Originaltitel: Monos
Kinostart: 04.06.2020
Länge: ca. 103 Minuten
Produktionsland: Kolumbien | Argentinien | Niederlande | Deutschland | Schweden | Uruguay | Dänemark | USA
Regie: Alejandro Landes | Alexis Dos Santos
Schauspieler:innen: Julianne Nicholson | Moises Arias | Sofia Buenaventura
Genre: Drama | Thriller
Verleiher: DCM Filmdistribution
Guerilla und Guerillakämpfer tauchen in der Weltgeschichte unter diesem Begriff erst etwa seit Anfang des 19. Jahrhunderts auf. Dennoch gibt es die Bestrebungen dahinter schon viel länger, denn diese Begriffe stehen für einzelne Kämpfer und sehr kleine aufständische Gruppen, die zumeist kleine Kriege gegen die eigene Regierung oder eine entsprechende Besatzungsmacht führen. Die deutsche Bezeichnung dafür bezieht sich zumeist vor allem auf lateinamerikanische Kampfgruppen, wie sie beispielsweise in Kolumbien häufiger anzutreffen sind.
Regisseur Alejando Landes kennt sich bestens mit solchen kriegerischen Gruppierungen aus, denn er selbst ist in Brasilien geboren und das Heiligtum seines Großvaters, ein schönes Stück Landgut, wurde von einer der grausamsten rechtsparamilitärischen Gruppen vereinnahmt. Für den Film recherchierte Landes vor allem in Wiedereingliederungslagern, in denen Ausstößige versuchen sich zu rehabilitieren und sich wieder in die gegenwärtige Gesellschaft einzufügen. Weitestgehend suchten sie sich dafür junge Menschen, die als Laiendarsteller fungierten. Einzig zwei Darsteller stießen zu dem unerfahrenen Cast hinzu, die bereits einiges an Vorerfahrungen gesammelt haben: Moises Arias, bekannt aus PITCH PERFECT 3 oder DREI SCHRITTE ZU DIR sowie die fast einzige ältere Darstellerin Julianne Nicholson, die aus Produktionen wie BLACK MASS und I, TONYA bekannt ist.
Darum geht es…
An einem unbekannten Ort in einer abgelegenen Bergregion Kolumbiens halten acht jugendliche Guerillakämpfer eine Geisel gefangen, die stets mit „Doctora“ bezeichnet wird. Die jungen Menschen, gemischt im Geschlecht, sind von ihrer Organisation dazu angehalten die eingesperrte Frau am Leben zu halten und zugleich zu verstecken. Um dies zu gewährleisten, trainiert ein Bote die Truppe und versucht ihnen angemessene Disziplin beizubringen. Das ist gar nicht so einfach, denn neben der Ernsthaftigkeit für die Situation steckt auch noch sehr viel Unsinn und Überheblichkeit in den jungen Menschen, die nicht eben so einfach auszutreiben ist.
Die Gefangenschaft der „Doctora“ zieht sich über einen längeren Zeitraum hin und da die Truppe sich in einem öden und wenig nahrhaften Gebiet befindet, stellt die Organisation der Einheit eine Kuh zur Verfügung, die letztlich mehr Probleme bringt als erhofft. Im Rausch des Genusses der akzeptierten Liebesbeziehung des Anführers mit einer seiner Kämpferinnen, treffen die übermütigen Schüsse mit den Maschinenpistolen in die Luft schließlich das Tier und lassen es verenden. Die Disziplin sinkt daraufhin zunehmend und der Anführer der Truppe nimmt sich schließlich das Leben, da er sich selbst als Versager sieht. Alles gerät zunehmend aus den Fugen und schließlich wird das Lager auch noch angegriffen. Neben den Fluchtversuchen der “Doctora“ müssen die Kämpfer nun also einen neuen sicheren Ort für ihre Mission finden. Werden sie ihre Aufgabe erfüllen können, oder schafft die „Doctora“ es sich in Sicherheit zu bringen?
