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Die Gelddruckmaschine der deutschen Comedy-Romanzen ist zurück. Anika Decker hat mir ihren Drehbüchern und Regiearbeiten sowohl Barefoot Films als auch Constantin Film bereits mehrfach einen reichen Geldsegen beschert und mehrere Millionen Zuschauende in die Kinos gelockt. Seichtes Wohlfühlprogramm für die obere Mittelschicht ist ein unschlagbares Konzept, welches nun schon seit mehreren Jahrzehnten hierzulande grandios funktioniert und bei dem sich mittlerweile einige typische Gesichter wie Til Schweiger, Matthias Schweighöfer und Elyas M’Barek etabliert haben. Klischees und teilweise schreckliche Menschenbilder gehören dabei immer zum üblichen Konzept. Besonders Frauen und die gesellschaftliche Unterschicht kamen oftmals nicht gut weg, wie ihre letzten Filme TRAUMFRAUEN und HIGH SOCIETY deutlich beweisen. Die Sorge ist daher groß, dass auch LIEBESDINGS angesichts eines eher erschreckenden Trailers in die gleiche Schiene schlägt.
Darum geht es
Superstars haben es bei Weitem nicht so leicht, wie es oftmals scheint. Marvin Bosch gehört zu den wichtigsten Deutschen Schauspielenden und wird daher von der ganzen Nation angehimmelt. Doch das privilegierte Leben im Rampenlicht bringt auch seine Schattenseiten mit sich, denn nirgends ist das Jugendidol sicher vor Kameras und schreienden Fans. Die Klatschpresse hat es zudem auf ihn abgesehen und möchte die dunkelsten Geschichten ausgraben, um große Headlines auf den Schundblättern präsentieren zu können. Ein Interview mit der hartnäckigen Bettina Bamberger raubt Marvin schließlich den letzten Nerv und sorgt dafür, dass er kurz vor seiner eigenen Filmpremiere abtauchen muss. Zuflucht findet er im feministischen Szene-Theater „3000“, in dem das Ensemble ungewöhnliche Musikdarbietungen, Tänze und Comedyprogramme darbietet. Der High Society-Eindringling kommt dem Theater-Team dabei sehr gelegen, denn der Kulturort steht vor dem finanziellen Aus und muss schnell eine rettende Lösung aus dem Hut zaubern.
Rezension
Eine fünfjährige Pause hat Regisseurin Anika Decker nach ihrem letzten Hit hingelegt. Diese hatte nur bedingt etwas mit Corona zu tun, da die Dreharbeiten mitten in der Hochphase der Pandemie aufgenommen wurden. Viel eher stellt sich die Frage, ob Frau Decker angesichts der wachsenden #MeToo-Debatte vielleicht erkannt hat, dass es nicht so smart ist, Frauen stets als verwöhnte Dummchen darzustellen, die hilflos dem patriarchischen System unterlegen sind. Eine erneute Verfilmung einer solchen Geschichte hätte einen Shitstorm mit sich bringen können, weshalb nun offenbar ein neuer Ansatz gefunden werden musste, der für die breite Masse genauso bekömmlich ist.
Was jedoch geschehen ist, ist einzig und allein eine neue Verpackung, um die bereits bekannte Thematik zu legen und erneut arm gegen reich auszuspielen und mit hochgehaltener Flagge den Menschen Feminismus und Diversität in den Mund zu legen, obwohl beides nur oberflächlich ins Bild geschubst wird. Symbolträchtig dafür ist wohl, dass im zugehörigen Presseheft ein Director’s Statement zu finden ist, in welchem einerseits der Hashtag #MeToo falsch geschrieben ist, gleichzeitig aber auch Sätze wie folgt auftauchen: „Mein Herz gehört schon lange allen Farben, die auf dem Regenbogen zu Hause sind. Die langweiligsten Menschen sind ja sowieso immer die mit der unkomplizierten Kindheit, oder?“ Ob das angesichts ihrer filmischen Vorgeschichte nicht eher ein Eigentor darstellt, bleibt jedem in seinem Verständnis selbst überlassen.
Sieht so Diversität aus?
