Christine Nöstlinger war Zeit ihres Lebens ein Wiener-Urgestein. Sie ist dort geboren und hat bis zu ihrem Tod 2018 in Österreichs Hauptstadt gelebt und gearbeitet. Sie liebte es, Kindergeschichten zu erzählen und machte dabei immer wieder darauf aufmerksam, dass sie lieber für Kinder anstatt über Kinder schreibt. Allein 20 Bücher hat sie unter dem Titel GESCHICHTEN VOM FRANZ rausgebracht. Insgesamt umfasst ihr Repertoire sogar mehr als 140 Werke, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde und daher noch heute als eine der wichtigsten deutschsprachigen Kinderbuchautorinnen gefeiert wird. Tragischerweise erklärte sie nur wenige Tage vor ihrem Tod, dass sie keine Geschichten mehr schreiben würde und führte unteranderem den Grund an, dass sie die heutige Jugend und die moderne Technik einfach nicht mehr verstünde. Nöstlinger lag viel eher etwas daran, klassische Abenteuer zu erzählen, die gesäumt sind mit alltäglichen Herausforderungen und kleinen Lebensweisheiten.
Ihr Erbe besteht jedoch fort und wurde auch bereits vielfach in anderen Medienbereichen übernommen. Neben einigen Hörspielen sind ihre Geschichten vor allem im Fernsehen und auf der Kinoleinwand zu begutachten. Erstmalig jedoch werden nun auch die Geschichten vom Franz filmisch inszeniert unter der Regie von Johannes Schmid und auf Anregung von Produzentin Katharina Posch, die die Abenteuer von Franz bereits aus ihrer Kindheit kannte, sie nun wiederentdeckt hat und schon beim Vorlesen für ihre Kinder merkte, dass die Bücher noch heute funktionieren. Wie so häufig in Kinderfilmen besteht der Cast aus mehreren Kindern, die erstmalig vor der Kamera stehen, aber eben auch einem tollen Erwachsenenensemble. Mit Simon Schwarz konnte Schmid den Helden der Eberhoferkrimi (wie KAISERSCHMARNDRAMA) gewinnen, die derzeitig in aller Munde sind. Aber auch Rainer Egger und Ursula Strauss sind bereits aus diversen Heimatproduktionen bekannt und gern gesehen.
Darum geht es
Der viel zu kleine Franz sieht mit seinen Locken aus wie ein Mädchen, und mit Aufregung und Nervosität kann er so gar nicht umgehen. Der Neunjährige lebt in einer wohlbehüteten Familie und verbringt seine Tage üblicherweise mit seinen besten Freunden, Gabi und Eberhard, auf die er sich immer verlassen kann und mit denen er alle möglichen Abenteuer meistert. Als er eines Tages seinem Lehrer Herr Zickzack beichten muss, dass sein Schulheft nass geworden ist und er die fälligen Aufgaben daher nicht fristgerecht abgeben kann, zeigt sich wieder einmal seine stockende Sprechweise, die immer auftritt, wenn er unter emotionalem Druck steht. Die ganze Klasse lacht ihn aus, und beschämt würde der liebe Junge am liebsten im Boden versinken. Doch es wird Zeit, endlich erwachsen zu werden und sich den Problemen zu stellen. Dank des Internets findet er eine Anleitung, die ihm zum echten Mann macht, und er nimmt alles in Kauf, dieses Ziel zu erreichen…
Rezension
Für die GESCHICHTEN VOM FRANZ hat die Drehbuchautorin Sarah Wassermair sich vor allem an den „Neue[n] Schulgeschichten vom Franz“ aus dem Jahr 1988 orientiert, in welchem Franz mit dem Lehrer Zickzack konfrontiert wird. Wassermair bedient sich jedoch nicht nur dieser einen Geschichte, sondern nimmt sich kleinere Elemente und Anekdoten aus allen Büchern und bastelt dieses geschickt zusammen, so dass eine Runde Handlung entsteht, die der klassischen Kinderfilmlänge entspricht. Zudem wird die Story ausstaffiert mit modernen Storyansätzen, die so in den Büchern nicht existierten. Demzufolge spielt das Ganze in der heutigen Zeit, und Regisseur Johannes Schmid schafft es mit Leichtigkeit, die klassische Abenteuergeschichte von kleinen Kindern mit den modernen Medien zu verknüpfen.
