Sönke Wortmann ist neben Detlev Buck ein deutscher Regisseur von denen viele vermutlich schonmal den Namen gehört haben. Wortmann hat sich in den letzten Jahrzenten einen Namen mit Filmen gemacht, die sich Qualitativ über der großen Masse deutscher Mainstream-Filme befinden. Einer seiner größten Erfolge war das 2003 erschienene Fußball Drama DAS WUNDER VON BERN, in dem Wortmann geschickt die deutsche Geschichte mit unserer Liebe für den Fußball verbunden hat. Danach war der Regisseur an der Fußball-Dokumentation DEUTSCHLAND. EIN SOMMERMÄRCHEN beteiligt, in dem er 2006 die Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft begleitet hat. Allerdings ist Wortmann nicht nur für Fußball-Stoffe bekannt und sollte so Filme wie FRAU MÜLLER MUSS WEG und DER VORNAME, sowie die erste Staffel der beliebten Serie CHARITÉ drehen.
Mit CONTRA hat Wortmann den französischen Film DIE BRILLIANTE MADEMOISELLE NEILA (Originaltitel LE BRIO) adaptiert und die Handlung nach Frankfurt am Main gebracht. Das Drehbuch für den Film wurde von Doron Wisotzky geschrieben, der selbst an der Hochschule für Fernsehen und Film München Studierende im Drehbuchschreiben unterrichtet. An der Kamera für CONTRA saß Holly Fink, mit dem Wortmann bereits an der ersten Staffel CHARITÉ gearbeitet hat. Für die beiden Hauptrollen im Film wurden Nilam Farooq als Jurastudentin Naima Hamid und Christoph Maria Herbst als Professor Richard Pohl besetzt.
Darum geht es…
Bisher wurden Naima (Nilam Farooq) ihr ganzes Leben lang Steine in den Weg gelegt. Sie lebt mit ihrer Mutter und den beiden jüngeren Brüdern in einer Plattenbausiedlung in Frankfurt am Main. Obwohl sie und ihre Brüder in Deutschland geboren wurden, haben sie nur ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Sollten Sie nicht mehr genug Geld verdienen, würden Sie kurzerhand ausgewiesen werden. Jetzt wo ihr Bruder und ihre Mutter jeweils einen Job haben, will Naima etwas für sich und ihre Zukunft tun und beginnt ein Jura-Studium. Da ihr Bruder sie am Morgen ihres ersten Uni-Tages hat sitzen lassen, kommt sie zu spät in die erste Vorlesung von Professor Richard Pohl (Christoph Maria Herbst). Pohl sieht die Universität als eine Institution, die es zu Respektieren gilt und konfrontiert Naima mit ihrer Unpünktlichkeit. Durch viele Jahre in den Gerichtssälen der Republik ist Pohl darin geübt sein gegenüber verbal zu entwaffnen. Statt auf einer sachlichen Ebene zu bleiben äußert er sich rassistisch gegenüber der Naima und seine Ausfälle landen im Netz.
Der Vorstand der Universität ist erbost über die erneuten Ausfälle von Pohl, doch der Leiter der Universität sieht eine Chance für Professor. Naima hat sich für die deutschen Debattier-Meisterschaften angemeldet, wenn Pohl sie in der Kunst der Rhetorik unterrichten würde, würde es ein Signal an den Vorstand senden und der Professor könnte vielleicht seine Stelle behalten. Natürlich ist Naima wenig begeistert als Pohl nach seinen rassistischen Äußerungen auf sie zukommt und ihr vorschlägt sie zu trainieren. Doch Naima sieht zähneknirschend ein, dass es sich bei Pohl um einen der besten Debattierer des Landes handelt und lässt sich von ihm unterrichten. So beginnt das ungleiche Paar mit dem Training und nicht nur Naima lernt etwas dazu.
