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Originaltitel: Seberg
Kinostart: 17.09.2020
DVD/Blu-ray Release: 28.01.2021

FSK 12

FSK 12 ©FSK

Länge: ca. 103 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Benedict Andrews
Schauspieler:innen: Kristen Stewart | Jack O’Connell | Margaret Qualley
Genre: Biografie | Drama
Verleih: Prokino Filmverleih

Jean Seberg - Against All Enemies

Jean Seberg – Against All Enemies © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Die Black Panther Party war eine sozialistische revolutionäre Bewegung afroamerikanischer Mitbürger:innen in den USA, die im wesentlichen die Gleichstellung schwarzer Bürger:innen forderte und damit dem Rassenhass ein Ende setzen wollte. 1966, ein Jahr nach der Ermordung von Malcolm X, gründete sich diese Bewegung mit folgenden Forderungen:

  1. Freiheit und Selbstbestimmung
  2. Beschäftigung
  3. Ein Ende der Ausbeutung
  4. Menschenwürdige Wohnungen
  5. Ein reformiertes Bildungssystem
  6. Die Freistellung vom Militärdienst
  7. Ein Ende der willkürlichen Polizeigewalt
  8. Die Freilassung aller afroamerikanischen Gefangenen wegen Benachteiligung während der Verhandlungen
  9. Faire Gerichtsprozesse vor afroamerikanischen Geschworenen und durch afroamerikanische Ankläger
  10. Einen Volksentscheid unter der schwarzen Bevölkerung über deren nationales Schicksal.
Jean Seberg - Against All Enemies

Jean Seberg – Against All Enemies © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Diese Gruppierung galt ab 1982 als aufgelöst, auch wenn bereits 1971 eine Spaltung in zwei Fraktionen stattfand, von der die eine deutlich radikaler in ihrer Protestbewegung vorging. Generell wurden die Ortsgruppen durch Polizei und Staat häufig unterwandert und es gab immer wieder willkürliche Festnahmen, die durch betrügerische Aussagen untermauert wurden. Die Bewegung wurde dabei jedoch nicht ausschließlich von afroamerikanischen Protestlern unterstützt, sondern auch von der sogenannten „weißen Bevölkerung“, die ebenfalls unrechte Vorgehen gegenüber den Mitgliedern anklagten. Angela Davis zählt als eine der prominentesten Fürsprecherinnen der Bewegung. Aber auch Jean Seberg engagierte sich sehr, was sich jedoch langfristig nicht gut auf ihre Karriere auswirkte.

 

Die Amerikanerin ist eine Ikone des US-amerikanischen Films und trat in vielen berühmten Werken auf, obwohl sie gerade einmal knapp 41 Jahre alt wurde. Unter anderem drehte sie mit Jean-Luc Godard den Klassiker AUẞER ATEM und mit Legenden wie Clint Eastwood bei WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND oder Burt Lancaster, Dean Martin und Jacqueline Bisset in AIRPORT. Für den hiesigen Film übernahm Kristen Stewart (UNDERWATER – ES IST ERWACHT, STILL ALICE – MEIN LEBEN OHNE GESTERN) die Rolle der Jean Seberg. Neben ihr sind auch namhafte Darsteller:innen zu sehen, wie Jack O’Connell (MONEY MONSTER, UNBROKEN), Anthony Mackie (REAL STEEL, MILLION DOLLAR BABY), die deutsch-amerikanische Zazie Beetz (DEADPOOL 2, JOKER), Vince Vaughn (FREAKY, FIGHTING WITH MY FAMILY) und Stephen Root (J. EDGAR, TRUMBO, UNCLE FRANK).

Jean Seberg - Against All Enemies

Jean Seberg – Against All Enemies © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Darum geht es…

Wegen des kommerziellen Drucks in Hollywood wandte sich Jean 1957 von den USA ab und sucht ihr Glück in Frankreich und dortigen Filmproduktionen. Dieses findet sie, als sie mit Jean-Luc Godard zusammenarbeitet. Dies lässt Hoffnung in ihr keimen auch in Amerika noch einmal durchzustarten. Noch im Flugzeug lernt sie Hakim Jamal, einen engen Vertrauten von Malcolm X kennen und kann sich schnell für die Bewegung der Black Panther Party begeistern. Schon beim Ausstieg aus dem Flugzeug zeigt sie Flagge und macht ihren Standpunkt klar. Die kommende Zeit unterstützt sie die Protestbewegung zunehmend auch finanziell und gerät damit schnell in das Visier des FBI. Eine ausgiebige Beobachtung ist die Folge und führt zur medialen Denunzierung einer schauspielerischen Berühmtheit.