LIEBESDINGS glänzt weder mit Kreativität noch mit Tiefsinnigkeit und zehrt einzig und allein von seiner Unterhaltungskraft, die schrecklicherweise mal wieder genau den Nerv des deutschen Publikums treffen wird. Von einer intelligenten Regie- und Drehbucharbeit kann nämlich keineswegs die Rede sein, wenn schon in einer der frühen Szenen ein Social Media-Foto im Querformat geschossen wird, der dramaturgische Aufbau ganz nach deutschem Lehrbuch geschieht und Themen der Diversität und des Feminismus nur als Augenwischerei hineingeschubst werden, um dem nicht ganz so smarten Publikum vor Augen zu führen, wie weltoffen man doch sei. Dass ein recht breit gefächerter Cast als Grundlage dient, ist dagegen tatsächlich lobenswert, auch wenn alle Hauptrollen, so verlangt es das cineastische deutsche Gesetz, nur an heterosexuelle Cis-Personen gingen und auch deren Charaktere eine ähnliche Weltanschauung verfolgen.
Wenn wir in 3 Wochen schaffen den Kapitalismus gegen eine andere Staatsform auszutauschen, ist es nicht ganz so schlimm. Liebesdings
Die Geschichte selbst kommt dabei von der Stange und folgt dem klassischen Prinzip, bei welchem sich ein reicher Mensch in eine ärmlichere Person verliebt und alle glücklich werden. Zwischendrin werden natürlich hier und da noch ein paar Dramen der Trennung und Verachtung eingefügt. Die Darstellung der drohenden Mittellosigkeit ist dabei mal wieder aus einer äußerst privilegierten Perspektive dargestellt, denn Lucie Heinzes Figur wird lediglich anhand einer etwas schmuddeligeren Altbauwohnung in Berlin (Mitte?) degradiert. Damit sich das gut situierte Publikum dieses Elend jedoch nicht zu lange anschauen muss, bleibt der Dreh und Angelpunkt Elyas M’Barek, der natürlich nichts Geringes als den deutschen Filmsuperstar spielt. Ein Hinweis auf das eigene Ego?
Augenkrebs für Lokalpatrioten
Quietsche bunt und völlig überdreht nimmt uns LIEBESDINGS auf eine Reise durch Berlin mit, die Hauptstadtkennern wieder mal ordentlich Bauchschmerzen bereiten dürfte. Von der Gedächtniskirche bis nach Pankow und nur wenigen Minuten – ein Traum für jeden Bewohner. Zudem wird das Szenetheater nicht so recht dem Pankower Ruf gerecht, denn auch wenn der Bezirk einst für seine vielen Clubs und Bars bekannt war, die dem homosexuellen Spektrum oder den vielfältigen Mentalitäten zugeordnet werden konnten, so wurden diese doch durch feine finanzkräftige Ökofamilien immer weiter verdrängt und in andere Ecken der Stadt vertrieben.
Es ist gar keine Frage, dass der offene Umgang mit weiblichen Genitalien, der Periode und queeren Themen erfrischend, gleichzeitig aber auch ein wenig verstörend ist. Ob das Tragen einer Vagina-Maske die prüden deutschen Gemüter aufweicht oder nicht doch eher dafür sorgt, dass Gegenstimmen in ihrer Ansicht bestärkt werden, sei an dieser Stelle einmal in den Raum gestellt. Noch schockierender ist allerdings der Faktor, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender laut Der Spiegel sich um die Ausstrahlung des Trailers angesichts des Vorkommens von überdimensionierten Tampons geziert haben soll.[1]
Fazit
LIEBESDINGS versucht vieles zu sein: witzig, queer, feministisch, romantisch, authentisch und kulturell. Statt jedoch sensibel mit diesen Themenbereichen umzugehen, haut Regisseurin Decker viel lieber auf den Tisch und haut die volle Bandbreite an Stereotypen der einzelnen Geschlechteridentitäten raus, ohne Rücksicht auf Verluste. Damit kehrt sie etwas unscheinbarer als üblich zu alten Mustern zurück und zieht lediglich die richtigen Fäden, die den deutschen Einmalkinogänger bestens befriedigen werden. Auch wenn mein persönlicher Lachindex bei 0 lag und Elyas M’Barek genauso unlustig ist wie eh und je, so bietet das Werk doch zumindest einen unterhaltenden Ansatz, der sich fast ausschließlich auf das Theaterensemble fokussiert. Nett, wenn auch oftmals überflüssig, sind zumindest die kleinen Gastauftritte von Simon Pearce, Steven Gätjen sowie einigen weiteren deutschen Lokalgrößen, die in ihren realen Rollen auftreten. Rick Kavanian hingegen hat sich offenbar versehentlich am falschen Set wiedergefunden. Somit haben wir wieder eine deutsche Romkom, die es nicht gebraucht hätte.
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Quellen
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