Rezension
Auch in CONTRA beweist Sönke Wortmann erneut, dass er nicht nur Komödien inszenieren kann, sondern auch ein Verständnis für ernsthaftere Stoffe hat. Obwohl es sich bei seinem neusten Film im Kern um ein Gesellschaftsdrama handelt, verliert Wortmann zu keiner Zeit seine Leichtigkeit und macht einen komplexen Stoff massentauglich. Immer wieder kommt es zu Situationen, die unsere Aufmerksamkeit von allgemeinen gesellschaftlichen Problemen ablenken und uns auf die individuelle Ebene der Figuren bringt. Gleichzeitig ist das auch die größte Schwäche des Films. Zwar setzt sich Wortmann in CONTRA kritisch mit Themen wie Rassismus und Cancel Culture auseinander, bleibt dabei aber sehr oberflächlich. Wir sollen Professor Pohl seine verbalen Ausfälle verzeihen und letztendlich mit ihm sympathisieren. Auf der einen Seite präsentiert uns Wortmann damit Menschen als Individuen, auf der anderen Seite verliert CONTRA dadurch einiges an Schlagkraft.
Dabei eröffnet der Film zwei Ebenen, die uns die Unterschiede der beiden Hauptfiguren vor Augen führen sollen. Während Pohl seine Abende bei einem Glas Rotwein in einem gehobenen Restaurant verbringt, sitzt Naima mit ihrer Mutter und Großmutter um einen Couchtisch und nimmt ein gemeinsames Abendessen ein. Dabei werden nicht nur die Klassenunterschiede der beiden beleuchtet, sondern auch die Einsamkeit des Professor Pohl im Kontrast zu einem liebenden und familiären Umfeld. Es wird uns vor Augen geführt, dass es nicht die Karriere oder das Geld ist, was ein Leben lebenswert macht, es sind die Menschen, die uns lieben. Wortmann versucht mit seinem Film den elitären Blickwinkel des Professors zu brechen, indem sich Naima sowohl im Umfeld von Juristen bewegt, ihr Partner im Gegensatz dazu ein Taxifahrer ist und damit direkt in der Gunst des Professors sinkt.
Worte haben Kraft!
Die große Stärke des Films ist die Beziehung zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Figuren. Was anfangs ein sehr zweckdienliches Miteinander ist, wird immer mehr zu einer tiefen Verbindung zwischen einer Studentin und ihrem Mentor. Christoph Maria Herbst beweist in CONTRA, dass er nicht nur ein Talent für humorvolle Rollen hat, sondern auch ernsthafte Charaktere ausfüllen kann. Die Szene in der er Naima zu beginn es Films im Hörsaal mit ihrer Unpünktlichkeit konfrontiert ist ein sprachgewaltiger Dauerbeschuss auf eine völlig irritierte junge Frau und strahlt dadurch eine unglaubliche Unbehaglichkeit aus. Herbst schafft es neben der Spitzfindigkeit seiner Figur mit kleinen Gesten den inneren Schmerz von Professor Pohl zu verdeutlichen, der in seinem Leben ein tiefes Trauma erlitten hat. Im direkten Vergleich fällt Nilam Farooq leider etwas ab. Sie spielt eine Figur zwischen den Welten und wirkt in keiner Welt richtig zugehörig. Durch ihr sehr positives Schauspiel nimmt man ihr leider nicht immer die Last ab, die sich auf ihren Schultern befindet.
Obwohl der Film sich deutlich „Humanismus“ auf die Fahnen schreibt, verkommen einige Figuren leider immer wieder zum Klischee. So gut die beiden Hauptfiguren ausmodeliert sind, so sehr scheitert Wortmann doch an den Nebenfiguren. CONTRA hätte zu einem noch interessanteren Film werden können, wäre man noch tiefer in die Welt von Naima eingetaucht. Ihr Bruder gerät beispielsweise immer wieder in Konflikte mit dem Gesetz, statt ihn anzuhören ist er einfach nur der stürmische junge Mann, der in seiner Freizeit regelmäßig in Schlägereien gerät. Ihm fehlt dabei eine wirkliche Motivation. Andere interessante Aspekte werden immer wieder nur am Rande erwähnt und im weiteren Verlauf außer Acht gelassen. So war Naimas Mutter Bio-Chemikerin und muss sich in Deutschland als Tagelöhnerin über Wasser halten. CONTRA geht immer noch tiefer als viele andere Filme, es ist aber Schade, dass er auf den letzten Metern Wirkung verliert.
