Originaltitel: Easy Love
Kinostart: 24.10.2019
VoD – Release: 24.04.2020
Länge: ca. 92 Minuten
Produktionsland: Deutschland
Regie: Tamer Jandali
Schauspieler:innen: Stella Vivien Dhingra | Niclas Jüngermann | Sönke Andersen
Genre: Dokumentation | Erotik
Verleiher: mindjazz pictures
Sowohl Regisseur Tamer Jandali als auch all die Schauspieler erleben mit EASY LOVE ihr Spielfilmdebut. Während Jandali bereits einige Kurz- und Dokumentarfilme produziert hat, treten ausnahmslos alle Darsteller erstmals vor die Kamera. Dabei wird ein interessantes Konzept für die Storyentwicklung angewandt: Grundlegend spielen die Personen sich erst einmal selbst, wodurch der dokumentarische Anteil zustande kommt. Doch verfolgt die Kamera dabei nicht ihr weiterführendes Leben, wie es sonst so häufig übrig ist, sondern wurde in Zusammenarbeit von Team und Regisseur ein Skript entwickelt, welches jedem einzelnen der Protagonisten auf den Laib geschneidert ist. Sprich die Fiktionalität hält an dieser Stelle minimalen Einzug, da die Darsteller nicht gänzlich selbstbestimmt, sondern teilweise geplant interagieren und trotzdem ihrem Lebensstil treu bleiben.
Darum geht es…
Lenny, Nic, Sönke und Sophia sowie deren entsprechende Partner haben zwei große Gemeinsamkeiten: sie leben in Köln und lieben ihren Alltag so wie er ist und genießen dabei vor allem ihr Sexleben. Dennoch sind sie alle recht unterschiedlich. Während Lenny in einer frisch entstandenen homosexuellen Partnerschaft mit Pia lebt und sie sich durch gemeinsame Probleme zu kämpfen haben, zieht Sophie nach einer gescheiterten Partnerschaft gerade wieder zurück zu ihrer Mutter und ihren vier Schwestern. Um ihre Miete bezahlen zu können und gleichzeitig auch ihren sexuellen Lüsten nachzugeben, tritt sie der Plattform „Ohlala“ bei, über die sie Männer kennen lernt, die auf der Suche nach bezahltem Koitus sind.
Nic hingegen lebt derzeitig in einer festen heterosexuellen Beziehung mit Stella, diese ist jedoch „offen“, so dass beiden Partnern ermöglicht wird auch mit anderen Geschlechtspartnern in Kontakt zu treten. Eifersucht und Kommunikationsschwierigkeiten bringen jedoch nicht den gewünschten Effekt. Zu guter Letzt gibt es noch den vergleichsweise etwas älteren Sören, der von Tag zu Tag ohne jeglichen Lebensmittelpunkt lebt und seiner Sexlust mit immer wechselnden Partnerinnen nachgibt. Dies ändert sich jedoch als er Maria kennen lernt, die ihm zeigt wie schön das Leben auch auf andere Weise sein kann.
Rezension
Eingeführt werden die vier Hauptpersonen durch ein kurzes Interview, in dem sie ihren grundlegenden Standpunkt zum persönlichen Ausleben der sexuellen Begierden und dem Thema Liebe klar machen. Ab da an, steht man sofort mitten im Geschehen und der Zuschauer muss erst einmal schaffen die Hürde zu überwinden sich mit den einzelnen Figuren zu identifizieren. Dies ist nicht gerade einfach, denn immer wieder wechseln abrupt die Szenen von einem Paar auf ein Anderes und es dauert eine Weile, bis man die Protagonisten tatsächlich identifizieren kann, da ein recht breites Spektrum an Menschen in die Geschichte mit einbezogen wird, wovon jedoch der Großteil keine tiefergehende Relevanz hat. Nachdem sich das Publikum jedoch zurechtgefunden hat, entwickeln sich vier recht interessante, aus dem Leben gegriffene Geschichten, die ihre volle Wirkung erst dadurch ausprägen können, dass sie alle sehr unterschiedlich sind und doch einem gemeinsamen Grundtenor folgen.
