Originaltitel: Quo vadis, Aida?
Kinostart: 05.08.2021
DVD/Blu-ray – Release: 17.12.2021
Länge: ca. 101 Minuten
Produktionsland: Bosnien und Herzegowina | Deutschland | Frankreich | Österreich | Polen | Rumänien | Niederlande | Norwegen | Türkei
Regie: Jasmila Žbanić
Schauspieler:innen: Jasna Duricic | Izudin Bajrovic | Boris Ler
Genre: Drama | Kriegsfilm
Verleih: Farbfilm
Quo vadis – Wohin wird das führen? Ein Ausdruck der Besorgnis und der Ungewissheit, welcher als Filmtitel ungeschönte Erwartungen schürt. Ebenso groß wie das Besorgnis, welches die Protagonist*innen des Filmes vor sich hintragen, ist das Missbehagen darüber, wie wenig präsent eines der größten Kriegsverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg noch zu sein scheint. Als Beitrag zur Erinnerungskultur behandelt der Film von Regisseurin Jasmila Žbanić die letzten Tage vor dem Massaker von Srebrencia, welchem 8000 Unschuldige zum Opfer fielen und von der UN als Völkermord von Srebrencia eingestuft worden ist.
Die internationale Koproduktion, an der Produktionsgesellschaften aus acht Ländern unter anderem aus Deutschland, Bosnien-Herzegowina und Rumänien beteiligt waren, erhielt bei der diesjährigen Oscarverleihung eine Nominierung für den Besten Fremdsprachigen Film und gewann unter anderen den Publikumspreis beim Internationalen Film Festival Rotterdam und den Hauptpreis beim IFFF Dortmund + Köln 2021. Ab 5. August 2021 gibt es den Film nun in den deutschen Kinos zu sehen und zeigt sich somit als Kontrastprogramm zum gutgelaunten Sommerblockbuster und zur Feelgood-Komödie.
Darum geht es…
Bosnien im Juli 1995. Die Übersetzerin Aida ist für die UN in der Kleinstadt Srebrenica stationiert und unterstützt die dortigen Hilfskräfte und Geflüchtete mit ihren Sprachkenntnissen. Mit der Übernahme der Stadt durch die serbische Armee suchen Tausende von Menschen Schutz im Lager der UN, welches durch die Masse an Menschen schon bald an seine Grenzen stößt. Unter den Fluchtsuchenden befindet sich auch Aidas Familie, deren Sicherheit die engagierte Frau durch ihre Einflüsse zu garantieren versucht und dabei ihre Möglichkeiten als Dolmetscherin nutzt. Doch trotz ihrer ständigen Bemühungen, ihrer Familie und vielen ihrer Mitbürger*innen zu helfen, nimmt der Druck der serbischen Befehlshaber weiter zu und im Hintergrund beginnen die Verbrechen …
Rezension
QUO VADIS, AIDA ist in erster Linie ein charakterzentriertes Drama und keine umfassende historische Abwicklung des Bosnienkrieges. Aus Perspektive der Hauptfigur Aida, gespielt von Jasna Djuricic, verfolgt der Zuschauer die Entwicklungen zum Massaker von Srebrenica und bekommt einen überwiegend subjektiven Blickwinkel auf die schrecklichen Begebenheiten. Lose basierend auf dem Buch Unter der Flagge der Vereinten Nationen. Die Staatengemeinschaft und der Völkermord von Srebrenica von Hasan Nuhanović, welcher wie die Hauptperson als Übersetzer in der Schutzzone der UN arbeitete, stellt die Regisseurin Jasmila Zbanic eine Frau in den Mittelpunkt. Anhand Aida stellt sie somit nicht nur den Kampf einer sorgenerfüllten Mutter dar, sondern zeigt nach eigenen Aussagen eine Frau, die im Kriegsspiel der Männer gefangen ist.
Eine Frau im Krieg
In Aida treffen nicht nur Muttergefühle auf der einen und ihr Sprachwissen und ihre Nützlichkeit für die UN auf der anderen Seite zusammen, Jasna Djuricic gelingt mit beeindruckender Performance die Darstellung einer zerrissenen und dennoch kraftvollen Figur, die immer in Bewegung und immer in Aktion ist, obwohl sie die Angst vor dem kommenden Schrecken plagt. Ihre Unsicherheit und Todesangst trotz zugrundeliegender Neutralität wird dem Zuschauer nervenaufreibend und in ihren Übersetzungen glaubhaft vermittelt. Die Schwierigkeiten des Vermittelns und das Fingerspitzengefühl zwischen den verschiedenen Sprachen lassen sich vor allem im Original mit Untertiteln nachfühlen.
