Mit 20 wirst du sterben

Unheilvoll schwebt der Titel Amjad Abu Alalas Debütfilm über der ruhig erzählten Identitätssuche und Coming of Age-Geschichte, mit der der Regisseur einen der wenigen Langspielfilme seines Heimatlandes produzierte. Es ist, so merkte er in einem Interview^[1] zum Film selbst an, erst der achte Film in Feature-Länge, welcher im Sudan produziert wurde. Ein engagiertes Projekt, an dem neben einer internationalen Crew auch sudanesische Helfende beteiligt waren, die Alala mit der Arbeit am Film vertraut machen wollte. Filmassistent*innen und viele der Darstellenden besetze er zumeist mit Laien.

Thematisch orientiert er sich in seinem ersten Film an der Kurzgeschichte „Sleeping at the Foot of the Mountain“ des sudanesischen Schriftstellers, Kulturjournalisten und Aktivisten Hammour Ziada, in welcher er bereits Jahre zuvor Anknüpfungspunkte an seine eigene Vergangenheit ausfindig machte. In MIT 20 WIRST DU STERBEN verlegt Amjad Abu Alala die eigentlich im Norden des Landes angesiedelte Geschichte in das Dorf seines Vaters, einige Stunden südlich der sudanesischen Hauptstadt. Sein Film wurde 2021 als erster sudanesischer Beitrag für den Oscar als besten internationalen Film ausgewählt.

Darum geht es

Vom Tag seiner Geburt an verfolgt den jungen Muzamil eine düstere Prophezeiung: Bei einem Ritual bricht ein heiliger Mann des Dorfes zusammen und sagt voraus, mit 20 Jahren zu sterben. Von seinem eigenen Vater verlassen, wächst Muzamil bei seiner fürsorglichen Mutter auf und wird von anderen Kindern des Dorfes gehänselt. Mit 19 Jahren rückt der prophezeite Zeitpunkt näher. Doch Muzamil stößt nicht nur auf Fragen, die ihn an der Vorhersagung rätseln lassen, sondern auch auf Menschen, die ihm ein Leben abseits dessen zeigen …

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Rezension

Als „Sohn des Todes“ verspottet, zeichnen sich bereits früh die Folgen der unmissverständlichen Vorhersehung ab, die beinah jedes Gespräch, das Muzamil führt, heimsuchen. Die Kinder des Dorfes verfolgen ihn wie Gespenster und erinnern ihn tagtäglich an seine Bestimmung, ein Zugang zur Bildung wird ihm aufgrund seines kurz prophezeiten Lebens von vornherein verwehrt. Das düstere Schicksal ist die Allgegenwart des Protagonisten, die erst in der zweiten Hälfte des Films langsame Brüche erfährt.

Bis sich der Film mit der Figur des Suleiman für eine Welt abseits der Bestimmung öffnet, gibt MIT 20 WIRST DU STERBEN vorwiegend Einblick ins zeremonielle und traditionelle Leben des sudanesischen Dorfes, in dem insbesondere der spirituell geprägte Sufismus, welcher verschiedene Strömungen des islamischen Glaubens umfasst, verbreitet ist. Als ein zentrales Thema beobachtet der Regisseur den Einfluss des Glaubens auf ein Menschenleben, ohne die Religion als solches kritisierend, nur den selbst auferlegten Determinismus erkundend. Eine tiefere Auseinandersetzung mit Glaubensfragen schafft der Film somit nicht, die spannenden weiterführenden Gedanken überlässt er zumeist unkommentiert dem Publikum.

Freiheit und Zwang

Mit dem Stilmittel der Kontraste, die er gleich zu Beginn mit einer farbkräftigen Ausstattung, die sich von der kahlen gelbbraungetränkten Wüstenlandschaft abhebt, auf visueller Ebene setzt, kreiert der Film zudem inhaltlich Gegenentwürfe zu einer streng religiösen Weltauffassung. Auch hier verzichtet der Regisseur auf strikte (Religions-)Kritik, weiß jedoch dem Freiheitsverständnis einzelne Facetten und seiner Liebe zum Film Ausdruck zu verleihen. Durch die Begegnung mit einer anderen Weltanschauung erhält Muzamils Figur zumindest die Möglichkeit, sich innerhalb der Fesseln seiner Vorhersagung zu bewegen, wenngleich der Film endet, bevor dem Publikum eine wirksame Reflektion des Protagonisten zuteilwird.

In äußerst langsam erzählten, hundert Minuten legt MIT 20 WIRST DU STERBEN seinen Fokus eher auf das Mystische und Spirituelle, eingefangen durch wiederkehrende Licht und Schatten-Metaphorik, symbolträchtige Bilder oder ekstatische Gefühlszustände der Figuren. Wohingegen Muzamils Jugendliebe als recht eindimensionale Nebenfigur auftritt, erhält insbesondere die Mutter-Sohn-Beziehung mehrfach Beachtung. Dadurch werden Charaktere zwar nicht stichhaltig ausformuliert, ihnen jedoch die ein oder andere mit Tanz und Gesang äußerst hypnotische Szene beschert.

Fazit

MIT 20 WIRST DU STERBEN erzählt in einfacher, klassischer Dramaturgie von einem vorhergesagten Schicksal, dessen Narrativ sich die Hauptfigur Muzamil kaum entziehen kann. Trotz Kritik an der folgenschweren Einflussnahme des Glaubens auf ein Menschenleben behält sich der Film dabei spirituelle und religiöse Grundtöne, die in unaufgeregten Bildern und Charakteraufnahmen immer wiederkehren.

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