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Rezension

Auch wenn JEAN SEBERG – AGAINST ALL ENEMIES als Spielfilm angelegt ist, so versucht er doch fast schon dokumentarisch präzise die Lebensumrisse des verstorbenen Vorbilds zu skizzieren. Dabei konzentriert sich die Handlung jedoch weniger auf Jean Seberg als Schauspielerin, sondern viel mehr auf ihr persönliches Leben in enger Verknüpfung mit der Black Panther Party und zeigt uns umfangreich ihr Engagement und Entwicklungen in ihrem Leben, die teilweise eher aus Annahmen entwickelt scheinen. Selbstverständlich ist dies sinnvoll, da es für die spezielle biografische Aufarbeitung noch die beiden Dokumentationen JEAN SEBERG FOREVER und DIE LETZTEN TAGE EINER LEGENDE. JEAN SEBERG gibt. Das es sich im hiesigen Film eher um mögliche geschichtliche Entwicklungen handelt, resultiert vor allem daraus, das große Teile auch aus der Perspektive der FBI-Observierer gedreht wurden und diese Daten wohl kaum öffentlich zugänglich sind.

Jean Seberg - Against All Enemies

Jean Seberg – Against All Enemies © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Doch gerade darin besteht natürlich die Neugier auf das Werk, denn dieser Kontrast zwischen biografischer Abhandlung und kriminalistischer Arbeit bietet eine aufregende Filmcollage, die ihren Reiz in der unfassbaren Dreistigkeit behördlicher Vorgehensweisen findet. Teilweise bekommen wir in diesem Zusammenhang Szenen geliefert, die an DAS LEBEN DER ANDEREN erinnern und zeitgleich die psychische Schwere aufzeigen, die eine entsprechende Erkenntnis der Überwachung mit sich bringt. Dieses Konstrukt aus Paranoia, Medienterror und auch noch behördlicher Grausamkeit in solchem Ausmaß, scheint erst einmal eine wunderbare Grundlage für einen Film zu sein, doch wie sich mit der Zeit rausstellt, liegt darin auch die große Problematik dieses Films. Leider verliert das Publikum anhand des Versuchs detaillierter Visualisierungen von Jean Sebergs Leben auch schnell das Zeitgefühl, da sich Regisseur Benedict Andrews teilweise zu sehr in Kleinigkeiten verstrickt.

Eine Schauspielikone in der Rolle einer Schauspielikone

Zwar schafft es Kristen Stewart nach ihrem hervorragenden Auftritt in UNDERWATER – ES IST ERWACHT erneut zu begeistern und zumindest ein wenig den Karren aus dem Dreck zu ziehen, doch da der Film sehr durch seine ausufernde Storyline geprägt ist, hilft schauspielerische Brillanz dem Gesamtwerk nur bedingt. Insbesondere hapert es auch daran, dass all diese minuziös ausgeprägten Sequenzen durch teilweise größere und undurchsichtige Zeitsprünge verknüpft werden und es manchmal schwerfällt, in Unwissenheit der tatsächlichen Biographie, den Entwicklungen zu folgen, weshalb hier nur angeraten werden kann sich schon zuvor ein grobes Bild der Persönlichkeit zu machen.