Aidas Bemühungen, ihre Familie in Sicherheit zu bringen, sind Motor des Films und sorgen über viele Szenen hinweg für die treibende Kraft der Erzählung, deren Ausgang schon zu Beginn düster und bedrohlich über der Handlung schwebt. Durch den Fokus auf Aida, deren Mann und ihren zwei Söhnen entsteht allerdings selten ein Einblick in die Vielschichtigkeit der Gesamtsituation oder in die Tiefe anderer Charaktere.
Die Spannung ist auf konstanten Niveau, ohne die Gefahr reißerisch auszunutzen. Seine Intensität zieht der Film vor allem aus seinen kleinen Momenten, in denen Aida um ihre Familie ringt oder verschiedene Konfliktparteien im Gespräch aufeinandertreffen. Außerdem vermitteln sich in großen, erdrückenden Massenszenen bedrängende und äußerst angespannte Bilder.
Dimensionen des Films
Eine Auflösung dieser Spannung gibt es nicht, – selbst wenn irgendwann Traumfantasien der Protagonist*innen über den Bildschirm flimmern, bleibt der Grundtenor nervös. Dass der Film dabei nur selten das tatsächliche Verbrechen einfängt, sondern mehr über die veräußerten Gefühle seiner Protagonist*innen einfängt, ist ein Ansatz, mit dem der Zuschauer zurechtkommen muss. Dass dabei einzelne Dimensionen des Verbrechens und der inhumanen Lage etwa Vergewaltigungen und Suizide, kleinen Andeutungen oder Auslassungen verfallen, hinterlässt dabei einen bitteren Nachgeschmack.
Über das Ende lassen sich ähnliche Gedanken anführen, welche aufgrund von Spoilern an dieser Stelle vermieden werden. Grundsätzlich ist der tonale Bruch der letzten Minuten jedoch auch eine Gratwanderung, dessen Gelingen oder Misslingen wohl im Betrachten des Zuschauers liegt, den aufwühlenden und vorangegangenen neunzig Minuten aber auch nicht seiner Kraft beraubt.
Diese Kraft entsteht neben der bemerkenswerten schauspielerischer Leistung der Akteure, neben Jasna Duricic unter anderem Izudin Bajrovic, Johan Heldenbergh (DIE FRAU DES ZOODIREKTORS) und Raymond Thiry, größtenteils durch die Kameraarbeit von Christine A. Maier, die die Szenerien mal mit genügend Überblick über hunderte Menschen und mal im Chaos versunken einfängt und somit das Scheitern der UN und deren Sicherheitsbestrebungen verbildlicht. Oft heftet sie sich auch an die Fersen der Protagonistin, was ihre Unermüdlichkeit und Dringlichkeit bis zum Ende aufrecht erhält.
Fazit
QUO VADIS, AIDA? ist ein aufwühlendes und bedrückendes Kriegsdrama, bei welchem sich das Verbrechen oft nur in Ansätzen zeigt und durch eine unbequeme Atmosphäre transportiert wird. Im Vordergrund agiert eine unermüdliche Protagonistin, deren Kampf um ihre Familie einen recht unausgewogenen Blick auf das Geschehen zeigt. Nichtsdestotrotz funktioniert der Film um jenes Kriegsverbrechen und die Erinnerung daran, zurück ins Gedächtnis zu rufen.
Schauspieler:in | Rolle |
Jasna Djuricic | Aida Selmanagic |
Izudin Bajrovic | Nihad Selmanagic |
Boris Ler | Hamdija Selmanagic |
Dino Bajrovic | Sejo Selmanagic |
Johan Heldenbergh | Colonel Karremans |
Raymond Thiry | Major Franken |
Boris Isakovic | General Ratko Mladic |
Emir Hadzihafizbegovic | Joka |
Reinout Bussemaker | Colonel Dr. Robben |
Teun Luijkx | Captain Mintjes |
Juda Goslinga | Lieutenant Rutten |
Jelena Kordic | Chamila |
Alban Ukaj | Tarik |
Ermin Bravo | The Mayor |
Edita Malovcic | Vesna |
Hinterlasse einen Kommentar