Originaltitel: Raya and The Last Dragon
Streaming – Release: 05.03.2021
Länge: ca. 107 Minuten
FSK: ?
Produktionsland: USA
Regie: Don Hall | Carlos López Estrada | Paul Briggs | John Ripa
Synchronsprecher:innen: Awkwafina | Gemma Chan | Kelly Marie Tran
Genre: Animation | Fantasy | Abenteuer | Familie
Verleih: Walt Disney Germany
Drachen sind faszinierende Wesen, die sich auf der ganzen Welt großer Beliebtheit erfreuen. Dabei werden sie in unterschiedlichen Kulturen völlig unterschiedlich dargestellt. Der eher westlich geprägte Drache ist ein großes Ungeheuer, welches geschuppt ist, Feuer speien und fliegen kann und zu den größten Wesen überhaupt gehört, wodurch es gleichzeitig unfassbare Kraft und Macht ausstrahlt. In Filmen und Serien werden diese Wesen oft als totbringende und zerstörerische Monster charakterisiert, die oftmals dennoch einen guten Kern besitzen und sich einer Menschengestalt hingezogen oder gar hörig fühlen. Selbstständig agierende Wesen gibt es dabei eher selten. Im asiatischen Raum kehrt sich diese mythische Vorstellung jedoch ins Gegenteil. Drachen sind dort schlangenartige Wesen, die von den Menschen gottgleich verehrt werden und in sich die Macht tragen die Welt zu beeinflussen. Zudem ist es ihnen möglich alle vier Elemente zu beherrschen.
So hat uns Walt Disney schon in MULAN 1998 die wesentlichen Merkmale präsentiert. Während Mushu in diesem Film eigentlich einen richtigen Drachen (westliche Vorstellung) erwecken sollte, sprang er schließlich selbst als eben jene Figur ein. Mushu verkörpert dabei genau die körperlichen Eigenschaften, die dem asiatischen Bild der Mythengeschöpfe entsprechen und gehört scheinbar zu den asiatischen Feuerdrachen. Es gibt in der östlichen Kultur insgesamt neun Drachenarten: (1) mächtiger gehörnter Drache, (2) gelber Drache, der dem Wasser entsteigt, (3) himmlischer Drache, (4) spiritueller Drache, (5) Drache der verborgenen Schätze, (6) windender Wasserdrache der Seen, (7) heimatloser Drache, der in Ozeanen, Sümpfen und Bergen lebt, (8) geflügelter Drache und (9) asiatischer Wasserdrache bzw. asiatischer Feuerdrache (gleiche Gattung).
Ein aufregendes Abenteuer, auch für das Filmteam
Für die Welt, in der RAYA UND DER LETZTE DRACHE spielt, nahm das Filmteam eine Reise in die ostasiatischen Länder auf und besuchte unter anderem die Länder Laos, Indonesien, Thailand, Vietnam, Kambodscha, Malaysia und Singapur. Ähnlich wie sie es schon bei DIE EISKÖNIGIN 2 taten, sammelte das Team dort Erfahrungen jeglicher Art, um diese im Film widerspiegeln zu können. Insbesondere wurde dabei die Landschaftsgestaltung berücksichtigt, aber auch kulturelle Eigenheiten. So sagt Regisseur Don Hall: „Als wir mit den Teammitgliedern, die auf den Forschungsreisen waren, gesprochen haben, war schnell klar, dass Essen eines der fundamentalen Elemente des Films sein würde. Als wir uns mit dem Thema Vertrauen beschäftigt haben, haben wir uns angeschaut, welche Rolle Essen dabei spielt, Vertrauen und ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen, und wie wir das so einbauen können, dass es sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht.“
Don Hall hat zuvor schon die Regie zum Erfolgsfilm BAYMAX – RIESIGES ROBOWABOHU geführt und dem Werk somit einen Oscar als bester Animationsfilm verschafft. Auch Carlos López Estrada hat sich mit BLINDSPOTTING bereits einen großen Namen gemacht. Auch dabei waren wichtige Persönlichkeiten der Walt Disney-Marke wie Peter Del Vecho, John Ripa und Paul Briggs. Der Synchroncast ist im Wesentlichen mit asiatischer Abstammung geprägt. So werden die beiden Hauptrollen von Kelly Marie Tran und Awkwafina (Nora Lum) gesprochen.