Rezension
Unwissend auf was ich mich hier einlasse, bildeten die ersten Minuten einen doch eher abschreckenden Charakter, bei dem sich schon erste Sorgen hinsichtlich der Qualität des Films auftaten. Unschöne und triste Bilder, die vor allem dadurch ihren Charme verlieren, dass sich die Handlung in abgelegenen und einsamen Gebieten abspielt, die zudem viel von Nebel heimgesucht werden. Grundsätzlich gehört Nebel natürlich zum Leben und somit zum Film dazu, doch ist es immer schwierig diese auch auf der Leinwand zu verarbeiten, denn zumeist entstehen dadurch unattraktive Aufnahmen, die absolut nicht ansprechend wirken und ein wenig verschrecken. Zudem werden Geschehnisse immer wieder verschleiert und unkenntlich und die Handlung scheint düster und kalt.
Doch genau damit trifft natürlich die Story den Nagel auf den Kopf, denn nichts anderes gehört in diesem Zusammenhang natürlich auch vermittelt. Während wir anfangs eine sehr seltsame Konstellation von jungen Menschen mit einem kleinwüchsigen Boten begutachten können, werden wir recht schnell mit den Jugendlichen allein gelassen und bekommen einen turbulenten Überblick über die verschiedenen Persönlichkeiten, der weitestgehend als recht verwirrend bezeichnet werden kann. Es dauert eine ganze Weile, bis man sich in den Film hineingeguckt hat, weshalb schon jetzt gesagt werden muss: Bitte nicht nach nur 20 Minuten einfach abschalten, denn MONOS – ZWISCHEN HIMMEL UND HÖLLE muss erst so richtig in Fahrt kommen.
Im Labyrinth der Verwirrung
Ein wenig erinnern diese Einführungsszenen an MAZE RUNNER – DIE AUSERWÄHLTEN IM LABYRINTH, denn auch hier muss die Gruppierung eine eigene Gesellschaftsform entwickeln, der sie über die Zeit in der Einsamkeit zusammenleben. Dabei gelten gewisse Gesetze und Regeln und Fehlverhalten muss entsprechend auch bestraft werden. Langezeit erfahren wir jedoch leider nichts über die hintergründige Handlung des Films, weshalb der Zuschauer lange im trüben fischt, um wen oder was es hier überhaupt geht. Die einzelnen Figuren werden in keiner Weise vorgestellt und so erfahren wir erst fast ganz zum Schluss, durch einen beiläufigen Satz, etwas über die Gefangene Frau. Völlig Informationslos hingegen bleiben wir bezüglich aller sonstiger Teilnehmer und so versucht man kläglich beim Betrachten des Films nach jedem informativen Element zu greifen, um sich irgendwie ein schlüssiges Bild zusammen zu stellen. Doch weitestgehend vergeblich.
Die große Erleuchtung setzt erst im zweiten Part ein, in dem die Guerillakämpfer angegriffen werden und eine neue Zuflucht suchen. Hier wird schrittweise deutlich, warum all dies geschieht wie es gezeigt wird, auch wenn wir letztlich niemals erfahren werden, wo die Handlung genau spielt, warum die Frau gefangen ist und worin der ganze Zweck dieser Gefangenschaft bestehen soll. Die Vermutung wird zwar geboten durch gelegentliche Aufnahmen der „Doctora“ durch den Boten, die darauf hinweisen könnten, dass es sich um eine Erpressung mit Geiselnahme handelt, bei der eine Regierung unter Druck gesetzt werden soll, aber all dies bleibt letztlich eher blanke Theorie.
Mit Highspeed im Schneckentempo
Der Film bewegt sich recht rasant voran, denn es gibt sehr viele Zeitsprünge, die nicht so ganz eindeutig als solche erkennbar sind. Diese sorgen zudem immer wieder für Verwirrung, da in der Zwischenzeit auch einiges an Handlung einfach übersprungen wurde. Es ist somit teilweise recht schwer am Ball oder gar am Zahn der Zeit zu bleiben. Doch damit wurde gleichzeitig auch ein unverzerrtes und reales Bild der üblichen Geschehnisse in solchen Kampfgebieten geschaffen, welches einen ungetrübten Einblick in das Hier und Jetzt solcher Jugendtruppen bietet. Unkommentiert und unverblümt wird dem Zuschauer keine vorgefertigte Meinung aufgedrückt, sondern viel mehr die Freiheit geboten selbst zu bewerten, wie solche Ereignisse einzuschätzen sind.