Hollywoodreife Inszenierung
An der Präsentation des Films gibt es nichts auszusetzen. Der Film beginnt mit einer Montage, in der wir Naima auf ihrem Weg zur Universität begleiten. Der Weg von der Plattenbausiedlung in das innere von Frankfurt wirkt wie eine Szene, die direkt aus einer teuren Hollywood-Produktion stammen könnte. Der Film arbeitet mit nuancierten und blassen Farben, die uns das Leben von Naima verdeutlichen sollen. Dabei schafft es die Kamera unseren Fokus auf kleine Details zu lenken, die uns nicht aktiv auffallen, aber verdeutlichen aus was für einer Welt Naima kommt und dass sie sich in der neuen Welt fremd fühlt. Je weiter der Film voranschreitet, desto mehr wird Naima Bestandteil der Juristenwelt und verliert jegliche Fremdartigkeit. Unterstrichen wird das Gesehene von einem melancholischen Indie-Gitarrensoundtrack. Dabei hört man zu Beginn noch Songs, die auf die Herkunft von Naima und ihrer Familie anspielen, diese werden dann aber immer europäischer und unterstreichen erneut das Überwinden der Klassenunterschiede.
Fazit
Alles in Allem handelt es sich bei CONTRA um einen durchaus sehenswerten Film, mit zwei sehr starken Hauptdarsteller*innen. Leider steht sich der Film manchmal selbst im Weg, indem die Figuren, die eigentlich Vorurteile beseitigen sollen, zu den Klischees werden, die wir schon aus unzähligen anderen Produktionen kennen. Trotzdem ist CONTRA ein starkes Plädoyer an die Menschlichkeit in uns allen, ein Film, der uns zeigt, dass sich Vorurteile niemals Lohnen.
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Bereits am ersten Tag der Uni kommt Naima (Nilam Farooq) zu spät und gerät dabei an Professor Pohl (Christoph Maria Herbst), einem geschickten Rhetoriker, der beginnt die junge Studentin im vollen Hörsaal niederzumachen. Seine teilweise rassistischen Ausfälle landen auf Social Media und so beginnt er die junge Frau auf einen Debattierwettbewerb vorzubereiten, um seine Karriere zu retten.
Mit CONTRA hat Sönke Wortmann den französischen Film LE BRIO adaptiert und die Handlung nach Frankfurt verfrachtet. Der Film schreibt sich den Begriff „Menschlichkeit“ auf die Fahnen und zeichnet mit Naima und Professor Pohl zwei sehr spannende Hauptfiguren, die von Nilam Farooq und Christoph Maria Herbst großartig verkörpert werden. Gerade Herbst zeigt, dass er nicht nur in humorvollen Rollen glänzen kann, sondern genauso gut ernste Töne beherrscht.
Auf inszenatorischer Ebene braucht sich CONTRA nicht vor den großen US-Produktionen zu verstecken, der Film wirkt sehr hochwertig und schafft es geschickt die Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen zu lenken, ohne dabei plump zu werden. Leider wirken einige der Nebenfiguren wie Klischees, wodurch der Film einiges an Wirkung verliert. Trotzdem lohnt sich ein Blick auf CONTRA, einer der besseren deutschen Filme der letzten Jahre.
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Originaltitel | Contra |
Kinostart | 28.10.2021 |
DVD/Blu-ray – Release | 07.04.2022 |
Länge | ca. 108 Minuten |
Produktionsland | Deutschland |
Genre | Komödie |
Verleih | Constantin Film |
FSK |
Regie | Sönke Wortmann |
Drehbuch | Doron Wisotzky | Victor Saint Macary | Yaël Langmann | Noé Debré | Yvan Attal |
Produzierende | Patricia Barth | Stefan Gärtner | Martin Moszkowicz | Christoph Müller | Verena Schilling | Tom Spiess |
Musik | Martin Todsharow |
Kamera | Holly Fink |
Schnitt | Martin Wolf |
Besetzung | Rolle |
Nilam Farooq | Naima Hamid |
Christoph Maria Herbst | Prof. Dr. Richard Pohl |
Hassan Akkouch | Mo |
Ernst Stötzner | Präsident Prof. Dr. Alexander Lamprecht |
Myriam Abbas | Lial Hamid |
Mohamed Issa | Junis Hamid |
Stefan Gorski | Benjamin |
Lieke Hoppe | Johanna |
Fatima Naji | Großmutter |
Mustafa Sheikh | Ali |
Christiano Papasimos | Abu |
Akim Schödel | Jamal |
Selin Dörtkardes | Anissa |
Cathleen Baumann | Frau Thiem |
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