Ehrlichkeit und Natürlichkeit spielen dabei eine wesentliche Rolle, wodurch jede der Hauptfiguren es schafft einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Story beschäftigt sich jedoch weitestgehend nur oberflächlich mit den Menschen selbst, sondern fokussiert vielmehr ihren jeweiligen Umgang mit dem Thema Liebe und Sex, wobei sowohl die jeweiligen Erlebnisse durch sexuelle Handlungen visualisiert werden, aber eben auch deren Folgen in Bezug auf Freunde, Familie und eigener psychischen Kraft. Als Ensemblefilm realisiert, bedenkt EASY LOVE die verschiedenen Darsteller mit relativ ähnlicher Leinwandzeit. Dennoch werden ihre Lebensgeschichten immer nur episodenhaft eingestreut und die Szenerie wechselt scheinbar wahllos zwischen den Personen hin und her, was teilweise zu leichten Verwirrungen führen kann. Da die verschiedenen Paare keine direkte Beziehung zueinander pflegen, wäre wohl eine besser Variante gewesen, aus dem gesamten Material vier einzelne und kompakte Storys zu schmieden oder diese zumindest unter gewissen Überschriften chronologisch zu sortieren.
Eintauchen in neue Faszinationen
Abseits der Eindrücke über die erotischen Eskapaden der Darsteller ist es besonders spannend in völlig andere Lebenswelten einzutauchen und dabei insbesondere einen Eindruck zu bekommen wie die Jugend ihre Zeit und Beziehungen gestaltet, da diese doch deutlich hedonistischer geprägt sind. Dieser Film bietet damit dem Publikum die Möglichkeit in eine andere Form der Lebensgestaltung hineinzublicken, als man sie selbst führt und darin sowohl veränderbare Vorteile als auch Warnungen vor Problemen zu finden. So ist es wohl für viele Menschen schwer sich in eine Person hineinzufühlen, die sich zum Beispiel der homosexuellen Lust hingibt oder sich für Sex bezahlen lässt. Hier wirkt das Werk etwas aufklärend, auch wenn dem Zuschauer natürlich klar sein muss, dass es sich hierbei nur um ein exemplarisches Beispiel handelt. Tendenziell sind Lebensgeschichten Anderer für uns immer eine spannende Angelegenheit, da sie uns die Möglichkeit bieten der eigenen Welt zu entkommen und neue Sichtweisen kennen zu lernen.
Unter dem Strich bietet EASY LOVE eine angenehme Vereinigung von dokumentarischen Aspekten und geplanten Spielfilm-Elementen. Dies ist zwar ein Werk, dass man nicht unbedingt gesehen haben muss und die Welt damit nicht unbedingt braucht, doch gleichzeitig ist es auch interessant gestaltet und bietet spannende Einblicke hinter Vorhänge, die vielen Leuten zumeist verschlossen bleiben, auch wenn sie gerne einmal einen Blick dahinter geworfen hätten. Brisante und intensive Liebes- und Sexmomente bringen zudem eine bekräftigende Würze in das Werk, die die Neugier zusätzlich hochhalten.
Vier unterschiedliche Menschen, vier unterschiedliche Geschichten, eine Gemeinsamkeit: EASY LOVE verknüpft nicht nur dokumentarische Berichterstattung mit ansatzweise geplantem Erotikfilm, sondern auch verschiedenste Lebensstile, die sich darin gleichen, dass die Menschen eine gewisse Sucht zum Thema Liebe und Sex empfinden. Regisseur Tamer Jandali schafft es dabei geschickt aus diesen Geschichten zu erzählen und dabei auch die Leidenschaft, die die Darsteller leitet einzufangen, ohne dabei in eine unnötige Pornodarstellung abzurutschen. Da die Protagonisten alle weitestgehend sich selbst gespielt haben, lebt das Werk von einer großen Natürlichkeit, Ehrlichkeit und Lebhaftigkeit, die zudem durch die Diskrepanz der verschiedenen Lebensstile weiter angeheizt wird. Jandali bietet dem Publikum die Möglichkeit spannende Einblicke in andere Welten zu erlangen, eigene Wünsche, Sehnsüchte und Gebaren zu teilen sowie die Möglichkeit zu erkennen, dass anfänglich toll klingende Lebensstandards ebenfalls ihre eigenen Herausforderungen mitbringen, die häufig nicht gleich erfassbar sind. Das Spektrum der erzählerischen Möglichkeiten ist dabei noch viel größer als hier dargestellt, weshalb tatsächlich sogar das Potenzial für einen Fortsetzung gegeben wäre.