Sehr spärlich mit Musik ausgestattet, finden eher Pfeiftöne und Geräusche Zugang zu der Handlung, die fast die einzigen akustischen Mittel sind, denn letztlich wird auch Sprache nur sehr spärlich eingesetzt, was auch ein Grund für die große Informationslosigkeit ist. Trotz, dass in weiten Teilen der Handlung kaum etwas geschieht, keine ansprechenden Bilder zu sehen sind, keine beeindruckende musikalische Untermalung gegeben ist und Dialoge uns fast nichts verraten, schafft es das Regie-Duo doch tatsächlich eine angenehme Spannung aufzubauen, die den Zuschauer stets neugierig macht, worauf es nun hinaus läuft. Wir erleben eigentlich nie etwas vollkommen überraschendes und sind doch absolut fasziniert von diesen abgehobenen Geschehnissen, die in Teilen der Welt leider bittere Realität darstellen.
Und plötzlich geht es rund
Der zweite Teil des Films hat schließlich wirklich viel zu bieten, denn nun entwickelt sich eine völlig neue Gesellschaftsordnung – Angst und Furcht gewinnen immer mehr an Bedeutung und die einzelnen Figuren entwickeln zunehmend eigene Persönlichkeiten und wenden sich ab von der breiten Masse. Es werden deutlich mehr Entscheidungen getroffen und die Dichte der Geschehnisse nimmt arg zu. Demzufolge bekommt auch die Spannung noch einmal einen ordentlichen Schub und die Neugier auf die Entwicklungen steigt stark an.
Es ist fast schon beeindruckend, wie sich mein Kopf dagegen gewehrt hat diesen Film gut zu finden, weil einfach nichts wirklich ansprechend wirkt, doch bleibt letztlich kaum eine andere Möglichkeit der Meinungsbildung als zu sagen, dass dieser Aufbau von MONOS – ZWISCHEN HIMMEL UND HÖLLE absolut stark gelungen ist. Noch immer möchte ich es nicht wahrhaben, doch dadurch, dass wir bis zum Schluss nur einen sehr sehr kleinen Blickwinkel einer großen Gesamtgeschichte erfahren, ohne die vielen nervigen Beiwerke, die sonst üblicherweise eingeflochten werden, geht der Film einfach mal andere Wege als üblich und weiß daher geschickt zu begeistern. Dennoch existiert ein großer Zwiespalt zwischen: Ich kann den Film empfehlen oder eben auch nicht. Es lohnt sich durchaus ihn anzuschauen, doch wird er vielen Menschen einfach nicht gefallen.
Dieser Film schafft es in knapp 100 Minuten einen spannenden Einblick in eine weitentfernte Alltagssituation zu geben, die für unsere Zivilisation genauso unfassbar wie auch erschreckend wirkt. Dabei wird nicht auf irgendwelche pompösen Inszenierungen gesetzt, sondern die Realität so unschön eingefangen, wie sie einfach manchmal auch sein kann. Wir bekommen keine grandiosen Kamerafahrten serviert, das Sounddesign ist schlicht und simpel und die Bilder sind oftmals eintönig und anspruchslos. Gleichzeitig hat auch die Handlung über weite Strecken nicht viel zu bieten und tapst ein wenig im Kreis herum und dennoch gibt es eine hochklassige Story, die uns stets neugierig macht, wie es nun weiter geht. Dadurch das wir bis zum Schluss fast nichts über die Figuren erfahren, bleibt immer der Wunsch diese Wissenslücke zu füllen.
Paradox ist, dass es gleichzeitig unterschwellig auch einen tiefen Einblick in die Persönlichkeiten der Figuren gibt und wir schlussendlich sogar umfassendere Persönlichkeitsanalysen aufstellen könnten. Doch ist der Film nun auch zu empfehlen? Ich kann es bis heute nicht sagen, denn tatsächlich hat mich das Aussehen und die ganze Art der Erzählung doch sehr abgeschreckt und ich denke damit werden viele Zuschauer bereits in den ersten Minuten gewillt sein den Kinosaal zu verlassen. Gleichzeitig jedoch hat mich der Film so gepackt und in diese Welt hineingerissen, dass ich gerne mehr erfahren hätte und mit der Zeit diese unattraktiven Szenarien nahezu vollkommen ausgeblendet habe. Ich persönlich bin somit sehr begeistert, kann jedoch gut nachvollziehen, wenn andere Zuschauer zeitnah das Weite suchen.