Rezension
Als die Hauptdarsteller*innen Lilly Farhadpour und Esmail Mehrabi die Bühne nach der Weltpremiere ihres Films THE FAVOURITE CAKE betreten, halten sie gemeinsam ein Plakat in die Höhe. Darauf ist das Regieduo der iranisch-europäischen Koproduktion Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam zu sehen. Ihre Sitze blieben während der Vorführung leer, vor Monaten hat man ihnen im Iran die Pässe abgenommen und sie mit einem Reiseverbot belegt. Ihr romantisch-tragisches Drama um zwei Siebzigjährige, die nach kurzem Kennenlernen einen Abend miteinander verbringen, ist ein Film, in dem zwei individuelle Leben im Vordergrund stehen, in dem jedoch auch die Politik eine unvermeidbare Rolle spielt. Nach DIE BALLADE VON DER WEIßEN KUH, ihrem gemeinsamen Spielfilmdebüt, steht auch ihre aktuelle, nicht minder eindringliche Arbeit im Wettbewerb der Berlinale.
Mahins Kinder haben den Iran vor vielen Jahren verlassen, ihr Mann ist schon viele Jahrzehnte lang tot. Der schüchterne Taxifahrer hingegen konnte nie Kinder haben, seine Frau ließ sich längst von ihm scheiden. Größeres Augenmerk als auf der jahrzehntelangen Einsamkeit beider Figuren, liegt auf der neu gefundenen und doch nach kurzer Zeit schon vertraut wirkenden Zweisamkeit. Nach der skizzenhaften Einführung der Figuren und einer aufwühlenden Konfrontation mit der Sittenpolizei, entfaltet sich das Aufeinandertreffen der beiden bescheidenen Alleinstehenden, angestoßen durch den Charme der selbstbewussten Protagonistin, nahezu in Echtzeit. Aus einer Taxifahrt wird eine Einladung in die eigenen vier Wände, aus dem spontanen Treffen ein gemeinsames Abendessen, aus einer einzelnen Nacht ein (Auf-)Leben gegen das iranische Regime.
Die Lampen Mahins üppig bepflanzen Gartens sind nicht die einzigen, denen innerhalb der neunzig Minuten neues Leben eingehaucht werden. Ähnlich ergeht es beiden, traditionelle Rollenbilder ausfüllenden wie seicht umkehrenden Figuren, die noch zu Beginn des Tages ein Randdasein im Blick des anderen fristeten. In warmen, von Anekdoten verdichteten Aufnahmen weichen die Gedanken an das verwaiste Heim den lebendigen Gesprächen und Genussmittel, die aufgetischt und eingeschenkt werden. Liebevoll entwickelt sich die eindrückliche Chemie der Hauptdarsteller*innen, die wie viele Momente in MY FAVOURITE CAKE die Balance von Tragik, Komik und inhärenter Gesellschaftskritik hält.
Irgendwann scheint all die positive Lebensenergie, die der Film unmittelbar in intime Figureneinblicke wandelt, aufgebraucht. Die vermeintliche Zeitlosigkeit des Abends versiegt, allegorische Andeutungen, die die gesellschaftliche und politische Vergangenheit und Gegenwart des Irans versinnbildlichen, ziehen sich zu einem tragischen Schlussakkord zusammen, die zuvor beharrlich aufgebauten Glücksmomente versiegen endgültig. Behtash Sanaeehas und Maryam Moghaddams vor feinen Gesten strotzende Regiearbeit endet hoffnungsloser, als es der Ton des Films lange Zeit verspricht. Zurück bleiben Minuten des Schweigens, verwackelte Schnappschüsse und eine freie Vergangenheit, die begraben wird. Aber auch Momente wie jene, in denen die Frage, ob man zusammen Wein anbauen wolle, so verliebt und herzlich zum Ausdruck gebracht wird, wie nie zuvor.
Fazit
Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam genügen einfühlsame Beobachtungen eines gemeinsamen Abends, um die Chemie ihrer beiden Figuren und Hauptdarsteller*innen in bodenständigen und doch allegorisch aufgeladenen Bildern eindringlich aufgehen zu lassen. Deren lebendige Sehnsüchte nach Zweisamkeit und Freiheit durchziehen den leise-kraftvollen Spielfilm eingehend bis zum bitteren Schluss.
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Originaltitel | کیک محبوب من |
Kinostart | 11.7.2024 |
Länge: | 97 minuten |
Produktionsland | France |
Genre: | Drama | Komödie | Liebesfilm |
Regie | Behtash Sanaeeha | Maryam Moghaddam |
Producer | Etienne de Ricaud | Peter Kropénin | Gholamreza Moosavi | Behtash Sanaeeha | Christopher Zitterbart |
Kamera | Mohamad Hadadi |
Musik | Henrik Nagy |
Cast | لیلی فرهادپور, Esmail Mehrabi, Mansoureh Ilkhani, Soraya Orang, Homa Mottahedin, Sima Esmaeili, Aman Rahimi, Azim Mashhadi, Saeed Payamipour, Asghar Nejad, Mehdi Pilehvari, Mohammad Heidari, Khosro Abbasi, Mozafar Esmaeili, Melika Pazouki, Amir Hossein Esfandiari, Shahin Karimi, Saeed Lashgarou, Mohammad Ali Babajani, Amir Azarmian |
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