Jean Seberg - Against All Enemies

Jean Seberg – Against All Enemies © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Jegliche Handlungen sind dabei durch ein relativ monotones Pacing geprägt und auch wenn Beobachtungsarbeiten des FBIs neugierig machen und anregen zu überdenken, welche Absurditäten nun noch geschehen könnten, bekommen wir doch eine äußerst spannungsbefreite Atmosphäre geliefert. Auch hierdurch fällt es teilweise schwer aufmerksam der Storyline bis zum Ende zu folgen, da die wirklich großen Aufreger doch deutlich zu harmlos inszeniert wurden und daher extrem an Bedeutung verlieren. Es wirkt, als wäre das Filmteam weitestgehend damit beschäftigt gewesen die Chronologie der Geschichte so präzise und ausschweifend zu betrachten, dass die filmische Substanz dabei verloren ging und die Nähe zu den Zuschauenden verloren ging. Eine persönliche Ebene konnte ich selbst nur zu Schauspielerin Kristen Stewart aufbauen, nicht jedoch zur eigentlich wichtigen Protagonistin und somit auch nicht zur restlichen Handlung.

Doch all dies klingt schlimmer als es ist, denn JEAN SEBERG – AGAINST ALL ENEMIES wirkt sehr wertig und zeigt natürlich ein beeindruckend schreckliches Dasein einer Filmikone, verknüpft mit einer wichtigen politischen Entwicklung, die noch heute nicht ausreichend ausgeprägt ist und durch eine Regentschaft von Donald Trump nun erneut im Erfolg weit nach hinten geworfen wurde. Somit greift das hiesige Werk schon ein wirklich wichtiges und beeindruckendes Thema auf und sorgt dafür, dass auch nach rund 40 Jahren eine Persönlichkeit nicht in Vergessenheit gerät, die in ihrem Kampf für Gleichheit skandalös behandelt wurde.

Jean Seberg - Against All Enemies

Jean Seberg – Against All Enemies © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Fazit

Hin und her gerissen zwischen erneut brillanter schauspielerischer Leistung von Kristen Stewart und einer eher trägen, fast schon einschläfernden Handlung, die doch eigentlich so viel Anlass bietet, einen umwerfenden Film zu präsentieren, der die Münder des Publikums offen stehen lässt, präsentiert sich dieses Werk in einem eher unscheinbaren Licht. Zwar bietet dieses nur wenig Anlass für überschwellige Lobeshymnen, ist aber gleichzeitig auch nicht geprägt von totalen inszenatorischen Katastrophen und siedelt sich somit im Gesamteindruck im unspektakulären Mittelfeld heutiger Filmproduktionen an. Hätte es den Film gebraucht? Ja und nein, denn tatsächlich ist es wichtig die Geschichte auch heute noch den Menschen näher zu bringen und einer neuen Generation zu präsentieren, doch da das Werk nie das richtige Timing zu finden scheint, wäre wohl bei Interesse am Leben der Persönlichkeit eine Sichtung der bereits erwähnten Dokumentationen lohnenswerter.

Black Panther ist nicht nur ein wesentliches Element des Marvel Cinematic Universe und damit demnächst Teil unseres Marvel Mondays, sondern auch eine, in den Grundfesten ehrbare, Gruppierung von Menschen, die gemeinsam für die Gleichheit afroamerikanischer Mitbürger in den 60er und 70er Jahren in Amerika kämpften. Ohne Frage gibt es auch hier radikale Splittergruppen, aber die gibt es überall. Der hiesige Film beschäftigt sich nun mit der ikonischen Schauspielerin Jean Seberg, die einst diese Formierung unterstützte und förderte und dafür bestraft wurde mit nahezu vollkommender Überwachung und Diffamierung durch das FBI. Inhaltlich also ein wichtiges Werk, doch schafft es der Film dies auch rüber zu bringen? Daran hapert es tatsächlich ein wenig, denn da nie so recht klar wurde, ob dies nun eine biographische Aufarbeitung oder ein skandalöser Rückblick mit Fokus auf eine dramatische Geschichte sein soll, verzettelt sich das Werk ganz schön in der eigenen Erzählung. Darunter leidet schließlich die persönliche Ebene zwischen Publikum und Protagonistin, auch wenn Kristen Stewart wieder einmal brillant in ihrer Rolle glänzen konnte. Aber auch die Lust am Film geht schnell verloren, durch eine eher monotone Erzählstruktur, die kaum Aufreger parat hat. Somit befindet sich das Werk im Zwiespalt zwischen Wichtigkeit und toller schauspielerischer Performance und einem eher unkreativen, viel zu abgehackten und damit schwer erträglichen Drehbuch.

Jean Seberg - Against All Enemies

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