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Rheingold Filmstill

Rheingold ©2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Der Hamburger Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautor Fatih Akin zählt schon lange zu den wichtigsten deutschen Filmschaffenden. Es ist vor allem seine „Liebe, Tod und Teufel“ Trilogie, die ihn bekannt gemacht hat. Mit AUS DEM NICHTS schaffte er es sogar bei den Golden Globes mit dem Preis für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet zu werden. Als Sohn türkischer Eltern widmet er sich in seinen Werken immer wieder dem Leben eingewanderter Menschen und betrachtet dabei gesellschaftliche Missstände. Während bekannt wurde, dass Xatars veröffentlichte Biografie „Alles oder Nix: Bei uns sagt man, die Welt gehört dir“ verfilmt werden sollte und mehrere Produktionsfirmen Interesse daran äußerten, waren der Rapper und der Regisseur bereits im ständigen Dialog über Instagram. Als sich die Gelegenheit bot, schlug Akin schließlich zu und übernahm das Projekt, da die Lebensgeschichte des Musikers ein fabelhafter Genremix ist und er selbst fasziniert von Filmen ist, die man nicht so recht einordnen könne.

Darum geht es

Als eines Abends ein Konzert in Teheran von Mullahs gestürmt wird, werden die Eltern von Giwar Hajabi festgenommen und für den gerade einmal dreijährigen Jungen bricht eine Welt zusammen. Als Teil der kurdischen Minderheit im Irak gelten sie als Feinde des Regimes von Saddam Hussein. Der Start ins Leben könnte schwieriger kaum sein, doch nach einigen Monaten im Gefängnis ist es der Familie möglich nach Europa zu fliehen und in Frankreich vorrübergehend Schutz zu finden, bis sie sich schließlich in Bonn als Asylbewerber niederlassen können. Als Außenseiter betrachtet endet zwar der Kampf ums Überleben, doch nun muss der Heranwachsende sich den sozialen Problematiken in Deutschland stellen und einen ganz persönlichen Weg zum Erfolg finden. Nicht selten werden ihm Steine in den Weg gelegt, doch er lässt sich nicht einschüchtern, denn er möchte seiner Familie einmal ein besseres Leben bieten, als er es selbst hatte.

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Rezension

Rapper lieben es sich selbst zu inszenieren und werden dafür auch noch umfassend gefeiert. Musikplattformen wie Spotify werden überflutet mit immer gleichen beleidigenden, sexistischen, genderfeindlichen und diskriminierenden Songtexten, die nicht selten zu Gewalt aufrufen und teilweise höchstbedenklich sind. Nicht von Ungefähr werden immer wieder Songs der Publikumslieblinge verboten und auch die Strafakte entsprechender Künstler*innen gleicht gelegentlich einem Gruselroman. Selbstredend entwickelt sich hier schnell ein Klischeebild, welches Teilen der Szene absolut Unrecht tut und von dem es schwer fällt sich wieder reinzuwaschen. Wird zudem Kritik am Prestige der Musikschaffenden geübt, so gilt diese oftmals als Neiddebatte oder wird mit musikalischem und gesellschaftlichem Unverständnis gleichgesetzt.

Rheingold Filmstill

Rheingold ©2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Ob Fatih Akins Versuch ein realistisches und positiv angehauchtes Bild von Giwar Hajabi alias Xatar zu entwickeln als sinnvoll betrachtet werden kann, ist ebenfalls höchst fraglich. Vom Tellerwäscher zum Millionär ist die Devise von RHEINGOLD, nur das statt Tellern das ein oder andere Gesicht poliert wird, um den eigenen Status aufzufrischen. Respekt und Ansehen, Geld, Macht und Bekanntheit – das sind die einzigen Währungen, die zählen und diese werden notfalls auch abseits des Gesetztes eingefordert. Denn wer dies nicht bieten kann, ist ein „Nichts“, so jedenfalls die fadenscheinige Meinung, wie wir sie bereits in ZEITEN ÄNDERN DICH vorgesetzt bekommen haben.




Mehr Schein als Sein

Akin zeichnet in diesem Film den biographischen Weg des deutschen Unternehmers, Verlegers, Gastronom, Rappers und Produzenten Xatar in brillanter filmischer Qualität und folgt dabei einem zwar formal perfektionistischen, aber dennoch nicht so unähnlichem Stil, den schon Uli Edel in seiner Regiedarstellung des Lebens von Bushido prägte. Eben jene starke inszenatorische Leistung, die Fatih Akin nicht das erste Mal vorweisen kann, verschleiert fragwürdige Charakterzüge und bringt Kritikschreibende dazu, sich von der künstlerischen Brillanz blenden zu lassen. Gezeigt wird jedoch wieder einmal ein massentaugliches Bild eines skrupellosen Rappers, welches Schandtaten verherrlicht und mit scheinheiliger Selbstkritik versucht das eigene Immage aufzupolieren. Legitimiert wird dies durch Selbstkritik, die vor allem in der Schlussszene nicht unangenehmer sein könnte. Laut Akin haben Xatar und er viele gemeinsame Bekannte und Freunde und wie uns RHEINGOLD mehrfach unmissverständlich zu verstehen gibt, ist Zusammenhalt in gewissen Kreisen eine Selbstverständlichkeit.

Rheingold Filmstill

Rheingold ©2022 Warner Bros. Entertainment Inc.

Mehrfach wechselt der Film sein Bildformat und passt sich damit der jeweiligen inhaltlichen Stimmung bestens an. Die Bandbreite der Szenenbilder ist riesig und umfasst nicht nur mehrere Städte in Deutschland, sondern überschreitet auch Ländergrenzen. Akin zeigt zudem großen Mut in seinen Darstellungen, die immer wieder äußerst schmerzhafte und schockierende Bilder produzieren. Diese sind oftmals nicht gerade leicht erträglich für das Publikum, weshalb das Werk mit Vorsicht genossen werden sollte. Auch verbal bleibt der Regisseur authentisch und rutscht fließend von einer Sprache in die Nächste. Der Score lehnt selbstverständlich in großen Teilen an das Schaffen des Rappers an, bezieht aber auch Musikstücke seiner Familie und Freunde mit ein. Wie uns der Film selbst vermittelt, lehnt der Titel zudem an Richard Wagners Oper „Das Rheingold“ an, obwohl es wohl kaum ein Zufall ist, dass dieser Begriff auch als Synonym für Goldwäsche im Fluss Rhein dient.

Fazit

Sätze wie „Giwar habe viel über sich gelernt, was er bis dahin nicht wusste“, und „sein Leben sei durch den Film noch wahrer geworden, als er es selbst in Erinnerung habe“, suggerieren nur bedingt, dass es sich hierbei um einen wirklich guten Film handelt. Stattdessen entsteht der Eindruck, dass RHEINGOLD eine Märchenerzählung ist, die sich am groben Leben von Xatar orientiert und dabei eine Fantasiewelt schafft, in der der Rapper selbst gerne leben würde wollen. Dies wird sogar noch garniert mit der eigenwilligen finalen Moral: So lange der Unsinn, den du verzapfst, nur schlimm genug in deinem Leben ist, wird irgendwann alles gut und mit einsetzen des Erfolgs ist es egal, was zuvor passiert ist. Verpackt in wunderbaren Inszenierungen gibt sich Fatih Akin somit zwar keine Blöße in seiner Regiearbeit, enttäuscht aber in der Drehbuchentwicklung auf ganzer Linie. Es ist dennoch zu erwarten, dass das Werk beim Publikum für Begeisterung sorgen wird.

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