Darum geht es…
Raya ist eine junge Kriegerin, die im Reich „Herz“ groß geworden ist und die die Aufgabe ihres Vaters übernahm, das Drachenjuwel zu schützen. Dieses Juwel ist das einzige Schild vor den bösartigen Druun, welche Tod und Verwüstung über das gesamte Land bringen würden. Als das Juwel jedoch durch die Disharmonie der fünf Völker in Kumandra zerstört wurde, verteilten sich die Stücke auf die verschiedenen Völker. Die Energie reicht nun jedoch nicht mehr aus, um alle Teile des Kumandras zu schützen, weshalb die Druun nun wieder überall auftauchen. Da sie anders nicht bekämpft werden können und es Rayas sehnlichster Wunsch ist die Völker wieder zu vereinen, macht sie sich auf den Weg den letzten Drachen zu suchen, der angeblich noch leben soll und welcher ursprünglich verantwortlich war für die Schaffung des Drachenjuwels. Doch wird sie die Einigkeit der Völker wiederherstellen können und lebt der Drache wirklich noch?
Rezension
Mittlerweile ist es ganze fünf Jahre her, dass wir aus den Walt Disney Animation Studios eine Origin-Story präsentiert bekommen haben, die keine Fortsetzung ist. Zuletzt wurden große Erfolge im Jahr 2016 mit VAIANA gefeiert, dicht gefolgt von den zweiten Teilen von DIE EISKÖNIGIN und RALPH REICHTS. Mit RAYA UND DER LETZTE DRACHE dürfen wir uns nun an einer völlig neu entwickelten Welt erfreuen, die so zuvor noch nicht geschaffen wurde. Allein schon damit hat Disney sich völlig richtig orientiert, denn das Bombardement mit unzähligen Neuauflagen und Fortsetzungen ist eine Richtung, die nicht gerade Sympathie ausstrahlt und eher von Einfallslosigkeit zeugt.
Die erschaffene Welt Kumandra bietet uns wieder einmal fantastische Augenweiden von natürlichen Umgebungen und moderner digitaler Animationstechnik. Durch die Geographie in der Geschichte wird die Möglichkeit geboten unterschiedlichste Lebensräume realitätsnah zu visualisieren und damit beeindruckende Landschaften zu erschaffen. Gleichzeitig orientiert sich diese, laut eigenen Angaben des Produktionsteams, an den zuvor erwähnten Ländern, auch wenn die Topographie einem frei erfundenen Bild folgt. Dennoch schwingt mit diesem wunderschönen Ort auch ein etwas unangenehmer Beigeschmack mit, denn auch wenn die Behauptung steht, dass es sich um südostasiatische Vorbilder handelt, wird doch viel mehr der Eindruck bestärkt, dass die einzelnen Elemente einem chinesischen Bild folgen und damit reinweg die entsprechende Bevölkerung animieren soll, den wirtschaftlichen Erfolg des Films zu stärken. Da dies jedoch nur minimal durch die Oberfläche schimmert, ist es nicht als weiter schlimm zu betrachten.
Prachtvoll bis in die kleinste Nebenfigur
Doch auch neben den Landschaften kann RAYA UND DER LETZTE DRACHE einige optische Feinheiten bieten. Die Welt und alle Figuren in ihr sind glatt und kantenlos gehalten und orientieren sich daher visuell ein wenig an dem letztjährigen WHITE SNAKE – DIE LEGENDE DER WIEẞEN SCHLANGE. Dennoch ist deutlich erkennbar, wie auf Feinheiten großer Wert gelegt wurde und insbesondere in Nahaufnahmen Haare und Fell in unfassbarer Schärfe und Detailliertheit gezeigt werden. Auch bekommen wir wieder einmal einen wunderbaren Sidekick für die Protagonistin geliefert, der teils an ein Gürteltier erinnert, teils aber auch an einen überdimensionierten Käfer gemixt mit einem Mops. Das Produktionsstudio schafft es immer wieder auf rätselhafte Weise die ungewöhnlichsten Tiervorlagen zu finden und diese so darzustellen, dass man sie einfach nur knuddeln möchte. Während ein Gürteltier wohl die wenigsten Menschen bei sich zu Hause haben wollen, ist schon jetzt sicher, dass mit dieser Neukreation die Ostergeschenke für viele Kinder feststehen.
Abseits davon sind die Figuren recht unterschiedlich entwickelt. Diese spiegeln visuell wesentliche Teile ihres Charakters wieder. So wirkt Raya geheimnisvoll, mutig und stark und zugleich zerbrechlich, während der Drache Sisu eher Wildheit, Unbesonnenheit und Tollpatschigkeit ausstrahlt, aber zu gleich auch eine naive Ehrlichkeit. Insbesondere zu Beginn des Films präsentiert Sisu dabei tatsächlich eher eine unangenehme Persönlichkeit. Diese soll zwar vor allem der humoristischen Aufwertung dienen und die Figur von sonst üblichen Darstellungen abheben, sorgt aber auch gleichzeitig dafür, dass die ihr angedichteten Eigenschaften teilweise nicht so recht glaubhaft rüberkommen und die Story dadurch albern wirkt. Glücklicherweise jedoch entwickelt sich die Figur im Laufe des Films recht stark und erlangt dadurch die sehr nötige Ernsthaftigkeit und Tiefe. Entweder hätte wohl der Versuch amüsant zu wirken auf wirklich guten Gags aufgebaut werden sollen, oder diese Eigenschaft in den vielen Nebenfiguren verschärft werden müssen.
