Lenox | Mrs. Fletcher |
Letitia Brookes | Velva |
Tyler James Williams | Lester Young |
Warren ‘Slim’ Williams | Bobby Tucker |
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