Der Film gleicht vor allem klassischen Werken von Astrid Lindgren wie PIPPI LANGSTRUMPF oder den MICHEL AUS LÖNNEBERGA-Geschichten, in denen Kinder eigenständig die Welt entdecken und mit kleinen Alltagssituationen zu kämpfen haben, die weit ab von großen Abenteuern sind. Es sind persönliche Ängste, kleine Verluste, kindliche Sorgen und aufregende Erlebnisse, die die Essenz der Geschichte ausmachen. So steht ganz klar im Fokus die eigene Unzufriedenheit mit den persönlichen Makeln, das Streben, die Welt zu verstehen und erwachsen zu werden, sowie der Wunsch, beliebt zu sein und von allen Menschen geachtet zu werden. Nebenbei finden immer wieder Angelegenheiten wie Mobbing, Einsamkeit und Schüchternheit, Zugang zur Story und werden einerseits so dargestellt, wie sie häufig auftreten, und andererseits wird auch versucht, Aufklärung zu betreiben und Kindern die Angst zu nehmen.
Idealisierte Realität
Ebenso wie es Nöstlinger gehalten hat, ist dieser Film nicht über Kinder gemacht, sondern für Kinder und zeigt unseren Jüngsten eine Welt, die häufig ihrer eigenen entspricht. Wichtig dabei ist, dass sich das Filmteam zwei ganz wichtigen Elementen angenommen hat, die die heutige Jugend massiv beschäftigen: Medienkompetenz und Erwartungsdruck. Mit beiden Problematiken hat unser Protagonist zu kämpfen und kann diesen nicht standhalten. Erst Mut und Zusammenhalt zeigen, dass jede Person alles schaffen kann, was er oder sie sich vornimmt. Persönliche Schwächen gehören zum Leben dazu, und man muss nicht unbedingt lernen, diese zu bekämpfen, sondern vor allem mit ihnen umzugehen und aus Schwächen schließlich Stärken zu formen. Die heutige Gesellschaft ist auf eine unendliche Optimierung ausgelegt, der niemand so wirklich stand halten kann, und dies wird hier auch mehrfach kritisiert.
So schön und liebevoll diese Geschichten erzählt sind, so deutlich ist doch auch zu spüren, dass hier ein etwas verquerer Blick auf die Jugend gezeigt wird, der eher aus der unwissenden Elternsicht berichtet als tatsächlich aus der Kinderperspektive. Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass sowohl Medienkompetenz als auch der Umgang mit Technik hier vernachlässigt werden und einerseits Gamingsettings im Bild sind, die weit ab einen heute üblichen Standard sind und andererseits die Jugend teilweise noch viel zu fremdartig mit modernen Gerätschaften umgeht, wobei diese die Technik doch häufig besser beherrschen als wir. Die GESCHICHTEN VOM FRANZ etablieren zudem eine gewisse Wunschjugend, wie man sie sich als Erwachsener vorstellen würde. Eine Jugend, die weitab vom Medienkonsum und den gefährlichen Süchten darum groß wird und sich dennoch mit der Technik auskennt.
Konservative Umgangsformen
Als ein eher vernachlässigter Aspekt wird in diesem Film auch auf Kommunikationsprobleme gegenüber Autoritätspersonen aufmerksam gemacht, die sich auch in umgekehrter Richtung bemerkbar machen. Auch wenn das ganze Drama um Herrn Zickzack eher wie ein metaphorischer MacGuffin wirkt, so wird doch zumindest aus diesem Erzählstrang erkenntlich, wie massiv die persönliche Motivation eines Lehrkörpers sich auf das Selbstbewusstsein der Kinder auswirken kann und das konservative Umgangsmethoden und berufliche Resignation unter Umständen sich nicht förderlich auf den Selbstwert unserer Jüngsten niederschlagen. Tatsächlich hätte eben jenes Motiv sogar noch ein wenig mehr an Aufmerksamkeit verdient.