Mit Wucht und ohne Gnade
Unbedingt Erwähnung finden muss auch die ausgeprägte Inszenierung von Kampfsequenzen. Insgesamt bekommen wir drei wesentliche Szenen dieser Art zu sehen, die alle brillant wirken, denn sie sind nicht nur hervorragend klar und scharf animiert, sondern folgen auch realitätsnahen Martial-Arts-Interpretationen, insbesondere auch in ihrer beeindruckenden Geschwindigkeit. Entgegen sonstiger Kämpfe, wie wir sie zum Beispiel aus KUNG FU PANDA kennen, sind die Schläge und Tritte gnadenlos und eisern und zeichnen sich dadurch aus, dass die Ernsthaftigkeit nicht durch abmildernde Ironie gebremst wird. Beeindruckende Feinheiten wie ein völlig neu entwickeltes Schwert runden die Szenen bestens ab. Diese Entschlossenheit führt allerdings zeitgleich auch dazu, dass es fraglich ist, ob RAYA UND DER LETZTE DRACHE wirklich für kleinere Kinder noch geeignet ist oder nicht doch eher ein etwas Erwachseneres Publikum anspricht.
Auch inhaltlich ist der Film erschreckend gut gefüllt. Niemals fühlt sich dieser wie nur 90 Minuten Spielzeit an – vielmehr wird uns ein Fantasyepos gezeigt, der wie ein Dreistünder wirkt, nicht jedoch, weil er so langatmig erzählt wird, sondern weil so viel geschieht, dass es kaum möglich scheint all dies in so kurzer Zeit in dieser Ausführlichkeit zu behandeln. Dabei wird natürlich ein recht hohes Erzähltempo an den Tag gelegt, welches zusätzlich kleine Kinder leicht überfordern könnte. Viele wichtige Emotionen und Werte finden ihren Platz und scheinen dabei auch nicht zu kurz zu kommen. Verlust und Angst, Ehre und Freundschaft, Ehrlichkeit und Vertrauen, aber auch Selbstkritik, Reue, Zusammenhalt, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit finden ihren Einfluss.
Animations Roadmovie mit farbenfroher Düsterkeit
All das wird verpackt in einer umfangreichen Abenteuerreise, die uns gleich mehrfach durch die fünf verschiedenen Landesteile treibt. Diese ist von unzähligen verschiedenen Figuren geprägt, die alle recht harmonisch miteinander im Einklang zu stehen scheinen und gleichzeitig Repräsentanten unterschiedlichster Herkunft und Persönlichkeit sind. Aufgesplittet in verschiedene Kapitel, die zeitgleich den gegenwärtigen Handlungsort umreißen, lernen wir zudem verschiedene kulturelle Grundlagen asiatischer Lebenskultur kennen. All diese Kontraste wurden charmant zusammengefügt und bilden insgesamt ein umfangreiches Filmerlebnis, dass nicht nur Unterhaltung garantiert. Auch Magie ist Wesentlicher Aspekt des Films, die uns die Möglichkeit gibt, noch tiefer in die Zauberhaftigkeit des Films eintauchen zu lassen. Diese ist zudem geprägt von einem wundervollen Farbenspiel, welches erneut die Begeisterung für das visuelle Design schürt.
Und als wäre das nicht genug bekommen wir auch noch eine böse Macht gezeigt, die den gesamten Handlungsverlauf prägt und die Motivation der Figuren, insbesondere von Raya und Sisu, aufschlüsselt. Die sogenannten Druun sind gestaltlos und zeitgleich unglaublich kraftvoll und seien aus menschlicher Zwietracht geboren wurden. Viel mehr lernen wir von diesen Wesen gar nicht kennen und sie tauchen genauso plötzlich und unvermittelt auf, wie sie wieder verschwinden. An dieser Stelle fehlt jedoch ein wenig Substanz, da die Herkunftserklärung doch ein wenig dünn zu sein scheint. Dennoch ist dies nicht weiter tragisch, da schnell klar ist, dass wir uns in einer Fantasiewelt befinden und wir eben auch akzeptieren müssen, dass es Regeln und Voraussetzungen in dieser gibt, die einfach als erzählerische Grundlage dienen.
Das habe ich selbst gesehen..
