Review Kurzkritik Fakten + Credits
Bereits vor 40 Jahren haben Filmemacher wie Ridley Scott eine düstere Zukunft vorhergesagt. In BLADE RUNNER hat uns der Regisseur in eine düstere, verregnete Cyberpunk Stadt entführt, in der Harrison Ford Jagd auf Replikanten gemacht hat, humanoide Roboter, die kaum von echten Menschen zu unterscheiden waren. Filme wie eben dieser haben neue Welten für das Science-Fiction Genre eröffnet. Wo STAR WARS und STAR TREK einen eher hoffnungsvollen und sogar märchenhaften Ansatz haben, sieht das bei vielen Filmen eher anders aus. Die Zuschauer*innen haben sich plötzlich für Dystopien interessiert, also für Welten, in denen die Menschheit sich in den Abgrund manövriert hat und nun eine faschistoide Gruppe an der Spitze steht, um die unteren auszubeuten. Bei dem selbstzerstörerischen Weg, den die Menschheit seit Jahrzehnten verfolgt ist, es wenig überraschend, dass die Angst vor der Zukunft im Zentrum vieler Filme steht, darüber hinaus bieten dystopische Szenarien viel Raum für Allegorien zu aktuellen gesellschaftlichen Themen und solchen, die es vielleicht noch werden.
Das haben sich auch Kristina Bouzyte und Bruno Samper gedacht, als sie gemeinsam mit Brian Clark das Drehbuch zu VESPER CHRONICLES geschrieben haben (der im Original nur VESPER heißt). Erstmalig haben die beiden Regisseur*innen 2012 an dem Science-Fiction Film VANISHING WAVES zusammengearbeitet, einem Film, in dem es um das menschliche Bewusstsein geht. Samper war damals als Autor tätig, während Bouzyte den Film inszeniert hat. Gemeinsam Regie geführt haben die beiden erstmalig im Jahr 2014 bei einer von 26 Episoden der Horror-Anthologie THE ABCS OF DEATH 2. Seitdem war es ruhig um beide, bis sie dann in diesem Jahr VESPER CHRONICLES veröffentlicht haben.
Darum geht es…
Die dreizehnjährige Vesper (Raffiella Chapman) lebt mit ihrem Vater (Richard Brake) in einer Hütte irgendwo im Wald. Der einstige Reichtum der Menschheit ist in sich zusammengebrochen, als es zu immer mehr ökologischen Katastrophen kam und versucht wurde diesen mit genetisch modifizierten Pflanzen entgegenzuwirken. Die Pflanzen haben allerdings ein Eigenleben entwickelt und wurden zu einer weiteren Bedrohung. Nun leben Menschen wie Vesper und ihr kranker Vater, der nur noch atmet, weil er an lebenserhaltende Maschinen angeschlossen ist, im Wald, umgeben von tödlichen Pflanzen, während die Reichsten in künstlichen Städten leben, den Zitadellen. Eines Tages beobachtet das Mädchen wie ein Gleiter der Zitadelle im Wald abstürzt und findet eine Frau (Rosy McEwen) im Wald. Die Frau ist verletzt und wird von Vesper nachhause gehievt, das Mädchen hofft, dass sie Ihren Vater mit in die Zitadelle nehmen kann, damit er von der modernen Medizintechnik profitieren kann, doch Vesper ahnt nicht, wen sie in ihre Hütte eingeladen hat.
Rezension
Wir sehen eine trostlose Welt, alles wirkt nass und kalt, eine kleine Gestalt scheint im Morast nach etwas zu suchen. Sie wird begleitet von einer fliegenden Drohne, die an eine High-Tech Version vom Volleyball Wilson aus CAST AWAY erinnert. So beginnt VESPER CHRONICLES, der Film macht sofort klar, dass wir es mit einer trostlosen und unwirtlichen Welt zu tun haben, in der ein junges Mädchen versucht einen Tag nach dem anderen zu überstehen. Gleich zu beginn bemerkt man die Kreativität, die in das Design der Umgebungen geflossen ist. Wir sehen zwar Wälder und Sümpfe, wie sie auch in unserer Welt zu sehen sind, es haben sich aber neue Pflanzenarten angesiedelt, die scheinbar ständig auf der Suche nach Beute sind. Die junge Vesper ist in der Umgebung aufgewachsen, als Fremder würde man aber nicht lange überleben. Viele der Pflanzen wirken wie bunte Farbkleckse in einer sonst sehr entsättigten Umgebung, wie leuchtend bunte Sumpfblumen, die mit ihren Farben auf sich aufmerksam machen wollen.