Fazit
Die GESCHICHTEN VOM FRANZ sind viel mehr eine große Geschichte, an die mehrere Nebenhandlungen aus den verschiedenen Büchern angegliedert wurden. Dennoch muss einfach festgestellt werden, dass es sich hierbei um einen wirklich netten kleinen Film handelt, der zeigt, dass Kindergeschichten auch in einer etwas altmodischeren und hoffnungsvolleren Perspektive noch immer funktionieren können und ihren Charme ausstrahlen. Ob die heutige Jugend noch immer mit solch bodenständigen Storys, die weitestgehend ohne Aufreger auskommen und deren Konflikte sich nur auf kleine Persönlichkeitsentwicklungen beziehen, zurechtkommen, ist etwas fraglich. Trotz der eher konservativen Erzählweise finden auch moderne Themen Einfluss und zusammen mit den sehr liebenswerten Kindern in den Hauptrollen ergibt sich ein leicht verträgliches Abenteuer, welches sich irgendwo zwischen modernem Märchen und empfehlenswertem Jugendkino bewegt.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Nachdem kürzlich erst das Remake von PETERCHENS MONDFAHRT gezeigt hat, wie Kinderfilme besser nicht inszeniert werden sollten, bietet uns GESCHICHTEN VOM FRANZ basierend auf der gleichnamigen Buchreihe genau das Gegenteil und bildet quasi eine Schablone für die gelungene Erzählung von Kinderabenteuern. Der Film ist deutlich konservativer erzählt, als wir es mittlerweile gewohnt sind und erinnert viel mehr an so tolle Geschichten wie PIPPIE LANGSTRUMPF und die MICHEL AUS LÖNNEBERGA-Geschichten. Statt weltverändernde Dramen zu eröffnen, konzentriert sich die Geschichte auf eine kleine persönliche Geschichte, die deutlich zeigt, wie aus Erwachsenenperspektive belanglos eigentlich Probleme von Kindern sein können, während sie jedoch für unsere Jüngsten nahezu einen Weltenzusammenbruch bedeuten können. GESCHICHTEN VOM FRANZ sensibilisiert für die vielen kleinen Alltagsthemen und gönnt uns einen wundervollen Blick auf die Welt aus der Perspektive von Kindern. Ich finde solche Geschichten wundervoll und bin absolut der Meinung, dass sie ein großes Publikum verdient haben.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Christine Nöstlinger was a Viennese institution throughout her life. She was born there and lived and worked in Austria’s capital until her death in 2018. She loved telling children’s stories and always made a point of writing for children rather than about children. She published 20 books alone under the title GESCHICHTEN VOM FRANZ. In total, her repertoire even includes more than 140 works, for which she has received several awards and is therefore still celebrated today as one of the most important German-language authors of children’s books. Tragically, only a few days before her death, she declared that she would not write any more stories, citing among other reasons that she simply no longer understood today’s youth and modern technology. Nöstlinger was much more interested in telling classic adventures lined with everyday challenges and small bits of wisdom.
Her legacy continues, however, and has already been adopted many times in other areas of the media. In addition to a few radio plays, her stories can be seen above all on television and the big screen. For the first time, however, Franz’s stories are now being filmed under the direction of Johannes Schmid and at the suggestion of producer Katharina Posch, who already knew Franz’s adventures from her childhood, has now rediscovered them and realised when reading them aloud to her children that the books still work today. As is so often the case in children’s films, the cast consists of several children who are appearing in front of the camera for the first time, but also a great adult ensemble. With Simon Schwarz, Schmid was able to win the hero of the Eberhofer crime thrillers (such as KAISERSCHMARNDRAMA), which are currently on everyone’s lips. But Rainer Egger and Ursula Strauss are also well-known from various local productions and are a welcome sight.
This is what it’s all about
Franz, who is much too small, looks like a girl with his curly hair, and he can’t handle excitement and nervousness at all. The nine-year-old lives in a well-protected family and usually spends his days with his best friends, Gabi and Eberhard, on whom he can always rely and with whom he masters all kinds of adventures. One day, when he has to confess to his teacher Mr Zickzack that his exercise book has become wet and he therefore cannot hand in the assignments due on time, his halting manner of speaking, which always occurs when he is under emotional pressure, becomes apparent once again. The whole class laughs at him, and ashamed, the dear boy would like to sink into the ground. But it is time to finally grow up and face the problems. Thanks to the internet, he finds guidance that will make him a real man, and he will take on anything to achieve this goal….
Review
For GESCHICHTEN VOM FRANZ, scriptwriter Sarah Wassermair drew primarily on the “Neue[n] Schulgeschichten vom Franz” from 1988, in which Franz is confronted with the teacher Zickzack. However, Wassermair doesn’t just use this one story, but takes smaller elements and anecdotes from all the books and skilfully crafts this together to create a round plot that corresponds to the classic children’s film length. In addition, the story is equipped with modern story approaches that did not exist in the books. Consequently, the whole thing is set in modern times, and director Johannes Schmid easily manages to combine the classic adventure story of small children with modern media.