Etwas problematisch jedoch sind die umfangreichen und langatmigen Dialoge, die meist nur das erklären, was wir visuell schon in beeindruckender Pracht gezeigt bekommen haben. Sie sind somit teilweise überflüssig und lenken zu sehr vom optischen Glanz ab, der uns im Film erwartet. Viele Inhalte erklären sich von allein aus der Handlung heraus und hätten sich noch intensiver in der Gefühlslage des Publikums widerspiegeln können, wenn sie einfach unkommentiert geblieben wären. Dafür ist uns allerdings etwas anderes erspart geblieben, was womöglich in der richtigen Tonlage auch gut reingepasst hätte, aber einfach viel zu typisch für Produktionen der Disney Studios ist: es gibt keine eindeutig gesungenen Songs, die den Film zu einer Art Musicaladaption machen würden. Der genutzte Score reicht vollkommen aus, um die Stimmung von RAYA UND DER LETZTE DRACHE in jeder Szene zu verschärfen, insbesondere weil dieser teilweise düster, teilweise auch monumental wie bei AVATAR oder TITANIC angelegt ist.
Fazit
Dieser Film strotz geradezu vor erzählerischem Scharfsinn und optischer Brillanz. In kürzester Zeit wird eine so umfangreiche Geschichte erzählt, die alle Höhen und Tiefen perfekt auskostet und sich tatsächlich auch im Verlauf der Handlung fantastisch steigert. Gleichzeitig wurde damit eine imposante Figurenentwicklung geschaffen, die seines Gleichen sucht und wodurch es dem Publikum problemlos möglich ist, sich schnell mit der Story zu identifizieren. Beeindruckend ist dabei, dass Disney nun auch auf etwas härtere Sequenzen zurückgreift und damit entsprechend der Brisanz der Handlung auch ein etwas älteres Publikum anspricht. Dennoch vergessen sie dabei nicht, auch die weichen und herzerfüllenden Töne zu berücksichtigen und damit ein wohliges Gefühl bei den Zuschauern zu hinterlassen. Das Werk ist somit nur sehr zu empfehlen und vielleicht wäre ein nächster großer Schritt für Disney, solch einen grandiosen Stoff noch mehr zu tiefen und dabei auch über die übliche Spieldauer für Kinderfilme hinaus zu gehen.
Nachdem sich die Disney Animation Studios nun schon eine Weile nicht mehr an Origin-Storys versucht haben, die keine Fortsetzung sind, ist es wunderbar endlich wieder eine neue magische Welt präsentiert zu bekommen. Tatsächlich schafft es das Studio erneut das Publikum auf allen Ebenen zu begeistern und vor allem ein Werk zu schaffen, dass sich weniger an die wirklich jungen Kinder richtet als doch auch ein Stück weit an uns Erwachsene. Kaum vorstellbar ist es, dass eine solche umfangreiche Handlung mit so vielen Figuren, Handlungsorten und Storyentwicklungen in gerade einmal 107 Minuten gepackt werden konnten und dabei nur wenige qualitative Abstriche gemacht wurden. Disney präsentiert uns eine große Bandbreite an Emotionen und Werten und entführt uns in ein Abenteuer, welches nicht vor einer teilweise düsteren und konsequenten Erzählweise zurückschreckt. Nicht nur, dass die Intensität der Dialoge teilweise doch deutlich übertrieben wurde und belanglose Kommunikation immer wieder von den fantastischen Bildern ablenkt, auch tut sich das Werk anfangs schwer die nötige Ernsthaftigkeit und Bodenständigkeit aufzubauen und verliert sich besonders durch die Einführung des Drachen erst einmal unschöner Albernheit. Doch ist es dadurch auch möglich die Figuren und die Handlungen zu entwickeln und genau das wurde in schierer Perfektion geschafft.
Auch wenn es minimale Kritikpunkte gibt, so ist dies doch ein Film, auf den ich qualitativ schon lange gewartet habe und der eigentlich auf alle Leinwände dieses Landes gehört.
Schauspieler:in | Rolle |
Kelly Marie Tran | Raya |
Awkwafina | Sisu |
Izaac Wang | Boun |
Gemma Chan | Namaari |
Daniel Dae Kim | Benja |
Benedict Wong | Tong |
Jona Xiao | junge Namaari |
Sandra Oh | Virana |
Thalia Tran | kleine Noi |
Lucille Soong | Dang Hu |
Alan Tudyk | Tuk Tuk |
Gordon Ip | Händler 2 |
Dichen Lachman | General Atitaya | Kammkrieger |
Patti Harrison | Schweifoberhaupt |
Jon Park | Chai |
Derzeitig gibt es noch keine weiteren Bewertungen des Films.