Neben den Pflanzen wurde allgemein sehr viel Ideenreichtum in die Welt gesteckt. Es gibt Würmer, die aus dem Boden schauen und nach allem schnappen, was sich in der Nähe bewegt. Zusätzlich sehen wir verschiedene besondere Figuren, oder einzigartige Bauwerke, durch die eine vertraute, aber doch unbekannte Welt entsteht, so wie man sie bisher nur selten in anderen Genre-Vertretern hat. Da birgt VESPER CHRONICLES leider auch ein paar Schwächen, die vermutlich in dem Geringen Budget dieses kleinen Films begründet liegen. Man merkt, dass die Drehbuchautor*innen / Regisseur*innen eine wahnsinnig vielfältige Welt konzipiert haben, allerdings schaffen sie es nicht alles aus der Welt zu zeigen, einige Dinge verkommen zu Randerscheinungen. Hier wäre es sehr spannend gewesen noch mehr von der Welt zu erfahren. Da es sich um einen kleinen Film handelt, der vermutlich keine große Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird, scheint ein zweiter Teil ausgeschlossen. Vermutlich hätte dem Stoff das Medium Serie besser gestanden, um noch mehr über einzelne Aspekte zu erfahren.
Zu viel Inhalt
Denn ähnlich wie in anderen dystopischen Sci-Fi-Szenarien, werden viele gesellschaftliche Themen angesprochen, unglücklicherweise zu viele, sodass sie nicht ausreichend Platz bekommen. Zu Beginn sehen wir beispielsweise eine Jug, ein menschenähnliches Wesen, dass künstlich als Sklave für die Menschen geschaffen wurde. Hier hätte man über Menschlichkeit und Transhumanismus sprechen können, wie Alex Garland es in einem EX MACHINA gemacht hat. Der Unterschied zu Garlands Film ist allerdings, dass Kristina Bouzyte und Bruno Samper zu viel unterbringen wollten. Nebenher sehen wir Kritik am Klimawandel, der Film setzt sich mit Genetik auseinander und zeigt uns nebenher einen religiösen Schrottsammler-Kult, über den wir leider nichts nennenswertes Erfahren. So bleibt leider auch der Plot des Films auf der Strecke und tritt lange einfach auf der Stelle.
Eine weitere Schwäche des Films ist das Schauspiel der Hauptfiguren. Raffiella Chapman und Rosy McEwen machen zwar einen guten Job, sobald es allerdings etwas emotionaler werden soll, stoßen beide Schauspieler*innen an ihre Grenzen. Umso frustrierender wird es dann, wenn man den großartigen Richard Blake sieht, wie er während des kompletten Films als Komapatient im Bett liegt und nur einer Drohne seine Stimme leihen darf. Der größte Lichtblick ist dann Eddie Marsan, den man sonst eher aus humorvollen Rollen kennt. Hier darf er den Antagonisten spielen, Vespers Onkel, der Anführer einer benachbarten Siedlung, der im Laufe seiner Regentschaft eine Art Gottkomplex entwickelt hat. Er wird zu einem sehr bedrohlichen und vor allem undurchsichtigen Gegenspieler, der immer kurz vor einer inneren Explosion zu sein scheint.
Fazit:
Auch wenn es an VESPER CHRONICLES einiges zu kritisieren gibt, wurde hier trotzdem eine spannende Welt gezeichnet, in die man nach dem Film noch tiefer eintauchen möchte. Der Film verdient das Prädikat „Gut“, um noch besser zu werden, hätte man sich allerdings auf Einzelheiten konzentrieren müssen, um ein stimmiges Gesamtbild zu erzeugen. Gerade für Science-Fiction Fans kann sich der Blick auf diesen Film allerdings lohnen, da hier eine sehr eigene und neuartige Welt geschaffen wurde, die nicht wie die nächste Kopie eines bereits bekannten Stoffes wirkt.
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