The film resembles above all classic works by Astrid Lindgren such as PIPPI LANGSTRUMPF or the MICHEL AUS LÖNNEBERGA stories, in which children discover the world on their own and have to deal with small everyday situations that are far from great adventures. It is personal fears, small losses, childish worries and exciting experiences that make up the essence of the story. Thus, the focus is clearly on one’s own dissatisfaction with personal flaws, the striving to understand the world and to grow up, as well as the desire to be popular and respected by everyone. Along the way, issues such as bullying, loneliness and shyness find their way into the story and are portrayed as they often occur, on the one hand, and on the other hand, an attempt is made to educate and take away the fear of children.
Idealised reality
Just as Nöstlinger held it, this film is not made about children but for children and shows our youngest a world that often corresponds to their own. What is important here is that the film team has taken on two very important elements that are of massive concern to today’s youth: Media literacy and the pressure of expectations. Our protagonist has to struggle with both of these problems and is unable to withstand them. Only courage and cohesion show that every person can achieve everything he or she sets out to do. Personal weaknesses are part of life, and one does not necessarily have to learn to fight them, but above all to deal with them and eventually form strengths from weaknesses. Today’s society is designed for infinite optimisation, which no one can really stand up to, and this is also criticised here several times.
As beautifully and lovingly as these stories are told, it is also clear that a somewhat skewed view of youth is shown here, reporting more from the ignorant parents’ point of view than actually from the children’s perspective. This is particularly evident in the fact that both media competence and the use of technology are neglected here and, on the one hand, there are gaming settings in the picture that are far removed from today’s usual standard and, on the other hand, young people still sometimes handle modern equipment in a way that is far too alien, although they are often more proficient in technology than we are. The GESCHICHTEN VOM FRANZ also establishes a certain wishful youth, as one would imagine it as an adult. A youth that grows up far away from media consumption and the dangerous addictions around it, but still knows its way around technology.
Conservative manners
As a rather neglected aspect, this film also draws attention to communication problems vis-à-vis authority persons, which can also be seen in the opposite direction. Even if the whole drama about Mr. Zickzack seems more like a metaphorical MacGuffin, at least this story line makes it clear how massively the personal motivation of a teacher can affect the self-confidence of the children and that conservative manners and professional resignation may not be conducive to the self-worth of our youngest. In fact, this very motive deserves a little more attention.
Conclusion
The GESCHICHTEN VOM FRANZ are much more a big story to which several subplots from the various books have been attached. Nevertheless, it simply has to be stated that this is a really nice little film that shows that children’s stories can still work and exude their charm even in a slightly more old-fashioned and hopeful perspective. Whether today’s youth can still cope with such down-to-earth stories that are largely devoid of excitement and whose conflicts only relate to small personality developments is somewhat questionable. Despite the rather conservative narrative, modern themes also find influence and together with the very likeable children in the leading roles, the result is an easily tolerable adventure that moves somewhere between a modern fairy tale and recommendable youth cinema.
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Originaltitel | Geschichten vom Franz |
Kinostart | 14.04.2022 |
Länge | ca. 78 Minuten |
Produktionsland | Deutschland | Österreich |
Genre | Komödie | Familie | Jugendfilm |
Verleih | Wild Bunch |
FSK |
Regie | Johannes Schmid |
Drehbuch | Sarah Wassermair |
Produzierende | Ingo Fliess | Nikolaus Geyrhalter | Markus Glaser | Michael Kitzberger | Katharina Posch | Michel Vandewalle | Wolfgang Widerhofer |
Musik | Toni Martin Dobrzanski |
Kamera | Matthias Grunsky |
Schnitt | Karin Hammer |
Besetzung | Rolle |
Jossi Jantschitsch | Franz |
Nora Reidinger | Gabi |
Leo Wacha | Eberhard |
Ursula Strauss | Mama Franz |
Simon Schwarz | Papa Franz |
Philipp Dornauer | Hank Haberer |
Maria Bill | Frau Berger |
Rainer Egger | Zick Zack |
Laurenz Haider | Josef |
Arwen Hollweg | Elfi |
Julia Edtmeier | Mama Gabi |
Anton Noori | Wolferl |
Vedat Erincin | Herr Donmez |
Deniz Cooper | Papa Gabi |
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